Mittelstandsvernichtung

von Prof. Dr. Eberhard Hamer

Das Mittelstandsinstitut Niedersachsen hat seit 40 Jahren nicht so viele echte Notrufe von Unternehmern bekommen wie zurzeit. In der kommenden Rezession der nächsten drei Jahre könnten wir ein bis zwei Millionen unserer fünf Millionen Unternehmen verlieren, weil die Rahmenbedingungen inzwischen so schlecht geworden sind, dass in einigen Branchen trotz bester unternehmerischer Tüchtigkeit keine Überlebenschancen mehr bestehen. Das Mittelstandsinstitut rechnet deshalb mit dem größten Mittelstandssterben seit dem 2. Weltkrieg.

Bisher waren Produktions- und Marktprobleme die größte Herausforderung der Unternehmer, welche sie auch in den vergangenen 70 Jahren glänzend bestanden haben. Nun aber kommen Kosten- und Produktionsprobleme hinzu, die nicht in ihrer Gestaltungsmacht liegen, sondern politisch geschaffen worden sind.

Dies betrifft insbesondere den Einkauf. Handwerker berichten schon seit Monaten, dass sie Aufträge nicht mehr ausliefern können, weil einzelne Zulieferteile, z. B. bei den Tischlereien Beschläge, bei den Installateuren Pump- und Messgeräte u.a., wochenlang nicht geliefert würden und wenn, dann auch nur in begrenzter Stückzahl. Das hängt offenbar damit zusammen, dass die Zulieferteileindustrie nicht mehr alle Teile dauerhaft produziert, sondern bestimmte Teile nur zu bestimmten Jahreszeiten oder nur alle paar Monate, um damit Umrüstungskosten zu sparen. Für die Handwerker ist es aber verhängnisvoll. Wenn sie z. B. eine Heizungsanlage installiert haben, aber das letzte Teil mehrere Wochen nicht bekommen, ist die Heizung nicht fertig und bekommen sie auch den Preis nicht, bleiben also auf den Vorlieferkosten (Material und Lohn) wochenlang sitzen. Das kann nur aushalten, wer ein finanzielles Polster besitzt, die meisten aber nicht.

Noch schlimmer ist es mit Zulieferungen von Teilen, die bisher aus Russland kamen und durch die von unserer Regierung verhängten Sanktionen nicht mehr kommen. Bei chinesischen Zuliefererteilen spielen Corona-Lockdown und Schiffstransportprobleme eine Rolle für monatelange Verzögerungen von Lieferungen.

Nun zeigt sich, dass die bisherigen Vorteile der Produktions-Globalisierung sofort umschlagen, wenn die USA den Finanz- oder Wirtschaftskrieg gegen für uns notwendige Teile der Welt erklären und wenn unsere Regierung die Welt-Arbeitsteilung durch inbrünstigen Mitvollzug der Sanktionen zerstört und damit den Im- und Export schädigt, von dem ein Drittel unserer Industrie und unseres Wohlstandes abhängen.

Noch stärker als die von unserer Regierung unserer Wirtschaft bescherten Liefer- und Produktionsprobleme sind aber inzwischen die Inflations- und Kostenprobleme geworden. Handwerker, Tagungshotels oder Baufirmen können langfristige Bestellungen nicht mehr zu Festpreisen annehmen, weil sie nicht wissen, wie sich die beschleunigende Inflation auf die Materialpreise in einigen Wochen oder Monaten auswirken. Handwerker, die einen Festpreis mit Lieferung in mehreren Monaten oder einem halben Jahr zugesagt haben oder Baufirmen, welche einen Festpreis vereinbart hatten, geraten sofort in Verluste, wenn die Materialpreise weiter um 10 bis 30 % Inflation steigen. Festpreis ist für viele Betriebe mit längerfristiger Produktion Todesgarantie. Auf variablen Preis lassen sich aber die Auftraggeber nicht ein, weil dann das Risiko für sie unkalkulierbar ist. Die Folge dieser Kostensteigerung ist Auftrags-, Umsatz- und Produktionsrückgang bis hin zum Untergang solcher Betriebe, welche diese Inflationsrisiken nicht beachtet haben und an den Verlusten zugrunde gehen.

Die Inflations-Risiken waren allerdings vorauszusehen. Das Mittelstandsinstitut hat die Unternehmer seit Jahren davor gewarnt, dass hemmungslose Geldvermehrung durch EZB und EU mit Zustimmung unserer Regierung (Merkel, Scholz) zu Geldentwertung und schließlich Inflation führen müsse, sogar zum Zusammenbruch des Währungssystems. Insofern sind die inflatorischen Kostenfolgen für die Unternehmen im Prinzip, nicht aber in Zeit und Höhe voraussehbar gewesen.

Ein weiterer nationaler Positionsnachteil ist durch Fachkräftemangel in Deutschland entstanden. Konzerne und Regierung haben zwar die ungehinderte Massenimmigration nach Deutschland in Millionenstärke durchgesetzt, es kommen aber nicht Fachleute, sondern Unqualifizierte, Gescheiterte, Queere und Arbeitsscheue, die zu 70 % in unseren Sozialsystemen Existenzsicherung ohne Arbeit suchen. Der Rest möglicher Arbeitskräfte will keine Fachausbildung, sondern allenfalls einen Job, den er als Unqualifizierter oder Hilfskraft in Konzernen findet, nicht aber in den mittelständischen Betrieben, in denen überwiegend ausgebildete Fachkräfte gebraucht werden.

Und dem deutschen Nachwuchs wird bereits in den Spaßschulen beigebracht, dass nicht Leistung, sondern Lebensqualität Lebensziel sei. Deshalb drängt die deutsche Jugend nicht in produktive Berufe, in denen nach Leistungsergebnis bezahlt wird, sondern in Beschäftigung, in denen – meist sogar höher – nach Zeitaufwand bezahlt wird, auch wenn ein Ergebnis nicht dabei herauskommt. Nur 30 % unserer Wirtschaft ist deshalb noch marktproduktiv, 70 % der Dienstleistung ist nur teilproduktiv, geringproduktiv oder – wie Gleichstellungs-, Umwelt-, Gender- und viele andere Berufe) – sogar kontraproduktiv, aber zumeist besser bezahlt als die durch den Preis des Produktionsergebnisses begrenzten produktiven Berufe.

Ein Handwerker kann seinem Gesellen nicht mehr geben, als er verdient. Und er bekommt sein Produkt auch nur bezahlt, wenn dies fertig, komplett und in Ordnung ist. Tausende Gender-Traumtänzer mit Umfeld dagegen dürfen unproduktiv schwadronieren und bekommen höhere Gehälter dafür als ein produktiver Handwerker. Und weil öffentliche Fernsehanstalten mit Staatsgeldern finanziert und genügend korrupt sind, bekommen ihre zweifelhaft produktiven Spitzenkräfte höhere Gehälter als Minister. Kein Wunder, wenn deshalb die Jugend zur bloßen Beschäftigung statt zu produktiver Arbeit drängt und wir hunderttausende unproduktiver Ideologie-Studenten trotz ebenso hunderttausend offener Lehrlingsstellen haben. Lehrlinge auszubilden war zu über 80 % immer schon die Leistung der mittelständischen Betriebe. Inzwischen aber werden diese fachlich und auf Leistung ausgebildeten Mitarbeiter den mittelständischen Betrieben systematisch von Staat und Konzernen mit höherem Lohn für unproduktivere Beschäftigungen abgeworben, so dass immer größerer Fachkräftemangel im Mittelstand entstanden ist. Dies merken bereits heute die Konsumenten für die häuslichen Reparaturen. Diese werden immer teurer, knapper, viele Handwerksbetriebe können sie nicht mehr durchführen, ihnen fehlen die qualifizierten Mitarbeiter. Den Reparaturstau und Fehlschaden hat das Mittelstandsinstitut auf jährlich über 6 Milliarden Euro geschätzt.

Der größte Kostenhammer aber ist für unsere Betriebe durch die Energiekrise entstanden. Inzwischen haben sich die Energiekosten der Betriebe verdrei- oder vervierfacht, sind sie acht- bis zehnmal so hoch wie die der internationalen Konkurrenz, z. B. in den USA.

Neben den Personalkosten sind die Energiekosten schon immer ein existenzentscheidender Posten für viele mittelständische Branchen gewesen und hatten wir jahrzehntelang das Glück, durch die Lieferung billigen russischen Gases stabile billige Energie für unsere Betriebe zu haben.

Aus Russland-Hass hat eine von den USA getriebene EU-Kommission mit deutscher Zustimmung das billige russische Gas gekündigt („auf ewig“ – Baerbock), ohne der auf die Energie angewiesenen Wirtschaft Alternativen zu bieten. Man hat sogar die Alternativen der Atomenergie und der Kohle ebenfalls gestoppt. Eine ökonomische Narrenschar Regierender hat also die wirtschaftlichen Grundlagen unserer Betriebe mutwillig und langfristig zerstört und damit nicht nur die Verfügbarkeit, sondern auch den Preis der Energie für unsere Betriebe unbezahlbar gemacht. Als die Täter merkten, welchen Schaden sie angerichtet hatten, haben sie Entlastungsgeschenke nur für die unproduktiven Bevölkerungsgruppen (Rentner, Studenten, Hartz-IV-Bezieher) beschlossen, mit keinem Gedanken aber an die Existenz unserer mittelständischen Betriebe gedacht, sondern ihnen nur geraten, sie müssten „dann eben aufgeben“ (Habeck).

Der Autor weiß aus vielen Gesprächen, was es heißt, wenn ein Unternehmer mit den Erträgen seines Betriebes die Kosten nicht mehr auffangen kann, also in die Verluste gerät. Sofort stürzen sich Finanzamt, öffentliche Kassen, Versicherungen, Banken und Gläubiger zusätzlich auf den Betrieb, auf das Vermögen des Inhabers und vernichten beide. Nur Unternehmer haften nämlich in unserer Wirtschaft persönlich für alles und mit der höchsten Dauer (30 Jahre). Niemand anderes haftet so stark, so umfangreich und so lange in unserer Gesellschaft. Wir werden also bald hunderttausende oder sogar eine Million Unternehmer haben, die ihren Untergang nicht eigenen Fehlern, sondern den mutwilligen Fehlern einer ideologischen Regierung verdanken, aber dafür persönlich büßen müssen, während die Regierungstäter mit Spitzenpensionen auch dann noch gefüttert werden, wenn der Wähler sie aus dem Amt jagt.

Die tragische Situation des Mittelstandes ist nicht nur die, dass er bisher von den Randgruppen nach oben (Konzerne) und unten (Sozialpotenzial) ausgebeutet wurde, sondern dass er auch darüber hinaus als größter Leistungsträger unseres Volkes am meisten durch Abgaben um seine eigene Leistung betrogen – ausgeplündert – wurde[1] und dass nun mehr als 1 Million Unternehmer nicht wegen eigener Fehler, sondern trotz eigener Tüchtigkeit wegen der Fehler unserer Regierung (Sanktionen, Billiggaskündigung an Russland, Verhinderung von Alternativenergie, bürokratische Strangulierung) aufgeben müssen.

Der Verlust von 1 Millionen Unternehmen würde uns in den nächsten zwei Jahren

  • ein Viertel unserer produktiven, werteschaffenden Wirtschaftspotenzials kosten,
  • mehr als 4 Millionen zusätzliche Arbeitslose schaffen,
  • das Sozialprodukt um mehr als 10 % senken, uns also alle ärmer machen,
  • die öffentlichen Einnahmen um ca. 20 % vermindern
  • und damit auch den verfetteten Staat zum Abschlanken um mindestens 10 % zwingen,
  • dafür die Sozialausgaben um etwa 16 % steigern,
  • statt Üppigkeit eine Mangelwirtschaft mit sinkenden Realeinkommen, sinkender materieller, gesellschaftlicher und gesundheitlicher Versorgung entstehen lassen[2].

Schon in den 30er Jahren des vorherigen Jahrhunderts ist der Mittelstand durch staatliche Fehler (Überschuldung) um ein Drittel reduziert worden, in ein soziales Loch gefallen und hat sich, weil die Parteien ihm nicht helfen wollten, radikalisiert. Unternehmer und ihre Mitarbeiter, die durch eine ideologische, wirtschaftsfremde, fremdgesteuerte und chaotische Politik ihre Betriebe und Existenzen verloren haben, werden dann auch künftig nicht mehr ruhig bleiben.

[1] Vgl. Hamer/Jörgens „Wer ist Mittelstand?“, Hannover 2021, S. 168 ff.

[2] Z.B. Defizit an Reparaturbetrieben der Wirtschaft und Gesellschaft, Reduktion des Gesundheitssystems, Sozialbetrug wird wieder Straftat, Subventionen an Sub-Konzerne und Ausland werden fallen

 

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