Die Wegnahme des Cherson-Gebietes rechts des Dnjpr hat die ukrainische Militärführung vor folgende Probleme gestellt:
- Die Versorgung der zurückgebliebenen Zivilbevölkerung ist zusammengebrochen. In der Stadt Cherson gibt es keinen Strom und kein Wasser. Es wird von Zwangsrekrutierungen gesprochen.
- Die starken ukrainischen Kräfte in diesem Bereich können offensichtlich nicht an andere Stellen der Front verlegt werden, wo sie dringender gebraucht werden. Als Gründe hierfür werden angegeben:
+ Transportprobleme wegen Stromausfällen bei der Eisenbahn,
+ Erschöpfung der Truppen,
+ Probleme mit der Disziplin.
Unterstützt wird diese Vermutung durch russische Berichte, wonach im Gebiet Donezk, wo die russischen Streitkräfte (vor allem „Wagner“-Miliz) weiterhin örtlich begrenzte Offensiven durchführen, Verbände der ukrainischen „strategischen Reserve“ festgestellt wurden, was bedeuten würde, daß die Hauptkräfte der Ukraine mit ihren Reserven an der gesamten Hauptkampflinie (750 km Länge) gebunden sind.
Insgesamt sind derzeit von ukrainischer Seite keine großen Offensivabsichten zu erkennen.
Aus Odessa werden Proteste der Bevölkerung gemeldet, da es dort seit drei Tagen keinen Strom gibt. Grund dafür soll sein die Umleitung des Stromes in den Westen der Ukraine, um dort die Versorgung der Industrie sicher zu stellen.
Medien berichten von einem Ultimatum Moskaus an Kiew, noch im November an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Im Falle der Weigerung wolle man die gesamte Energieversorgung der Ukraine irreparabel zerstören. Als etwas skurril anmutende Antwort der Ukraine wird kolportiert, man sei bereit und in der Lage, die gesamte Zivilbevölkerung der Ukraine, wenn nötig, in das westliche Ausland zu evakuieren. Dazu paßt allerdings die kürzliche Aufforderung eines Kiewer Regierungsmitgliedes, die Ukrainer sollten „in Deutschland überwintern“.
Inzwischen verändert sich die Stimmung in den USA bezüglich des Ukraine-Konfliktes weiter. Hochrangige Militärs bezweifelten in Stellungnahmen mittlerweile, daß die Ukraine militärisch gewinnen könne. Gleichzeitig räumte das Pentagon ein, Rußland habe genug Reserven an Raketen und Artillerie (was man bisher immer bestritten hatte). Republikanische Politiker fordern zunehmend, die Unterstützung an Kiew auf den Prüfstand zu stellen. Dies vor dem Hintergrund, daß die Partei jetzt die Mehrheit im US-Repräsentantenhaus innehat, welches über die Freigabe der Mittel zu entscheiden hat.
Insgesamt kann die Entwicklung dahingehend interpretiert werden, daß Moskau Kiew an den Verhandlungstisch zwingen will und daß dies wenigstens zum Teil auch in den USA gewollt wird.
Nicht mehr zu bestreiten ist aber, daß Moskau und Washington jetzt direkt verhandeln.