von Stephan Ehmke, 04.10.2020
Wie sehr aber „DDR“-Unrecht durch die Bundesrepublik Deutschland nach 1990 weitergeschleppt
wurde, zeigt das Beispiel der Enteignungen von 1945-49 in der SBZ. Bis heute haben alle deutsche
Regierungen behauptet, die Festschreibung der Enteignungen sei eine Bedingung der Russen für die
Zustimmung zur Wiedervereinigung gewesen. Eine unbewiesene Behauptung. Michail Gorbatschow
hat das stets bestritten. Warum sollte er die Unwahrheit sagen?
Den Politiker und Autor Uwe Greve 1 hat dieses Thema immer beschäftigt, er hat viel darüber geschrieben. In der Broschüre Die Lage war noch nie so ernst“. Schriftenreihe der OMV SchleswigHolstein, Heft 7, Kiel 1998, schrieb er im Vorwort: „Fordern Wahrer des Rechtsstaats, die sowjetischen Enteignungen 1945 bis 1949 in der SBZ unter Achtung der Rechte der Neueigentümer rückgängig zu machen, so werden sie als „Anwälte von Junkern und Großkapitalisten“ diffamiert.
Wie lange lassen sich die Deutschen noch ein solch undemokratisches Meinungsklima bieten?“ Sie lassen es sich bis heute bieten. In demselben Heft wurde der folgende Beitrag abgedruckt:
>>Landraub bleibt Landraub<< >>Der Journalist Reinhard Brookmann brachte in einem Artikel für das Westfalenblatt vom
29.9.1996 die Problematik der SBZ-Enteignungen von 1945 bis 1949 auf den Punkt:
„Was gehen uns eigentlich ein paar Hektar Wald in der Mark Brandenburg oder ein Streifen Ackerland
irgendwo in Thüringen an, deren Eigentumsverhältnisse auch knapp sieben Jahre nach dem Fall der
Mauer nicht geregelt sind? Antwort: Mehr als jeder von uns denken mag. Denn auf dem Papier
gehören besagte zwei Landstriche uns allen, nämlich der Bundesrepublik Deutschland. Dabei kostet
das Wäldchen derzeit den Steuerzahler mehr Unterhalt, als es einbringt. Das Ackerland schließlich
wurde womöglich 400 Jahre lang von derselben Familie bewirtschaftet, bis es nach Kriegsende
zwischen 1945 bis 1949 verloren ging, weil Besatzer meinten, Recht ausüben zu müssen. Sie haben
Unrecht walten lassen, wir wissen das. Der rote Spuk hatte nach 40 langen Jahren ein Ende, und man
könnte meinen, besagte Bauernfamilie würde nunmehr wiederum die Scholle aufbrechen, wie sie es
seit Generationen getan hat
Weit gefehlt. Nur unter schikanösen Auflagen kann der niemals enteignete, weil auch nie entschädigte,
also beraubte Bauernsohn das Land seiner Väter zurückkaufen. Das Verfahren ist so geregelt, daß von
einem freien Aushandeln sowieso keine Rede sein kann.
Die CDU-geführte Bundesregierung hat heute die Unrühmlichkeit auf sich geladen, vollendet zu
haben, was die Nazis 1923 in ihr Parteiprogramm schrieben, die Stalinisten in der
„Bodenreform“ umsetzten und Bundesgesetze besiegeln: die Enteignung des Großgrundbesitzes, der
immer auch die Kleinen traf.
Zum Glück gibt es in der Union immerhin einige, die noch zuhören können, die einen begangenen
Fehler einzuräumen in der Lage sind. Wenn es auch zu wenige sind, so hat doch ein Fähnlein
aufrechter Streiter für das Eigentum um den Blankeneser Heiko Peters herum eine Gegenbewegung
in Gang gesetzt. Schließlich waren sich die vier norddeutschen CDU-Landesverbände SchleswigHolstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen darin einig, den Bodenreformopfern Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen.
Ihre Initiative zur Streichung von Paragraph 1 Absatz 8a aus dem Vermögensgesetz hat geradezu
hysterische und entlarvende Reaktionen in anderen Gliederungen der Partei ausgelöst, ganz zu
schweigen von den Tönen bei PDS und SPD. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern stimmte unter Federführung von Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) einstimmig dafür, die brutalen
Enteignungen nicht rückgängig zu machen. Beim CDU-Landesparteitag in Schwerin am Wochenende
warnte der vom Bundeskanzler entsandte Generalsekretär Peter Hintze davor, das Rad der Geschichte
zurückzudrehen.
Dabei will erstens niemand die ››Bodenreform« aufheben und, zweitens, die roten oder braunen
Gauleiter nicht wieder in den Sattel hieven. Es sollen die Familien zum Zuge kommen, die über
Jahrhunderte segensreich und stabilisierend in ihren Landstrichen gewirkt statt verwüstet haben. Vor
allem aber geht es ausschließlich um Grund und Boden, der derzeit in der Hand des Bundes liegt.
Schon 1990 haben die betroffenen Enteigneten allen Landräten von Rügen bis zum Vogtland erklärt,
daß auf die Rückgabe von mit Häusern bebauten Landflächen verzichtet werde. Funktionierende
Bauernstellen sollten unberührt bleiben. Das hat niemand zur Kenntnis genommen, 1990 nicht und
1996 wird immer noch so getan, als ginge es darum, den gebeutelten Ex-DDR-Bürgern ihr
Kleinhäuschen wegzunehmen.
Und dann der Vorwurf: Arbeitsplätze gehen verloren, soziale Unruhen drohen! Ost-CDUler führen
ihn ebenso gerne im Munde wie PDS-Apparatschiks. Alles falsch! Böswillig verdreht! Die strittigen
Flächen sind im Besitz des Bundes und langfristig, in der Regel für zwölf Jahre, verpachtet. Würden
sie zurückgegeben, hätte dies keinen Einfluß auf den Vertrag. Wechsel bricht nicht die Pacht. Bauern
wissen das. Die dort überwiegend wirtschaftenden Agrargenossenschaften zahlten nicht an den Bund,
sondern den alten, rechtmäßigen Besitzern exakt den zuvor ausgehandelten Betrag. Wieso soll das
Arbeitsplätze kosten? Außerdem haben die Alteigentümer, die die Möglichkeit zur Rückkehr auf ihre
Scholle gehabt haben, längst wieder zu wirtschaften begonnen, wo ihre Familie schon immer mit
Fleiß und Anstand gewirkt hatte. Die meisten dieser Glücklichen haben ihren angestammten Besitz
ohnehin schon in Teilen zurückgepachtet. Die wiedererrichteten Hofstellen würden also nicht belastet,
sondern gestärkt – auch das zum Thema Arbeitsplätze.
Am Ende geht es um etwas sehr Schlichtes und sehr Wesentliches: das Eigentum. Es ist fast so
substantiell wie das Leben für den Erhalt eines Gemeinwesens. Zwei Kriege und schwere
Verwerfungen danach haben Millionen von Menschen das Leben, noch mehr ihr wie auch immer
geartetes Eigentum gekostet. Die Verluste an Leib und Leben kann niemand wettmachen, aber wer
beraubt wurde, muß auf Gerechtigkeit hoffen können. Vor allem, wenn einzelne dabei gleicher
wegkommen als andere. Ein Staat kann nur stabil sein, wenn seine Substanz stimmig ist.
Rechtsstaatliche Beihilfe zum Landraub ist geeignet, Grundpfeiler unseres Gemeinwesens zu
erschüttern. Das Thema geht uns alle an, denn es geht um’s Prinzip.“<<
Die Fortschreibung der Enteignungen im 2+4-Vertrag von 1990 ist bis heute ein Skandal und eines
Rechtsstaates unwürdig.
1 Uwe Greve (1940-2005), Autor, Publizist und Unternehmensberater, Abgeordneter des Schleswig-Holsteinischen
Landtages 2001-2005, Vorsitzender der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung Schleswig-Holstein, Vorsitzender des
Bismarckbundes e.V, Beirat der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e.V.