Vor 80 Jahren: die Festung Tobruk kapituliert vor Rommels Panzern

Beitrag erschienen in der Jungen Freiheit Nr. 25/22.

Panzer rollen in Afrika vor

 

 

Am 21. Juni 1942 erhielt US-Präsident Franklin D. Roosevelt in Washington ein Telegramm, das er wortlos an den zu einer Besprechung im Oval Office weilenden britischen Premierminister Winston Churchill weiterreichte. Es meldete lakonisch: „Tobruk hat kapituliert, 25.000 Mann in Gefangenschaft.“ Churchill konnte sein Entsetzen nicht verbergen und bezeichnete die Nachricht später als einen der „schwersten Schläge, der mir aus dem gesamten Kriegsverlauf in Erinnerung geblieben ist“. Besonders schlug ihm auf den Magen, daß hier am Ende sogar 33.000 „kampferfahrene Soldaten ihre Waffen vor einem vielleicht halb so starken Gegner“ gestreckt hatten: „Niederlage ist eines, Schande ein anderes.“

Wie konnte es dazu kommen. Tobruk war eine italienische Hafenstadt und Festung in der Cyrenaika (östliches Libyen), die die britische 8. Armee im Januar 1941 im Zuge ihrer Großoffensive gegen die Italiener erobert hatte. Das deutsche Afrikakorps unter Rommel hatte zwar im Frühjahr 1941 die Cyrenaika zurückerobern können, nicht aber die Festung Tobruk, die fest in der Hand der Briten blieb. Sie bedrohte fortan den Rücken der an der Grenze zu Ägypten stehenden deutsch-italienischen Truppen, was den Briten im Dezember 1941 erlaubte, in einer neuen Offensive die Cyrenaika zurückzuerobern.

Abzug fast aller britischen Schiffe und U-Boote

Trotz dieses Erfolges wendete sich für die Briten Ende 1941 die Lage im Mittelmeerraum zum Schlechteren. Die Royal Navy erlitt schwere Verluste. Deutsche U-Boote versenkten ein Schlachtschiff und einen großen britischen Flugzeugträger, italienische Kampfschwimmer beschädigten zwei weitere Schlachtschiffe im Hafen von Alexandria so schwer, daß sie für lange Zeit ausfielen. Ersatz stand nicht zur Verfügung, da zur gleichen Zeit japanische Flieger vor der malaiischen Küste zwei weitere britische Schlachtschiffe versenkten. Weitere Verluste von Kreuzern und Flugzeugträgern im Mittelmeer, im Nordmeer sowie im Indischen und Pazifischen Ozean kamen hinzu.

Auch die Insel Malta geriet unter Druck. Auf der geraden Linie zwischen Italien und Libyen gelegen, diente sie als Stützpunkt für britische Luft- und Seestreitkräfte, die den Nachschubgeleiten der Achse nach Nordafrika immer schwerere Verluste zufügten. Im November 1941 erreichten von 79.208 Tonnen in Italien verschiffter Nachschubgüter nur 29.843 Tonnen Nordafrika. Nachdem die deutsche Luftflotte 2 im Dezember 1941 von der Ostfront in den Mittelmeerraum verlegt hatte, konnten die Achsen-Luftstreitkräfte mit einem verschärften Bombardement der Insel beginnen, das bis zum April 1942 zum Abzug fast aller britischen Schiffe und U-Boote von der Insel führte.

Den Pfahl im Fleische endgültig ausschalten

Die Nachschublage der Achse in Nordafrika wurde dadurch deutlich verbessert. Von Januar bis Mai 1942 erreichten nahezu alle verschifften Güter die Bestimmungshäfen in Libyen. Die Briten ihrerseits erlitten bei ihren Versuchen, Malta zu versorgen, erhebliche Verluste sowohl an Frachtern als auch an Kriegsschiffen. Allerdings konnten die Luftstreitkräfte der Achse die intensive Luftoffensive gegen Malta nicht endlos fortsetzen. Ab Anfang Mai ließ die Stärke ihrer Angriffe nach.

Doch war nun eine Lage entstanden, in der eine direkte Invasion Maltas realisierbar erschien, um diesen Pfahl im Fleische endgültig auszuschalten. Planungen der Italiener für eine solche Invasion gab es schon seit langem, doch fehlten ihnen allein die Ressourcen für eine erfolgreiche Durchführung. Mit der Ernennung von Feldmarschall Albert Kesselring, dem Kommandeur der Luftflotte 2, zum Oberbefehlshaber der im Mittelmeerraum stationierten deutschen Verbände Anfang Dezember 1941, änderte sich dies.

Einigung auf das Unternehmen Herkules

Kesselring, der fließend Italienisch sprach und ein beträchtliches diplomatisches Geschick besaß, gelang es nicht nur, gute Beziehungen zu Mussolini, sondern auch zu Feldmarschall Ugo Cavallero, dem Generalstabschef der italienischen Streitkräfte (Commando Supremo) aufzubauen. Diese bildeten die Basis für eine integrierte deutsch-italienische Stabsarbeit zur Vorbereitung einer gemeinsamen, kombinierten Luftlande- und amphibischen Operation gegen Malta. Kesselring konnte auch Hitler im Februar 1942 davon überzeugen, deutsche Kräfte für diese gemeinsame Operation bereitzustellen. Ende April 1942 einigten sich Hitler und Mussolini in einem Treffen auf die endgültigen Pläne für das Unternehmen Herkules bzw. Esigenza C3/Operazione C3.

Demnach sollten etwa 700 deutsche und italienische Flugzeuge und 500 Lastensegler insgesamt 11.000 deutsche und 7.500 italienische Fallschirmjäger sowie 11.000 luftverlastete italienische Infanteristen auf der Insel landen. Über See war die Anlandung von italienischen Truppen in Stärke von 70.000 Mann vorgesehen, verstärkt durch wenige deutsche Spezialkräfte, darunter die eigens gebildete Panzerabteilung 66, zu der eine Kompanie mit elf schweren sowjetischen Beutepanzern vom Typ KW 1 und 2 sowie einigen T-34 gehörte.

Abhängig von der Eroberung Tobruks

Die 26.000 Mann britischen Kräfte auf der Insel verfügten über recht viel Flugabwehr- und Küstenartillerie, besaßen aber nur wenige veraltete Panzer und bewegliche Feldartillerie. Angriffe der geschwächten Royal Navy auf die Invasionsgeleite sollte die Regia Marina abwehren. Die für Mitte Juli geplante italienisch-deutsche Invasion, für die die Bereitstellung der notwendigen materiellen Mittel und Truppen weit fortgeschritten war, hatte so bei allen nicht zu leugnenden Risiken recht gute Chancen auf eine erfolgreiche Durchführung.

Hitler hatte allerdings im April die Ausführung von Herkules von einer vorher zu erfolgenden Eroberung der Festung Tobruk abhängig gemacht. Rommel war es bereits im Februar 1942 gelungen, mit der nunmehrigen deutsch-italienischen Panzerarmee Afrika den größten Teil der Cyrenaika wieder zurückzuerobern. Er hatte aber rund 40 Kilometer westlich von Tobruk die Offensive eingestellt. Das erfolgreiche Niederhalten Maltas aus der Luft erlaubte bis zum Mai eine Auffrischung der deutsch-italienischen Verbände.

Am Morgen kapituliert die britische Besatzung

Nach schweren Kämpfen von Ende Mai bis Mitte Juni, bei denen sich auch die italienischen Truppen bewährten, gelang es Rommel, die britische 8. Armee zum Rückzug aus der schwer befestigten Gazala-Stellung zu zwingen. Die Briten ließen in Tobruk eine starke Besatzung zurück, in der Erwartung, die Festung wie im Jahr zuvor gegen jede Belagerung verteidigen zu können.

Wie im Jahr zuvor stießen Rommels Panzer an Tobruk vorbei nach Osten zur ägyptischen Grenze vor. Am 19. Juni ließ er sie jedoch um 180 Grad wenden und griff am 20., von Osten kommend, Tobruk mit konzentrierten Kräften an. Noch am selben Tag gelang die fast vollständige Eroberung der Festung; am Morgen des folgenden Tages mußte die britische Besatzung kapitulieren.

Mit weißem Pferd nach Alexandria und erst dann die Invasion Maltas

Der Fall von Tobruk brachte den deutsch-italienischen Siegern nicht nur 33.000 Gefangene ein (davon knapp 11.000 Südafrikaner und 2.500 Inder), sondern auch eine große Beute an Material, Benzin und Verpflegung, darunter über 2.000 Lastkraftwagen und drei Millionen Lebensmittelrationen. Gemäß der Planung Cavallos und Kesselrings hätte die Panzerarmee nun ihren Vormarsch an der ägyptischen Grenze anhalten sollen, um die Invasion Maltas abzuwarten.

Der zum Generalfeldmarschall beförderte Rommel war aber nun dafür, die stark angeschlagenen Briten nach Ägypten hinein zu verfolgen sowie Alexandria und Suez zu erobern. Sowohl Hitler, der der Invasion skeptisch gegenübergestand, als auch Mussolini, der schon Vorbereitungen traf, auf einem weißen Pferd in Kairo einzuziehen, glaubten seinen Versicherungen, in zehn Tagen bis Alexandria vorstoßen zu können, und „verschoben“ die für Mitte Juli vorgesehene Invasion Maltas auf die Zeit nach der Eroberung von Suez.

Der Traum von der Eroberung Ägyptens war ausgeträumt

Rommels Truppen stießen sofort nach der Eroberung Tobruks in schnellem Tempo nach Osten vor und brachten bei Marsa Matruh in Ägypten der 8. Armee noch einmal eine Niederlage bei (8.000 Gefangene). Doch konnten die Briten ihre Truppen wieder sammeln und neue zuführen, um bei El Alamein, hundert Kilometer westlich von Alexandria – das für die Kriegsführung geeignete Gelände zwischen tiefer Wüste und Küste war hier nur 60 Kilometer breit – einen Sperriegel zu errichten, vor dem Rommels Truppen Ende Juni stoppen mußten.

Die deutsch-italienische Panzerarmee unternahm im Juli und Anfang August noch zwei große Durchbruchsversuche gegen einen zunehmend besser verschanzten und stärker werdenden Feind, die trotz einiger Anfangserfolge scheiterten – auch weil die Nachschublage aufgrund des Wiederauflebens Maltas immer prekärer wurde. Im August 1942 erreichten von 77.224 Tonnen verschifften Gütern der Achsenmächte nur 51.655 Libyen. Der Traum von der Eroberung Ägyptens war ausgeträumt. Im Mittelmeerraum schwang das Pendel wieder um, diesmal für immer.

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