Charles III.

Ein Kommentar von Stephan Ehmke

Der englische König ist nach der Verfassung des Landes – die bekanntlich nicht nur aus einer einzigen Urkunde, sondern aus einer Menge von schriftlichen und mündlichen Überlieferungen und Gewohnheiten besteht – der Souverän, hat jedoch kaum politischen Einfluß. Die jährliche Thronrede wird von Parteipolitikern geschrieben. Der König ernennt zwar den Premierminister, ist jedoch nach der Gewohnheit genötigt, den Führer der stärksten Parlamentsfraktion bzw. -koalition zu wählen. Spielraum hat er dort nicht. Auch darüber hinaus ist die reale Macht des Monarchen äußerst begrenzt.

Die verstorbene Königin konnte politische Ohnmacht durch ihre starke Persönlichkeit wenigstens teilweise ausgleichen. Das wird dem (von ihr selbst wenig geschätzten) Sohn ohne Zweifel nicht gelingen. Charles III. – der bislang „ewige“ Thronfolger – ist bereits 74 Jahre alt. Nicht wenige Briten hatten gehofft, er würde die Krone gleich an seinen Sohn William (40) weitergeben. Doch dabei unterschätzt man die Genugtuung Charles´, nach Jahrzehnten des Wartens endlich doch noch den Thron besteigen zu können.  Das wird er auskosten wollen, ebenso wie seine von den Briten nicht besonders verehrte „Queen Consort“. Erreicht Charles auch nur annähernd das Alter seiner Eltern, werden William und Kate ebenfalls bereits Großeltern sein, wenn sie sich die Krone aufsetzen dürfen.

Charles gilt ohnehin als etwas „spleenig“ und als ein Sonderling. Die skandalträchtige Affäre um seine gescheiterte Ehe mit Diana, deren immer noch nicht bis ins letzte geklärter Tod mit seinen zahlreichen Verschwörungstheorien, wird den „jungen“ König auch weiterhin verfolgen. Mancher Journalist wird sich angesichts der Thronbesteigung aufgefordert fühlen, vieles von dem wieder aufzukochen.

Charles III. verspricht kein starker Monarch zu werden. Als Symbol der Nation und Integrationsfigur, welche den Zusammenhalt des Commonwealth fördern kann, wird er kaum taugen.

Charles besteigt den Thron in einer Zeit schwerster Krisen in Europa und angesichts einer Welt im Umbruch. Überall gewinnen die Fliehkräfte Oberhand gegenüber der Gravitation. Destabilisierung und Unsicherheit kennzeichnen die Staaten. Die neue Premierministerin Großbritanniens, Liz Truss, ist ein Beispiel der parteipolitischen Negativauslese, die mittlerweile die Regierungen ganz Westeuropas bestimmt. Nach dem „Clown“ Johnson war eben keiner mehr da, der das Amt ausüben wollte oder konnte. Wie bei schwachen Staatschefs oft der Fall, verlegt sie sich auf Kriegsgeschrei und Säbelrasseln, um von den schweren Problemen und Verwerfungen innerhalb ihres eigenen Landes abzulenken. Putin ist eben auch auf der Insel an allem Schuld.

Großbritannien hat sich seit dem Ersten Weltkrieg auf Gedeih und Verderb den USA überantwortet. Ohne die amerikanische Hilfe hätte das Eiland weder den Ersten, noch den Zweiten Weltkrieg überlebt. Dafür zeigte man sich dankbar, ließ sich ausquetschen, zum Vasallen degradieren – das alles um den Preis des Verlustes des einstigen Weltreiches. Großbritannien folgte den USA nach 1945 willig in alle seine Aggressionskriege und teilte auch die meisten der Kriegsverbrechen Washingtons. Wir erinnern uns an das demütigende Eingeständnis Tony Blairs über seine Lügen im Zusammenhang mit den erfundenen Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins im Irak. Dieses Desaster hielt London freilich nicht davon ab, dem großen Bruder auch in die folgenden verbrecherischen Kriege nachzulaufen, einschließlich der Ukraine.

Wirtschaftlich wie sozial steht Großbritannien desolat dar. Im Zuge der globalen Verwerfungen ist zu vermuten, daß der „Commonwealth of Nations“ auseinanderbrechen wird. Schon werden in Übersee Stimmen laut, London solle jetzt endlich einmal für seinen Kolonialismus zur Rechenschaft gezogen werden. Charles ist sicher nicht der Mann, der dem entgegentreten kann.

Gleiches gilt für das Eiland selbst. Schottland setzt zu einem neuen Versuch zur Erlangung seiner Unabhängigkeit an. In Nordirland ist die separatistische Partei „Sinn Fein“ stärkste politische Kraft geworden. Viele Nordiren – bei weitem nicht nur Katholiken – wollen angesichts des Niederganges Englands lieber zur alten Mutter Irland (und damit in die EU) zurückkehren. Wer weiß, ob nicht bald auch die Waliser auf ähnliche Gedanken kommen?

Kundige Beobachter sehen den Zerfall der Vereinigten Staaten von Amerika voraus. Sein treues Anhängsel Großbritannien könnte mit in die Tiefe gezogen werden. Ob dem Land unter Charles III. und einer völlig unfähigen Parteipolitikerkaste gelingen wird, die Schlinge um den Hals loszuwerden, darf bezweifelt werden.

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