Die Bändigung der Geldflut

von Prof. Dr. Eberhard Hamer

Nach der Finanztheorie dürfen Zentralbanken nur so viel zusätzliches Geld in den Kreislauf geben, wie die Gütermenge real wächst. „Neutralität des Geldes“ hieß dies früher, als die Zentralbanken noch keine Konjunkturpolitik und keine Staatsfinanzierung machen durften.

Inzwischen werden die Zentralbanken nicht mehr von unabhängigen Währungshütern geleitet, sondern von Erfüllungsgehilfen der Hochfinanz und der Politik. Dies hat die Ziele und Zwecke der Zentralbanken völlig verändert. Nicht Währungsstabilität ist mehr ihr Ziel, sondern die Überlebenshilfe für marode Banken und Staaten.

Um Pleitebanken (wie Lehman 2008) und Pleitestaaten (Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland 2021) vor dem Konkurs zu retten, werden immer wieder aus dem Nichts riesige Summen von Geld geschöpft. Entweder durch staatliche Institutionen wie die EU, mit Rückendeckung der Zentralbanken, oder umgekehrt. Die Währung wird also hemmungslos vermehrt, um politische Ziele damit zu erfüllen.

Nach klassischer Theorie wäre das nicht möglich gewesen, weil durch steigende Geldmengen auch die Zinsen steigen. Das Kartell der Hochfinanz und Zentralbanken hat jedoch einen Ausweg gefunden: Nullzins. Trotz steigender Geldmenge dürfen die Zinsen nicht steigen. Sie können auch gar nicht mehr steigen, weil allein eine Zinserhöhung von 1 % Pleitestaaten wie Italien, Frankreich, Griechenland und Spanien in die Zahlungsunfähigkeit (Staatspleite) zwingen würde.

Nun hat aber 2020/2021 die Hochfinanzdienerin von der Leyen auf die Hilferufe der europäischen Pleitestaaten unter dem Vorwand und Trick eines „Green Deal“ ein 800 Milliarden-Schuldenprogramm aufgelegt, für das die EU zwar keine Kompetenz und keine Finanzierungsmöglichkeit hatte, was aber sogar von Merkel genehmigt worden ist. Die EU ist dadurch neue Geldschleuder geworden, so dass die Pleitestaaten – mit EU-Geld überschüttet – zurzeit Boomstaaten sind. Die Mittel werden schon jetzt nicht nur für Umweltschutz geplant, sondern fließen in alle möglichen anderen Kanäle – in Italien in dunkle – und Frankreich will sein 70 Milliarden schweres Atomprogramm damit finanzieren; – die neuen Umweltmittel haben jedenfalls einen neuen Liquiditätsschub nach Europa gebracht, der – auch coronabedingt – zu einem neuen Ungleichgewicht von Güter- und Geldmenge geführt hat. Die Folge war eine ansteigende Inflation von unter 2 % auf schon über 5 %.

Nun stehen die Geldmengenbetrüger der Banken und Staaten vor einem Problem: Steigen die Zinsen durch die unkontrollierte Geldmengenvermehrung weiter, werden die bereits jetzt nicht mehr tragbaren übermäßigen Schulden der Staaten nicht mehr finanziert werden können, würden Griechenland, Italien, Frankreich und Spanien u.a. illiquide, bräche die Euro-Schulden-Spirale ab und zusammen.

Diese Situation gilt übrigens ebenso für die USA, Japan und viele andere Länder der Welt.

Die Dollar- und Euro-Schuldentürme können also nur weiterbestehen, wenn durch sie keine Zinsexplosion erfolgt. Geld ständig vermehren und trotzdem Nullzins halten ist jedoch auf Dauer nicht möglich.

Der Widerspruch drängt zur Lösung:

  1. Entweder müssten die Geldzuflüsse an die Staaten und Banken der Hochfinanz reduziert werden
  • das würde jedoch Illiquiditäten und Konjunkturabbruch bedeuten, also die Regierungen politisch nicht überleben lassen,
  1. oder der andere natürlich Ausweg wäre die Anhebung der Zinsen
  • das würde jedoch die Schulden der meisten Staaten unfinanzierbar machen, also Staatsbankrotte verursachen, was die Zentralbanken und ihre politischen Herrscher wirtschaftlich und politisch nicht überleben ließe.
  1. Will man die beiden vorgenannten natürlichen Lösungen einer Reduzierung der Geldmenge oder eine Anhebung der Zinsen vermeiden, gibt es nur einen letzten Ausweg, den Druck aus dem Finanzkessel zu nehmen, nämlich dass Hochfinanz und Finanzpolitik die Börsen abstürzen lassen: Finanzcrash.
  • Mit einem Börsencrash würde das Privatkapital drastisch reduziert und könnte der übermäßige Liquiditätsdruck der vergangenen Geldsummenvermehrung zumindest vorübergehend reduziert werden.

Und ein Börsencrash hätte für Zentralbanken und Finanzpolitik den Vorteil, dass die Korrektur zunächst und am meisten im Privatsektor stattfinden würde und die eigentlichen Täter der Geldmengenvermehrung – Banken und Staaten – dagegen erst sekundär betroffen wären.

Die Finanzwissenschaft hat angesichts der vielen Rechts-, Gesetzes- und Verfassungsbrüche der Zentralbanken und Finanzpolitik schon lange einen Finanzcrash vorausgesagt[1]. Immer haben aber die Täter bisher einen neuen Trick gefunden, mit dem sie die Finanzgesetzmäßigkeiten – meist rechts- und gesetzeswidrig – aushebeln und ihren wachsenden Missbrauch verlängern konnten.

Bisher hat es geklappt, die meisten Währungen zu vermehren – zu entwerten –, ohne dass Wirtschaft und Menschen unruhig wurden.

Ebenso hat es geklappt, trotz gigantischer Geldvermehrung Nullzins und deshalb eine übermäßige, tödliche Schuldenlast zu erreichen.

Nun aber ist das Spiel nicht mehr beherrschbar, setzt sich weltweit in der Realwirtschaft eine Realzinserhöhung durch, so dass auch in der Finanzwirtschaft ein Nullzins nicht mehr gehalten werden kann.

Die wachsenden Zinsen werden entweder für die Pleiteländer und Pleitebanken zum Verhängnis oder müssten neutralisiert werden.

Die Schuldentreiber brauchen also einen Deflationseffekt, um die Spannung zwischen Schulden, Geldentwertung und Nullzins-Folgen zumindest vorübergehend noch halten zu können.

Eine Deflation könnte die steigende Inflation in der Realwirtschaft vorübergehend aufhalten. Solche Deflation könnte entweder Folge eines Konjunkturabsturzes sein – was keiner will – oder durch Börsencrash jedenfalls das Geldvermögen reduzieren.

Deutet man die Anzeichen in der Finanzwirtschaft und vor allem bei der Hochfinanz[2], so scheint, dass Hochfinanz und Finanzpolitik planen, den „Dampf aus dem Kessel“ zu nehmen, etwa durch einen eigentlich längst fälligen Aktiencrash.

Ein Platzen der Spekulationsblase wäre jedenfalls der für Finanzpolitik und Hochfinanz geringstschädliche Weg einer zumindest vorübergehenden Korrektur, weil er vor allem die privaten Anleger des Mittelstandes betrifft, die trotz aller Warnungen immer noch glaubten, dass Aktien und Finanzpapiere Sachwerte seien[3]. Der Absturz der Börsen vernichtet also weniger Substanz- als Spekulationswerte, allerdings auch die Liquidität der Anleger und Spekulanten[4].

Je weniger es also jetzt in den nächsten Wochen gelingt, die Realinflation im Zaum zu halten, desto wahrscheinlicher wird, dass Finanzpolitik und Hochfinanz die Korrektur an der Börse versuchen.

Ein Absturz der Börsenkurse brächte zwar für eine unter Dampf stehende Geldmengensituation vorübergehende, aber keine Dauerentlastung. Eine Deflation lässt sich nicht lange aufrechterhalten, weil sie wirtschaftliche Zusammenbrüche bringt, welche keine Regierung politisch und kein Zentralbankensystem auf Dauer aushalten kann. Nach kurzer Deflationsphase hat sich deshalb der Geldmengendruck bisher immer zu wieder wachsender Inflation umgekehrt. Und immer ist die Inflation durch weitere Zinssteigerung gewachsen bis zur galoppierenden Inflation, die dann in der Währungsreform zwangskorrigiert werden muss.

Wir stehen also in 2022 möglicherweise wieder vor dramatischen Entwicklungen wie vor 100 Jahren. Es könnte sein, dass jetzt die finanzpolitische Falschspielerei von Zentralbanken, Hochfinanz und Finanzpolitik aufbricht, das Spiel beendet und Kasse macht.

Musk und Buffett haben bereits gehandelt, um nicht zu verlieren. Hauptverlierer werden wieder die mittelständischen Anleger sein, die zu gierig, vielleicht sogar auf Kredit und mit falschen Erwartungen spekuliert haben.

 

[1] Vgl. Hamer E. + E. „Was tun, wenn der Crash kommt?“, 10. Aufl. 2011, Stuttgart und „Der große Crash-Ratgeber“, 2017

[2] Elon Musk hat in den letzten Wochen mehrere Millionen Aktien seiner Spekulationsfirma Tesla auf den Markt geworfen, Buffett hat seinen Aktienbesitz drastisch reduziert und wartet mit riesigem Geldbestand auf den Konkurs der Börsen, die Zentralbanken flüchten in Gold und die privaten Anleger in Immobilien.

[3] während der Verfasser schon seit Jahrzehnten darauf hinweist, dass der Wert einer Aktie nicht in dem Substanzwert des Unternehmens, sondern im Spekulationswert des Börsenkurses liege, der wiederum von der Hochfinanz manipuliert werde. Vgl. Hamer, E. „Was passiert, wenn der Crash kommt?“, 10. Aufl., Stuttgart 2008, S. 74 ff.

[4] so dass die Korrektur weniger die Finanzwirtschaft selbst als deren Kunden betrifft.

 

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