Das „Bürgergeld“ müsste heißen „Arbeitsersatzgeld“

von Prof. Dr. Eberhard Hamer

Der Kampf ums Bürgergeld geht nicht mehr darum, ob denjenigen, die kein Arbeitseinkommen haben, Sozialleistungen gezahlt werden sollen und auch nicht um die Höhe dieser Zahlungen, sondern um die Frage, ob der Staat überhaupt noch von den Arbeitslosen „fordern“, also Leistungen verlangen darf, ob sie noch zu Arbeit verpflichtet sind oder nicht mehr.

Umfang und Höhe der Sozialleistungen für Arbeitslose sind seit Bismarcks Sozialgesetzgebungen ein Dauerbrenner. Ursprünglich war nämlich der Staat nicht verpflichtet, Arbeitslose zu unterhalten, war die Aufgabe, Menschen in Not oder Krankheit zu helfen den Kirchen überlassen bzw. zugewiesen worden. Daraus entstanden die kirchlichen Sozialwerke der „Inneren Mission“ und der „Caritas“, die heute mit mehr als einer Million Beschäftigten die größten Unternehmen und Beschäftigter unserer Wirtschaft und Gesellschaft sind.

Einen Schub hat die Diskussion durch die Weltwirtschaftskrise nach dem 1. Weltkrieg bekommen, als die Massenarbeitslosigkeit die kirchlichen Kapazitäten überstieg und zur Überlebensfrage der Demokratie wurde.

Im Hitler-Reich war Arbeit zugleich eine Pflicht und ein Recht. Dies setzte sich in der DDR bis 1989 fort. Die DDR war immer stolz darauf, dass sie keine Arbeitslosigkeit hätte. Dies aber nur deshalb, weil sie einen Zwang zur Arbeit ausübte. Jeder Arbeitslose wurde irgendwo in den Arbeitsprozess zwangseingegliedert und das Kollektiv verpflichtet, für Arbeit auch dieser Problemfälle zu sorgen. Wer also morgens nicht zur Arbeit kam, wurde von den Kollegen – in Einzelfällen sogar im Schlafanzug – morgens zur Arbeit, notfalls mit Gewalt, abgeholt. Und selbst Süchtige wurden zu einfachen Tätigkeiten gezwungen, die sie noch machen konnten.

Wer arbeitete, bekam aber in der DDR auch Lohn bzw. Gehalt, wobei die Einkommensdifferenz nach sozialistischem Vorbild nicht hoch war. Die Mindestlöhne lagen bei ca. 600 Ost-Mark, die Professorenlöhne nur bei ca. 1.200.

Durch den Arbeitszwang hatte die DDR jedenfalls eine soziale Ausgrenzung der Problemfälle weitgehend verhindert, allerdings den Betrieben damit zum Teil erhebliche Mehrkosten auferlegt.

In der westlichen „Sozialen Marktwirtschaft“ ab 1947 gab es erst so viel Not und Elend und so wenige Arbeitsplätze, dass Arbeit – und damit Arbeitseinkommen – zu einem Vorzug wurde. Wenn es auch weder Recht noch Pflicht zur Arbeit gab, war nach der Währungsreform Arbeitseinkommen doch der einzige Weg, aus der Not heraus über Existenzsicherung in Wohlstand zu gelangen. Jeder hatte dies für sich selbst nach seinen Gaben und nach seiner Leistung zu gestalten. Nur für Notfälle sorgte der Staat mit geringen Sozialleistungen.

In den letzten 70 Jahren haben sich aber die Parteien gegenseitig vor Wahlen damit zu übertreffen versucht, irgendwelche angeblich zu kurz gekommene Gruppen oder Notfälle zu entdecken und mit Sozialleistungen zu versorgen. Es wurde wegen des wachsenden Wohlstandes nicht um eine „Pflicht zur Arbeit“, sondern um ein „Recht auf Arbeit“ gestritten. Die Arbeitsgesetzgebung wurde so ausgebaut, dass persönliches Schicksal immer mehr von der „Solidargemeinschaft“ übernommen wurde, z. B. Krankheit, Schwangerschaft o.a. Die Arbeitsmarktpolitik wollte möglichst viele Arbeitskräfte für den Arbeitsmarkt verfügbar halten und möglichst wenige verlieren.

Steigende Arbeitslosigkeit hat Kanzler Schröder mit seiner Verbindung von „Fördern und Fordern“ (Hartz-IV) beantwortet. Die inzwischen gewachsene Soziallast des Staates sollte dadurch gemindert werden, dass echte Arbeitslose wieder in Arbeit gefördert wurden, mangelnde Arbeitsbereitschaft oder Arbeitsscheu mit Sanktionen bestraft werden sollten. Über diese Sanktionen bestand politischer Streit. Sie haben aber vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit reduziert.

Einen entscheidenden Umschwung schaffe das Bundessozialgericht 2018 mit seiner Entscheidung, dass „Hartz-IV Ausdruck der Menschenwürde“ und deshalb ein Menschenrecht für alle sei, die „in diesem Lande leben“. Damit war die Sozialunterstützung von der Hilfe zum Anspruch geworden und wurden die Sanktionen gegen Arbeitsunwillige immer mehr abgebaut, nämlich die Hartz-IV-Versorgung als Anspruchs-Existenzminium für alle angenommen, auch für Zuwanderer, die ohne Arbeitsqualifikation oder Arbeitswillen zu uns gekommen sind, die also im Sozialparadies ein Leben ohne Arbeit genießen wollen. Hartz-IV wurde so zur staatlichen Mindestversorgung für alle, die nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen wollen oder können. Und die Erhöhung von Hartz-IV-Leistungen schaffte nicht nur Millionen von einheimischen Dauer-Arbeitslosen, sondern erweitere diese Anspruchsgruppe um viele Millionen, die in der Welt von der Möglichkeit des deutschen Sozialparadieses erfahren hatten, mit der höchsten Existenzsicherung, Bareinkommen, Wohnung, Wohnungseinrichtung, Energiekosten, Gesundheitsversorgung und sogar mit arbeitslosen Rentenansprüchen. Seitdem ist Deutschland der Sozialmagnet, der in der Welt alle Gescheiterten anzieht, die nie im Arbeitsmarkt, sondern immer im Sozialsystem bleiben wollen[1].

Wenn ein Leben ohne Arbeit inzwischen zum Sozialrecht, die Arbeit nicht mehr zur gesellschaftlichen Pflicht, der Staat dagegen zum Garanten einer „menschenwürdigen Existenz“ nicht nur für die einheimische Bevölkerung, sondern für alle in der Welt, die zu uns kommen, geworden ist, teilt sich die Gesellschaft zwangsläufig in einen abnehmenden Teil, der noch arbeitet und von seinem Einkommen immer mehr an den anderen Teil abgeben muss und einen anderen, der nicht mehr arbeiten will oder kann oder den Versuchungen des Sozialparadieses aus dem Ausland gefolgt ist. Die einen arbeiten noch und mit immer geringerem Nettoertrag, die anderen jedoch arbeiten nie mehr und bekommen immer höhere staatliche Leistungen dafür (Arbeitsersatzeinkommen).

Der Begriff „Bürgergeld“ ist deshalb eine Täuschung, denn der solide Bürger des Mittelstandes leistet noch, arbeitet noch, obwohl er immer höher ausgebeutet wird. Die Sozialanspruchsteller verorten sich dagegen in der Unterschicht und in den Zuwanderern, nicht im fleißigen mittelständischen Bürgertum. Das Wort „Bürger“geld ist also falsch, dürfte nur Arbeitsersatzgeld heißen, weil es ein Anspruch für alle ist, die nicht arbeiten können oder wollen.

Wenn die einen für immer weniger Nettoertrag arbeiten, die anderen aber ohne Arbeit einen immer höheren Nettoertrag erzielen, werden nicht nur diejenigen, deren Mindestlöhne von den Arbeitsersatzansprüchen überstiegen werden, zu arbeiten aufhören, sondern auch die unproduktive Beschäftigung und die Nichtarbeit immer üblicher.

Nur ein Drittel unserer Bevölkerung arbeitet noch für den Markt, schon zwei Drittel dagegen werden aus öffentlichen Kassen als Sozialanspruchsberechtigte, Rentner oder für minder- oder sogar kontraproduktive öffentliche Beschäftigung bezahlt.

Der durchschnittliche Lebenslauf eines Akademikers beginnt zudem erst Ende der 20er Jahre bis Anfang der 60er. Er wird also für etwa ein Drittel der Arbeitslebenszeit fast zwei Drittel seines Lebens zusatzfinanziert.

Und weil für eine nicht mehr ökonomisch, sondern nur ökologisch „gebildete“ Regierung Geld selbstverständlich und unendlich verfügbar ist (Schuldenexplosion), wurden die Grenzen für alle in der Welt, die Arbeitsersatzgeld bei uns haben wollen, geöffnet und wird die Bevölkerung absichtlich von Leistungsträgern zu Leistungsnehmern umstrukturiert.

Der Ökonom denkt mit Grausen an das Ende dieses Prozesses. Die fröhlichen rot-grünen Sozialökologen dagegen sehen nur das Wachstum der von ihnen sozialabhängigen Wähler und wollen durch die Deindustrialisierung, Verminderung der Arbeitszeit, Erhöhung der Sozialleistungen und Anspruch auf Sozialexistenz für alle eine „woke“, statt leistende Gesellschaft schaffen.

Wie lange wird dies wohl noch funktionieren?

[1] So Narjes als Arbeitsministerin: 70 % der Immigranten bleiben immer im Sozialsystem.

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