Neue Mitarbeiterbeteiligung?

Neue Mitarbeiterbeteiligung?

Unter der Überschrift „neuer Wohlstand für die Mittelschicht“ lobt „Die Welt“ ein CDUPositionspapier mit dem Titel „Mitarbeiterkapitalbeteiligung und Aktienkultur verbessern – Teilhabe am Wohlstand sichern“.

Mit Recht haben offenbar auch die CDU-Abgeordneten inzwischen gemerkt, dass das „reiche Deutschland“ privat arm ist, dass der durchschnittliche Bundesbürger nur 18.000,- Euro habe und nur 40 % Wohneigentum. In den angeblich armen Ländern wie Italien und Spanien ist dies doppelt so hoch – deshalb müssen sie auch über die EU 380 Milliarden Euro Geschenke auf Kosten der deutschen Steuerzahler bekommen.

Zweite falsche Erkenntnis: Wohlstandszuwachs gelinge am besten mit unternehmerischen Beteiligungen, allen voran mit Aktien.

Konkret will die CDU Steuerbegünstigungen für Mitarbeiteraktien. So soll ein „breiter Vermögensaufbau an Produktivvermögen bei der Bevölkerung“ erreicht werden. Auch bei Unternehmensgründungen sollen die Mitarbeiter sich frühzeitig „am künftigen Weltmarktführer beteiligen, zum Beispiel auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz“.

Im internationalen Vergleich sei die Zahl der Aktionäre in Deutschland mit rund 10 Millionen zu gering und müsse durch gezielte Förderungen gestärkt werden, denn „ein breit gestreutes Portfolio von Börsenpapieren bringe langfristig den besten Wertzuwachs“. Zur Förderung der Aktienkultur gehöre auch die Ablehnung der von der SPD gewünschten Finanztransaktionssteuer, „da sie vor allem Kleinanleger und die private Altersvorsorge in Deutschland belasten würde“.

Die Absicht ist lobenswert, aber ohne wirkliche Sachkenntnis:

  1. Das Ziel „Wohlstand für alle“, durch die Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten am Produktionsvermögen zu erreichen, ist so alt wie die CDU und zu Erhards Wirtschaftswunderzeiten auch gelungen. Schon immer sind dazu Versuche gemacht worden, von denen die meisten gescheitert sind, 2 weil sie die menschlichen Schwächen oder betriebswirtschaftlichen Grundsätze vernachlässigt hatten:
  • Schon der Erfinder der „Lagerente“, der Sozialreformer Johann Heinrich von Thünen, hat 1848 seine Knechte und Mägde eigentumsmäßig an seinem Gut Tellow beteiligt und scheiterte, weil die Mitarbeiter Gewinnauszahlung statt Investitionen verlangten.
  • Der Unterzeichner selbst hat eine Mitarbeiterbeteiligung schon bei Gründung eines mittelständischen Produktionsbetriebes versucht. Er ist ebenfalls gescheitert, weil die dauernd als Arbeiter im Betrieb tätigen Mitarbeiter meinten, ihr Leistungsanteil sei höher als der des Konzeptgebers, Planers, Kapitalgebers und betriebswirtschaftlichen Kontrolleurs, dessen Leistung die Arbeiter nicht einschätzen konnten und deshalb minderbewerteten.
  • Es gibt aber auch positive Beispiele, wie die Mitarbeiterbeteiligung bei Bosch u.a. – meist bei großen oder sogar Konzernunternehmen.
  1. Das Mittelstandsinstitut Niedersachsen hat sich mit den Formen der Mitarbeiterbeteiligungen intensiv beschäftigt und festgestellt,
  • dass es zwei Arten der Mitarbeiterbeteiligung gibt: die Kapitalbeteiligung und die Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter. Eine Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter ist nur möglich und sinnvoll bei Kapitalgesellschaften. Hier kommt die Kapitalbeteiligung in der Praxis in der Regel indirekt vor, dass die Mitarbeiter über eine eigene Gesellschaft Eigentum am Unternehmen erwerben (indirekte Kapitalbeteiligung). Dies ist das Erfolgsgeheimnis von Bosch und anderen erfolgreichen Beteiligungsmodellen. Wir haben aber unter unseren 3,5 Mio. Gewerbeunternehmen zwar über 700.000 Kapitalgesellschaften, davon aber 531.000 Kleinstkapitalgesellschaften – meist „unechte Personalunternehmen“, in denen nur eine Familie Kapitalinhaber und zugleich Geschäftsführer ist. Nur 43.000 unserer Kapitalgesellschaften haben über 50 Beschäftigte. Für diese 6 % käme also überhaupt nur die Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung in Frage.
  • Eine Grunderkenntnis der Mittelstandsökonomie war, dass die mittelständischen Personalunternehmen inhaberbestimmt sind. Nicht das Kapital, sondern die Unternehmerperson ist die entscheidende Größe 3 mittelständischer Personalunternehmen. Ist der Inhaber gut, wächst das Unternehmen. Wird der Inhaber schwach, wird auch das Unternehmen schwach1 . Wenn aber nicht das Kapital die Qualität des Unternehmens bestimmt, sondern eine Person, ist eine Teilbarkeit dieser Person nicht denkbar. Nur in Kapitalgesellschaften haftet das Kapital, in Personalunternehmen aber die Person. Nie hat es funktioniert, wenn einer haften, die anderen aber bestimmen sollen. Mittelständische Personalunternehmen sind deshalb für eine Substanzbeteiligung nach umfangreichen Forschungen des Mittelstandsinstituts Niedersachsen ungeeignet. 94 % aller unserer Unternehmen scheiden also für den Vorschlag einer Substanzbeteiligung aus.
  1. Funktioniert haben eigentlich nur Beteiligungsmodelle mit Gewinnbeteiligung. Größtes Beispiel ist VW mit seinem Weihnachtsgeld. Aber auch Millionen mittelständischer Unternehmen und sogar freiberuflicher Praxen beteiligen inzwischen ihre Mitarbeiter jährlich am Gewinn. Die Problematik dieser Form der Beteiligung liegt nur darin, ob ein Rechtsanspruch entsteht oder nicht. Gibt es einen Rechtsanspruch (bei Dauer), kann Gewinnbeteiligung in Wirtschaftsoder Unternehmenskrisen existenzgefährlich werden. Die meisten mittelständischen Unternehmer haben deshalb nur freiwillige Gewinnbeteiligungsmodelle.

Der Vorschlag einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung kann deshalb allenfalls für eine kleine Unternehmensminderheit gelten, welche die Vermögensbildung nicht entscheidend beeinflussen und ist eher politische Parole als tatsächlich umsetzbar.

Auch die Vorstellung, dass unsere Arbeiter sehr viel vermögender seien, wenn sie auch Aktien statt Lohn bekämen, wird in der Krise entzaubert werden. Eine Aktie ist nämlich kein Sachwert, sondern ein Spekulationswert. Die derzeitige Aktienblase beweist, dass die Bewertung der Aktien mit dem Wert der Unternehmen wenig zu tun hat, sondern allein spekulativ begründet ist. Wenn jetzt bald in der Rezession die Aktienkurse wie die Geldwerte zusammenfallen, werden alle Aktienbesitzer nominelle Verluste erleiden, die mit dem Prinzip „Wohlstand für alle“ nicht vereinbar sind.

Im Übrigen gehören 70 % unserer DAX-Firmen mehrheitlich ausländischen Spekulationsfonds, welche die Kurse dieser Firmen nach eigenem Nutzen und mit oft dubiosen Methoden manipulieren. Will man die Mitarbeiter in deren Hände fallen lassen?

Widersinnig ist auch der CDU-Vorschlag, die Transaktionssteuer abzulehnen. Es bessert unsere Aktienkultur nicht auf, wenn die internationalen Monopolisten in den Steueroasen weiter nicht besteuert werden können und dürfen, während unsere mittelständischen Inhaberbetriebe die höchsten Steuern der Welt zu zahlen haben – also deren Last mittragen müssen.

Der CDU-Vorschlag ist also gut gemeint; ihm fehlt aber Sachkenntnis und Realisierbarkeit. Hätte Ziemiak irgendein Examen bestanden, hätte er dies wissen können.

Prof. Dr. Eberhard Hamer


1 Vgl. Hamer, E. „Was ist ein Unternehmer?“, Stuttgart 2001, S. 259 ff. und Hamer/Jörgens „Wer ist Mittelstand?“, Hannover 2020 und Hamer, E. „Wie entscheiden Unternehmer?“, Stuttgart 1986

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