Die Marktwirtschaft machte uns reich, die Staatswirtschaft wieder arm

von Prof. Dr. Eberhard Hamer

Der ideelle Kampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus wurde nach dem letzten Weltkrieg zumindest im Westen zugunsten von Marktwirtschaft entschieden. Die USA hatten der westlichen Welt ihr Dollar-Imperium, ihre Banken-Finanzherrschaft und ihren Finanzkapitalismus aufgezwungen.

In Deutschland hat Ludwig Erhard nach dem Kriege eine abgeminderte Form des Kapitalismus durchgesetzt: die soziale Marktwirtschaft. In ihr soll zwar zum Nutzen des Einzelnen gewirtschaftet werden, geht es um den „Wohlstand für alle[1]“, sollte jeder Einzelne für sich wirtschaften und Wohlstand erwerben dürfen in eigener Freiheit und Selbstverantwortung, sollte aber gleichzeitig der Staat nicht nur die Hüter des Wettbewerbsprinzips, sondern auch Helfer für in Not geratene Teilnehmer sein.

Dieses System der sozialen Marktwirtschaft ist mehr oder weniger in allen westeuropäischen Ländern eingeführt worden und hat den Wohlstand bei den privaten Bürgern konzentriert, nicht beim Staat (reiche Bürger, armer Staat). In den östlichen Zentralwirtschaften dagegen wurde zu Gunsten staatlicher Ziele, staatlicher Aufgaben und zum Staatswohl gearbeitet, zentralisierte sich nicht nur die Macht über Wirtschaft und Finanzen beim Staat, sondern auch der wirtschaftliche Erfolg, das Vermögen = reicher Staat und arme Bevölkerung[2].

In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich jedoch die Systeme stark angeglichen, weil Ideologie (Ökologie statt Ökonomie) und die Kapitalismusexzesse der westlichen Finanzindustrie die Marktwirtschaft in Frage gestellt haben. Andererseits wurde auch wegen des Wirtschaftserfolges des dezentralen Wirtschaftens die Zentralverwaltungswirtschaft der sozialistischen Staaten von den Funktionärskadern selbst hinterfragt und auf den unteren Ebenen zunehmend Selbstverantwortung eingeführt (China).

Der Autor hat in den 1980er Jahren an der Universität Xi‘An Mittelstandsökonomie gelehrt und sind seine Bücher ins Chinesische übersetzt worden. Dabei machte auch sein Privatisierungslehrbuch[3] Aufsehen und brachte ihm eine Einladung zu einer Diskussion mit der Zentral-Planbehörde auf einem Schloss von Mao Tse-tung ein. Ein dramatisches Gespräch! Der erste Tag drehte sich anhand der vom Autor entwickelten Privatisierungsformel um die in der Privatisierungspraxis[4] für Europa nachgewiesenen Rentabilitätsvorteile von 30 bis 40 % privater Produktion gegenüber öffentlicher und ob diese auch für China erzielbar wären.

In der Nacht hatten die Chinesen offenbar lange weiter diskutiert. Am Morgen jedenfalls akzeptierten sie den Rentabilitätsvorteil einer dezentralen privaten Marktwirtschaft und wollten nun wissen, wie im Falle Chinas beide Systeme verbunden werden könnten. Der Autor legte immer wieder dar: Je mehr eigenverantwortliche private Marktwirtschaft, desto höhere Rentabilität, aber geringere Zentralmacht. Je zentraler die Wirtschaft geführt und reguliert würde, desto unrentabler sei die Wirtschaft. Schließlich reduzierten sich die Fragen darauf, wie viel eigenverantwortliche dezentrale Marktwirtschaft man auf den unteren Ebenen einrichten könne, ohne die zentrale Führung und Macht der Partei und Führungselite in Frage zu stellen. Dies wurde von den Chinesen wiederum die nächste halbe Nacht lang diskutiert.

Am letzten Morgen gestand der Chef der chinesischen Zentralbehörde dem Autor: „Wir werden nur so viel privatisieren, dass unsere Macht und die Führung der Partei nicht gefährdet werden!“

Dass die Privatisierung öffentlicher Aufgaben durch private Unternehmen im Schnitt 30 bis 40 %[5] billiger durchgeführt werden kann als in öffentlicher Regie, dass also Zentralisierung zu Unrentabilität und Kostensteigerung führt, haben die EU und unsere Regierung mit ihren dubiosen Corona-Geschäften gerade wieder bewiesen und wird auch bei den Gewerkschaften akzeptiert[6].

Die neue Tendenz der neuen Regierung ist aber wieder: Zentralisierung in öffentlicher Hand. Staat statt privat!

Das hängt mit den heute vorherrschenden politischen Strömungen zusammen:

  1. Da 90 % unserer Arbeitnehmer in abhängiger Beschäftigung stehen, also nicht selbständig, selbstverantwortlich tätig sind, bleiben ihnen die auf eigenes Risiko, für eigenen Erfolg arbeitenden Unternehmertypen fremd. Und wenn solche Unternehmer auch noch größeren Erfolg haben als die angestellten Mitarbeiter, wird heute schon wieder in Medien und Schulen verbreitet, dass dies ungerechtfertigter Gewinn sei und höher besteuert werden müsse (Esken).

Nach dem letzten Weltkrieg war Unternehmer die anerkannteste Berufsgruppe, heute dagegen werden Unternehmer vor allem von den öffentlichen Medienfunktionären als kriminelle Typen der abendlichen Krimis diffamiert[7], weil die Medien zwischen den 94 % mittelständischen Inhaberunternehmern und den nur 6 % angestellten Managern nicht zu unterscheiden vermögen, die Untaten letzterer den ersteren zurechnen.

Vor allem aber wollen die meisten der beamteten Lehrer als Lernziele nicht mehr Selbständigkeit und Eigenverantwortung, sondern mit ihrer Pädagogik den „kritischen“, „gesellschaftlich positiven“, „gleichen“ Arbeitnehmer heranbilden[8] und verbreiten die übliche Sozialkritik nach dem Strickmuster

„reich = schlecht, beutet aus,

arm = gut, muss sich wehren“[9].

So führt unser öffentliches Bildungssystem zu angeblich Höherwertigkeit öffentlicher statt privater Strukturen, öffentlicher Arbeit statt Privatarbeit und öffentlicher Einnahmen statt Privateinnahmen.

  1. Für die Mehrheit unserer Menschen ist inzwischen Wohlstand selbstverständlich („Wir sind doch ein reiches Land!“) und deshalb für ihre Existenz nicht mehr Arbeit zuständig, sondern die Gesellschaft, der Staat. 61 % der Menschen leben inzwischen von staatlichen Transferleistungen[10]. Für sie ist deshalb der Staat Ernährer, Existenzsicherer und sind deshalb die staatlichen Funktionäre weniger staatliche Manipulatoren als notwendiger Befehlsgeber. Die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet deshalb „mehr Staat“, mehr zentrale Verwaltung, mehr zentrale Macht und mehr öffentliche Regulierung, sogar wenn es ihre eigene Freiheit begrenzt[11]. Deshalb hat auch in Deutschland noch nie ein Steuer- oder Sozialabgabenstreik wie in anderen Ländern stattgefunden, obwohl unsere Leistungsträger die höchsten Abgaben der Welt zu zahlen haben.
  2. Nach der Maslow-Pyramide der Bedürfnisse geht es den Menschen bei schlechter Versorgung vor allem um reale Existenzfragen, bei guter Versorgung dagegen immer mehr um irreale Lebensfragen und Ideologien. Die höchste bisher erreichte Versorgung in Deutschland hat deshalb wieder eine Ideologiephase gebracht. Die Mehrheit der Menschen will „Ökologie statt Ökonomie“, Weltenrettung, Heilung der angeblich von Menschen gemachten Umweltzerstörung, sogar wenn unser Weltbeitrag unbeachtlich ist (2 %). Sie folgen Panikpolitikern und sind bereit, dafür Lockdown und Isolierung zu ertragen o.a.

Ideologische Wellen waren aber immer Kollektivierungswellen, weil jede Ideologie zur Kollektiveinstellung führt. Die Funktionäre jeder Ideologie wollen die Macht über die Bevölkerung. Und diese erringen sie nur mit Hilfe des Staates. Insofern sind die politischen Ämter und Staatsfunktionen die Manipulations- und Multiplikatormöglichkeiten der Ideologen, ihre Ideologie zu verbreiten, zu erzwingen und sich selbst dadurch eine Feudalstellung zu schaffen.

Die derzeitige Welle der Ideologie ist deshalb nicht ohne Grund auch eine Phase, in welcher sich die ideologischen Staatskader der Freiheit, Eigenverantwortung und sogar der Wohlfahrt der Bevölkerung bemächtigen, um ihre Ideologie zentral durchzusetzen.

  1. Zentralisierung wird in allen politischen Systemen vor allem von den öffentlichen Funktionären betrieben, weil dies ihre Macht, ihre Wirkung und ihr Einkommen vergrößert.

In der DDR gab es in jedem Dorf ein Parlament, erst aus Kommunisten, dann nach 1989 aus Demokraten. In Westdeutschland waren diese Selbstverwaltungen längst einer unseligen Zentralisierung zum Opfer gefallen. In den neuen Bundesländern hat es keine 10 Jahre gebraucht, bis auch dort die Basis entdemokratisiert und die Verwaltung zentralisiert wurde. Dörfer wurden zu Verwaltungsgemeinschaften zusammengefasst, Landkreise zu Großkreisen usw. In allen Fällen wurden nämlich die Beamten dadurch besser bezahlt als vorher.

Ein Hauptantrieb ist dabei das öffentliche Dienstrecht des Beamtentums und der öffentlichen Angestellten, welche das Wachstum der Behörden aus Eigensucht befördern. Da man Beamte nicht entlassen kann, wenn sie ihrer Arbeit nicht mehr gewachsen sind, wird zusätzliches Personal eingestellt. Und da es auf den Arbeitserfolg nicht ankommt (Rechtmäßigkeit statt Gewinn), sondern die Arbeit nur nach Dienstzeit (ohne Rücksicht auf die Effizienz) bezahlt wird, sind die Behörden nach den Kategorien der privaten Wirtschaft alle überbesetzt und beschäftigen sich übrigens immer mehr nur mit sich selber.

Dazu trägt auch bei, dass früher nur Hoheitsaufgaben mit öffentlichem Dienstrecht ausgestattet waren und es bei diesen tatsächlich nicht auf Effizienz, sondern auf die Rechtmäßigkeit des Handelns ankam. Der Beamte hatte nach Recht und Gesetz, nicht nach Nutzen zu entscheiden. Heute sind jedoch, trotz der Aufblähungen unserer Hoheitsverwaltungen, nicht einmal 70 % unserer öffentlichen Diener hoheitlich tätig, die meisten in Funktionen der Daseinsvorsorge, bei Erfüllung wirtschaftlicher Aufgaben oder in Bildung oder Gesundheit oder im Sozialgewerbe, in denen das öffentliche Dienstrecht kontraproduktiv und deshalb zu teuer ist. Kein Wunder, wenn die Privatisierungsforschung nachgewiesen hat, dass der öffentliche Sektor generell um 30 %, der nicht-hoheitliche Sektor sogar um mehr als 40 % ohne Effizienzverlust abgespeckt werden könnte[12] und dass Volkswirtschaften mit mehr Marktwirtschaft immer die effizienteren sind, während Volkswirtschaften mit mehr Verwaltungswirtschaft in steigendem Maße ineffizient sind. Die wachsende Bürokratie, Staatsregierung und wirtschaftliche Staatstätigkeit unserer Regierung sind also ineffektive Alterungsprozesse, Verlust von Dynamik und von Wohlstand für unsere Volkswirtschaft und Gesellschaft.

  1. Jeder „der in diesem Land lebt“ hat inzwischen mehr als 90.000 Vorschriften zu beachten, hat also seine Freiheit und Eigenverantwortung im Rahmen dieser Vorschriften verloren. In den kollektiven Systemen einer Zentralverwaltungswirtschaft ist alles verboten, was nicht speziell erlaubt ist. In der Marktwirtschaft sollte es umgekehrt sein, sollte alles erlaubt sein, was nicht speziell geregelt und verboten ist. Inzwischen aber haben sich beide Systeme so angenähert, dass man heute nicht mehr weiß, in welchem wir leben.

Zuletzt hat noch eine infantile Horde von ideologischen Schwärmern unseren Staat gekapert, die Kassen geplündert, tausende bildungsgeschädigte Ideologen in hochbezahlte öffentliche Positionen gesetzt und brachte in ihrer Freude, nun Staatszwang zur Durchsetzung ihrer Ideologie nutzen zu können einen neuen Schub freiheitsbeschränkender und einkommenssenkender Zentralisierung.

Der Ludwig Erhard vorschwebende freie, selbstverantwortliche und zum eigenen Nutzen wirtschaftende Mensch ist längst durch den untertänigen, von Funktionären beherrschten und manipulierten und zentral meinungsgesteuerten Einheitsmenschen abgelöst.

Gerade deshalb wollen Zentralisten auch Massenimmigration in die Sozialsysteme, die sie steuern, betreuen und verwalten können und die ihnen dann, wenn sie Wahlrecht bekommen, aus Dankbarkeit auch ihre Stimme geben.

Die Zentralisierung unseres Lebens, unserer Bevölkerung und unserer Freiheit wird also wohl bewusst betrieben. Wir sind auf dem Weg zur Verstaatlichung unserer Gesellschaft, unserer Lebensumstände, unserer Freiheit, unserer wirtschaftlichen Tätigkeit, unserer Selbständigkeit. Die Öko-Ideologie dient dazu als Begründung.

 

[1] So Buch Ludwig Erhard, 3. Aufl., Düsseldorf 1990

[2] Beispiele: Russland, China, Kuba, Vietnam u.a.

[3] Vgl. vom Verf. „Privatisierung als Rationalisierungschance“, 1981

[4] Vgl. vom Verf. „Privatisierungspraxis“, 1992

[5] In Einzelfällen zu über 100 %

[6] Bei Privatisierungsvorträgen und Privatisierungsprojekten des Autors wurden die öffentlichen Mitarbeiter immer mit dem Slogan aufgehetzt: „Hamer wird Euch durch Privatisierung 30 bis 40 % Eurer Arbeitsplätze wegrationalisieren!“

[7] Vgl. Hamer, E. „Was ist ein Unternehmer?“, 2001, S. 52 ff.

[8] Wie zuvor, S. 56

[9] Dazu ausführlich „Die Unternehmerlücke“, S. 54 ff.

[10] Nicht nur Rentner, Arbeitslose, Studenten o.a., sondern auch die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, der öffentlichen Körperschaften, der Sozialindustrie, des Gesundheitswesens

[11] Vgl. Hamer, E. „Bürokratieüberwälzung auf die Wirtschaft“, Hannover 1979

[12] Vom Verf. „Privatisierung als Rationalisierungschance“ und „Privatisierungspraxis“

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