Berliner Märchenstunde

Von Willy Wimmer

Man musste schon genau hinsehen und hinhören, bei dem vom Sender „Phönix“ übertragenen Auftritt der ehemaligen Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel. Das Hinhören lohnte sich, auch deshalb, weil es bisherige Annahmen geradezu bestätigte. Nach ihren Aussagen auf Fragen eines Fragestellers, der kaum einen Satz geradeaus formulieren konnte, muss der Zuhörer dieser Veranstaltung im „Berliner Ensemble“ davon ausgehen, dass sie die letzte Wahlperiode der verhängnisvollen Kanzlerschaft deshalb anstrebte, weil sie die Konsequenzen ihrer Entscheidung zur Schutzlosigkeit der deutschen Staatsgrenzen aus dem September 2015 nicht mit voller Wucht auf sich persönlich zurollen sehen wollte. Nicht auszuschließen ist, dass dies auch ihre Motivlage dabei ist, der heutigen Ampelkoalition mehr positive Elemente abgewinnen zu können, als dies erträglich sein dürfte. Es ist ein sinnstiftender Zufall, dass fast zeitgleich der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Herr Papier, in Wiesbaden -Presseberichten nach- von einem andauernden Verfassungsbruch in diesem Zusammenhang öffentlich geredet hatte. Das damalige und jetzt offenbare Verhalten der Bundeskanzlerin a. D. wirft ein verheerendes Licht auf das demokratische Rechtsbewusstsein der deutschen politischen Klasse und der Gesellschaft ganz allgemein. Statt sich über demokratische Defizite in anderen Staaten künstlich oder weisungsgemäß zu echauffieren, sollte man in Berlin – und nicht nur da in Deutschland-, im Rechtsverständnis in der Wolle gefärbter Demokraten vor der eigenen Haustüre kehren. Putsch gegen die eigene Verfassung, unterlegt durch einen feierlich geleisteten Amtseid, bleibt eben Putsch.

Im übrigen schien der gesamte Auftritt der ehemaligen Bundeskanzlerin darauf angelegt zu sein, eines sicherzustellen: dass der russische Präsident Putin den Hörer des Telefons nicht mehr abhebt, wenn man ihm meldet, dass die Dame aus Berlin in der Leitung sein sollte. In der Lage, in der sich Deutschland, Europa und die Welt heute befinden, könnte dieser Umstand sich für die nationalen Interessen Deutschlands als nicht wiedergutzumachender Schaden herausstellen. Es spricht alles dafür, genauer hinzusehen und zuzuhören, was Frau Dr. Merkel in diesem Zusammenhang von sich gegeben hat. Danach gehen die Vereinigten Staaten gegen jeden Verbündeten, der es wagt, eigene Interessen zu verfolgen, mit der politisch maximalen Brachialgewalt vor, die einem Feind der Vereinigten Staaten eigentlich vorbehalten sein dürfte. Wenn man nicht spurt, wird man in den Senkel gestellt. Wer öffentlich bekundet, dergestalt von der polit1schen Führung der USA so malträtiert worden zu sein, braucht in Moskau nicht mehr anzurufen, wenn er für sogenannte „gute Dienste“ dringend benötigt werden sollte. Dabei könnte selbst die jetzige Bundesregierung auf die Idee kommen, die ehemalige Bundeskanzlerin um einen Anruf bei Präsident Putin deshalb zu bitten, weil man in der Vergangenheit Wert selbst darauf gelegt hatte, für eine Gesprächsfähigkeit zwischen beiden Persönlichkeiten zu stehen.

Die Verengung der Sicht auf Präsident Putin zog sich wie der berühmte „rote Faden“ durch die gesamten Ausführungen der ehemaligen Bundeskanzlerin. Sie hat die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Russland seit der deutschen Wiedervereinigung so konsequent ausgeblendet, als wäre ihr von den öffentlichen Ankündigungen aus Washington, unterlegt durch die Planungen der NATO gegen Russland, zu keinem Zeitpunkt etwas bekannt gewesen. Wenn seit Jahren öffentlich darüber geredet wurde, Russland aus Europa rauszuschmeißen und dieses Land zu zerschmettern. dann muss man davon ausgehen, dass die Kombination von öffentlichen Aussagen und materieller Unterfütterung in Moskau nicht nur gehört wird. Jeder normale Staat stellt seine eigene Politik auf öffentlich bekundete Feindschaft durch einen anderen Staat ein. Die ehemalige Bundeskanzlerin hat in ihrem Berliner Auftritt alles weggedrückt, was eine auf Weltherrschaft ausgerichtete amerikanische Politik in Beziehung zur Russischen Föderation angerichtet hatte. Das ist dann Märchenstunde und hat mit ernsthafter Politik nichts mehr zu tun. Das gilt dann auch für das Eingeständnis, keinen Beitrag zu einer durchaus möglichen Sicherheitsarchitektur in Europa geleistet zu haben.

Lange Zeit hat man sich etwa darauf zugute gehalten, sich gelegentlich auszutauschen. Der ehemalige Hamburger Bürgermeister, Herr von Dohnanj und die Frau Bundeskanzlerin a.D. konnten es miteinander. Den Eindruck erweckte man gerne. Von Herrn von Dohnanj stammt der öffentliche Hinweis, daß in den letzten Monaten der Amtszeit der ehemaligen Bundeskanzlerin die Staats-und Regierungschefs der NATO, auf amerikanischen Druck vermutlich, die Aufnahme der Ukraine in die NATO im Frühsommer 2021 beschlossen hatten. In der Diktion von Frau Dr. Merkel hat sie damit selbst den Mechanismus in Gang gesetzt, der zu den Rückeroberungsplänen von Präsident Zelensky wegen der Krim, der Aufforderung zur bedingungslosen Kapitulation an Russland durch die putsch-berüchtigte US-Staatssekretärin, Frau Nuland und den von der OSZE festgestellten Angriff der Ukraine am 16. Februar 2022 auf den Donbass führen sollte. Joe Biden und sein an Präsident Putin gerichtetes „Killer“-Wort werden wohl als gottgegeben hingenommen.

Diese Haltung der ehemaligen Bundeskanzlerin hat Auswirkungen bis heute. Dabei lässt allerdings der derzeitige Bundeskanzler Scholz, bei allem, was man sagen kann, durchaus vermuten, dass er noch weiß, was von Konrad Adenauer über Willy Brandt bis Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder deutsche Politik gegenüber der Sowjetunion und dem heutigen Russland gewesen ist. Bei Olaf Scholz als Bundeskanzler ist Resthoffnung angebracht und deshalb steht er unter amerikanisch orchestriertem Beschuss. Das sollte man sich an jedem Tag bei einer Betrachtung des Gesamtbildes vor Augen halten. Gerade, wenn man die Politik des ukrainischen Präsidenten Zelensky Tag um Tag verfolgt. So verrottet ist die Europäische Union nicht, dass sie die Ukraine als Beitrittskandidat ansehen sollte. Man muss sich das deutsche Regierungspapier aus dem Jahre 2018 über den rechten, ukrainischen Sektor nur durchlesen, um ein Sträuben sämtlicher demokratischer Nackenhaare feststellen zu müssen. Und was macht Präsident Zelensky jetzt? Die Summe der noch verfügbaren internationalen Nachrichten macht eines klar. Man muss sich fragen, ob es bis zum Eintreffen der westlichen, schweren Waffen noch ukrainische Verbände geben wird, die diese überhaupt ins Feld führen können. Das ist die eine Sichtweise. Die andere ist von der bangen Frage bestimmt, ob das, was derzeit in der Ukraine auf Weisung von Präsident Zelensky geschieht, nur die Aufgabe hat, den Zeitraum bis zum Einsatz westlicher und damit deutscher Bodentruppen in der Ukraine und damit den Krieg gegen Russland zu überbrücken?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert