von Willy Wimmer
Diese Frage hängt bislang von der Bewertung der Russischen Föderation in Anbetracht der westlichen Vorgehensweise in der Ukraine und der russischen Einschätzung der Opportunität an, ob und wann aus den Erkenntnissen Schlüsse zu ziehen sind.
Jede Seite tut gut daran, eine rechtlich saubere Argumentation für das eigene Handeln nach den anerkannten Regeln des Völkerrechts, auch nach den Erkenntnissen aus dem völkerrechtswidrigen Krieg der Nato gegen Jugoslawien zu liefern. Dabei wurde ein angeblich bestehendes „Recht zum Schutz“ außerhalb des eigenen Staatsgebietes postuliert.
Das betrifft auch die Frage danach, wann man sich nach der eigenen Wahrnehmung im Krieg befindet. Dazu hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages wegweisende Ausführungen vor Monaten vorgelegt. Es ist empfehlenswert, diese Grundsätze neben die jetzt neu ablaufende, tatsächliche Entwicklung zu legen.
Durch die möglichen Volksabstimmungen in bestimmten Gebieten könnte es Entscheidungen in der Russischen Föderation geben, die im russischen Staatsverständnis eine Verschiebung der russischen Staatsgrenze um mindestens 200 km nach Westen bedeutet. Alle Aktivitäten der NATO finden dann nicht in einem Bürgerkriegsgebiet der Ukraine sondern nach russischer Ansicht gegen Russland gerichtet statt. Das genannte Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes macht in Anbetracht der tatsächlichen Bewertungen aus Unterstützungsleistungen auf der Seite der Ukraine in einem Bürgerkriegsgebiet eine militärische Aktion der Nato gegen die Russische Föderation. Damit wird die Türe zum globalen Krieg „on short notice“ und direkt aufgestoßen. Die Dimension der Rede von Präsident Putin am 21. 9. 2022 hat das unmissverständlich deutlich gemacht. Den Bündnisfall braucht die Nato dann nicht mehr aufzustoßen, weil sie es ist, die den Angriff führt.