Eberhard Hamer, Gründer und langjähriger Leiter des Mittelstandsinstitutes Niedersachen, zur Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen, den ausufernden Sozialstaat, seine Profiteure in der Politik und den Hauptverlierer: den Mittelstand.
Durch den 2. Weltkrieg waren die Deutschen verarmt, ihr Vermögen in Kriegszerstörung und Währungsreform zusammengeschmolzen und hatten mehr als 90 % der Menschen überhaupt nur eine Existenzchance, wenn sie Arbeit hatten und daraus Einkommen erzielen konnten.
10 % unserer Bevölkerung haben nach dem Krieg durch Selbständigkeit Einkommen zu erzielen versucht, 90 % durch abhängige Arbeit. Das Erwerbseinkommen war somit für fast alle Einwohner die Existenzbasis ihres Lebens. Erst im Laufe der Jahrzehnte haben erfolgreiche Arbeitnehmer und Unternehmer Vermögen aufbauen können, welches ihnen Erträge abwarf und sie vom Erwerbseinkommen immer unabhängiger werden ließ.
Andererseits stieg auch kontinuierlich die Zahl derer, die nicht von eigenem Einkommen, sondern aus öffentlichen Leistungen (Transfereinkommen) leben.
Die Dominanz des Erwerbseinkommens in unserer Gesellschaft hat den Steuerstaat dazu verführt, das Erwerbseinkommen als Hauptgrundpfeiler seiner Steuereinnahmen zu gebrauchen – nach der falschen Erkenntnis von Marx, dass nur Arbeit produktiv sei und deshalb der Arbeitsertrag besteuert werden müsse. Je mehr der Staat Geld für die Subventionen an Kapitalgesellschaften und für die soziale Umverteilung brauchte, desto stärker wurden die Arbeitsleister unserer Wirtschaft (Unternehmer und Mitarbeiter) besteuert, haben wir inzwischen für Arbeitseinkommen die nach Belgien höchste Besteuerung der Welt.
Das Kapital dagegen wird umso weniger besteuert, je größer es ist, weil die großen internationalen Konzerne ihre Gewinne in den Steueroasen anfallen lassen und deshalb mehr öffentliche Gelder kassieren als sie selbst an den Staat abführen (1).
Andererseits hat sich mit wachsendem Wohlstand in unserer Gesellschaft die Zahl der Sozialleistungsnehmer kontinuierlich erhöht.
Kurz gesagt: Höherer Wohlstand hat nicht zur Verminderung der Sozialprobleme geführt, sondern umgekehrt haben die Sozialfunktionäre immer mehr angeblich Sozialbenachteiligte entdeckt, die sie zu betreuen versuchten und die der Staat – also praktisch die Leistungsträger – finanzieren mussten. Die Sozialleistungen nehmen inzwischen die Hälfte aller unserer Steuereinnahme in Anspruch (2).
Das Mittelstandsinstitut hat zur Produktivität unserer Bevölkerung errechnet, dass die 5 Millionen Unternehmer und die ca. 24 Millionen in privaten Firmen für den Markt arbeitenden Leistungsträger 33,9% unserer Gesamtbevölkerung ausmachen. 66,1% unserer Bevölkerung leben dagegen als Rentner (24,6%), als Arbeitslose und Sozialeinkommensbezieher (5,6%), aber auch als aus Steuermitteln unterhaltene öffentliche Beschäftigte (7,5%) letztlich von der Leistungskraft und den Steuern sowie Sozialabgaben des ersten produktiven Drittels (3).
Zwei Drittel unserer Bevölkerung leben also von dem, was der Staat, nicht was der Markt ihnen zahlt. Für zwei Drittel sind also die politischen Bedingungen einkommenswirksamer als die Marktbedingungen, ist die Sozialwirtschaft entscheidender als die Marktwirtschaft (4).
Dies hat politische Rückwirkungen: Wenn für zwei Drittel unserer Wähler die Transfer- und Sozialleistungen wichtigste Einkommensquelle sind, wählen sie auch die Politiker, welche ihnen am meisten Transfer- und Sozialeinkommen versprechen. Daraus folgt wiederum, dass alle sozialistischen Parteien einschließlich der CDU ihren Wahlkampf nicht mehr mit Ideen, sondern mit Sozialversprechen führen, sich mit Sozialgeschenken gegenseitig zu übertreffen versuchen.
Die Grünen gehen nun am weitesten: Sie haben in ihrem neuen Wahlprogramm den „Leistungsterror überwunden“ und „orientieren uns an der Leitidee eines bedingungslosen Grundeinkommens“.
Ein solches Grundeinkommen gibt es für einzelne Bevölkerungsgruppen schon jetzt: Nicht nur den Rentnern wurde dies garantiert, sondern durch Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts für alle, die kein Erwerbeinkommen haben. Es hat entschieden, dass die Hartz-IV-Versorgung nicht vom früheren Erwerbseinkommen abhängig sein darf, sondern auch Personen und Gruppen zusteht, die nie gearbeitet haben und nie arbeiten wollen. Dies sei „Ausdruck der Menschenwürde“.
Dass man also in Deutschland ohne Erwerbseinkommen bis zum Lebensende (inkl. Rente) abgesichert wird, hat sich vor allem bei den Armen der Welt herumgesprochen und zur Masseneinwanderung von Sozialleistungsforderern geführt. Damit wird auch deutlich, weshalb gerade die Grünen die Zuwanderung in unserer Sozialsysteme am stärksten verlangen (und daraus ihre zukünftigen Wähler erwarten).
Es wird aber von unserer derzeitigen Politik nicht nur die Existenzsicherung im Sozialbereich betrieben, sondern internationale Banken und Konzerne mit Milliardenbeträgen auf Kosten der Leistungsträger des Mittelstandes subventioniert, wenn sie in Schieflage geraten, sich verzockt haben oder durch willkürliche Corona- Lockdowns ihr Geschäft weggebrochen ist. Der Staat zahlt Unsummen nach unten, aber ebensolche Unsummen auch nach oben.
Die EU und die EZB haben sogar Billionen bereitgestellt, um Pleitestaaten, Zombiebanken, veraltete Konzerne und unproduktive Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen existenzzusichern. Ganz offen wird auch gesagt, dass diese Gelder nicht mehr durch Produktivität der Wirtschaft, nicht mehr durch Leistungslohn und Abgaben finanziert würden, sondern als „ewige Darlehen“ bzw. „Dauergeschenke“ einfach durch Geldmengenvermehrung.
Die politischen Umverteiler haben also jede Produktionsbasis der Umverteilung (und vor allem deren Beschränkungen auf die Produktivität) verlassen und die Geldverteilung an alle – Grundeinkommen für alle Personen und Existenzsicherung für alle Kapitalgesellschaften – durchgesetzt: Einkommen für alle, ohne Rücksicht auf Produktivität und Eigenbeitrag.
Lediglich der produktive Mittelstand, der bisher der größte Leistungsträger unserer Wirtschaft und Gesellschaft mit zwei Dritteln aller Steuern und Sozialabgaben brutto – und allen Steuern sogar über 80% netto –, war schon zu Zeiten des Leistungslohns ausgeplünderte Gesellschaftsgruppe und ist nun bei den Zahlungen für alle wiederum Verlierer, weil „Mittelstand ist, wer leise stirbt, ohne dass ihn Staat und Funktionäre dabei beachten“.
Die willkürliche Zwangsschließung vor allem der mittelständischen Branchen (Einzelhandel, Touristik, Hotellerie, Gastronomie u.a.) wird im nächsten Jahr zum Massensterben mittelständischer Betriebe führen. Das hätte zu früheren Zeiten der Produktivitätsabgaben auch zum Zusammenbruch öffentlicher Steuern und Sozialeinnahmen geführt (wie 1930), kann aber jetzt durch hemmungslose Geldvermehrung so lange überdeckt werden, wie die Bevölkerung noch an den Wert des Euro oder Dollar glaubt, seine wachsende Entwertung noch nicht erkannt hat.
Aber auch für diesen Geldbetrug gilt: Der Markt lässt sich nicht betrügen. Irgendwann erkennen die Menschen den Währungsbetrug und kommt es zu galoppierender Inflation oder gleich zur Währungsreform (schon vorbereitete Digitalwährung). Das Grundeinkommen für alle Menschen und Kapitalgesellschaften ist unerfüllbare politische Parole. Keiner ihrer Vertreter hat bisher gesagt, wie dies finanziert werden
könnte, wenn der Rausch der Geldmengenvermehrung in einen Kater übergeht. Paradiese bleiben Wunschvorstellung, auch Sozialparadiese, weil das, was verteilt werden soll, immer erst erwirtschaftet werden muss.
Die sozialistischen Umverteilerparteien müssten also eigentlich die Leistungsträger unseres Mittelstandes pflegen, statt sie zu beschimpfen, um künftig überhaupt noch die Mittel für ihre wachsende Umverteilung erwarten zu können. Geht die Leistungsschicht der Mitte jetzt in der Rezession zurück, werden die Umverteiler mit leeren Händen dastehen und ihre Versprechen nicht halten können.
Aber vielleicht ist dies ja ebenfalls eine notwendige Korrektur.
1: Vgl. Hamer, E. „Wer finanziert den Staat?“, Hannover 1982, S. 60 ff.
2: Vgl. Hamer/Jörgens „Wer ist Mittelstand?“, 2021, S. 128 ff.
3: Vgl. Hamer, E. + I. „Mittelstand unter lauter Räubern“, Hannover 2011, S. 17 ff.
4: A.a.O., S. 19
Prof. Dr. Eberhard Hamer