Auch die letzten Tage sahen an der gesamten Ukraine-Front Kämpfe, ohne daß eine der beiden Seiten wesentliche Geländegewinne hätte verzeichnen können. Ukrainische Angriffe im Norden (Charkow) und Süden (Saporischja/Cherson) wurden durch die Russen regelmäßig und unter empfindlichen Verlusten für den Angreifer zurückgewiesen. Im mittleren Frontbereich (Bachmut/Donezk/Vugledar), wo die Russen zuletzt deutlichen Druck auf die ukrainischen Kräfte ausgeübt hatten, haben letztere durch das Heranführen von Reserven das Vorgehen des Gegners weitgehend abriegeln können. Ansonsten beherrschten die üblichen Artillerieduelle das Geschehen.
Schwerpunkte der ukrainischen Truppendislozierungen sind derzeit der Norden und der Süden. Während in letzterem Bereich (Cherson) weitere Offensivvorbereitungen der Ukrainer zu beobachten sind, sollen sie sich im Norden (Lysychansk) jetzt zur Verteidigung einrichten.
Zweifellos hat die russische Seite sich im gesamten Frontbereich inzwischen so verstärken können, daß größere Offensiven seitens der Ukraine, wenn nicht unmöglich, dann doch sehr riskant und vom Scheitern bedroht sein würden, insbesondere im Frontabschnitt Cherson.
Unterdessen wurde bekannt, daß Moskau weitere Kräfte im südlichen Weißrußland disloziert. Entsprechende Truppenbewegungen wurden gemeldet. Die Frage ist, ob Moskau beabsichtigt, im Norden der Ukraine vor Kiew eine neue Front zu eröffnen. Dies scheint auch von ukrainischer Seite nicht für unmöglich gehalten zu werden, da man dort offensichtlich im Begriff ist, starke Verteidigungsstellungen einzurichten.
Nach Angaben der ukrainischen Regierung haben die fortgesetzten Luftschläge der Russen mit Präzisionswaffen zur Folge gehabt, daß 40% der ukrainischen Energieversorgung wenigstens vorübergehend lahmgelegt wurden. Dies wird zweifellos auch erhebliche Auswirkungen auf die militärische Leistungsfähigkeit der Ukraine haben. Ob und wie schnell Instandsetzungen möglich sein werden, hängt auch davon ab, ob Rußland seine Angriffe in der bisherigen Intensität wird fortsetzen können.
Im Moment sieht es nicht so aus, als ob eine der beiden Seiten vor der „Winterpause“ noch zu einem Schlag mit operativer Tragweite ausholen wollte oder könnte.
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