Lage Ukraine 21.5.2023 – Bachmut eingenommen

Am 20.5.2023 erklärte der Chef der Wagner-Privatmiliz, Jewgeni Prigoschin, in einer Videobotschaft, dass seine Truppen an diesem Tage die Stadt Bachmut vollständig eingenommen hätten.

Das russische Verteidigungsministerium bestätigte diese Meldung einige Stunden später. Zuvor kursierten Stimmen im Internet, es habe erneut schwere Differenzen zwischen Prigoschin und der russischen Militärführung gegeben. In seiner gestrigen Videobotschaft hatte der Wagner-Chef insbesondere Verteidigungsminister Schoigu und Armeechef Gerassimow wegen angeblich mangelhafter Unterstützung erneut scharf kritisiert.

Der Kampf um Bachmut hatte im Oktober 2022 begonnen und 225 Tage gedauert. Nach Schätzungen sind in den schweren Häuserkämpfen wenigstens 30.000 ukrainische Soldaten gefallen. Eine für moderne Kriege exorbitant hohe Zahl. Die russischen Verluste sind unbekannt, es wird sich jedoch nur um einen Bruchteil von denen des Gegners handeln.

Auch Bachmut ist ein Beispiel für die russische Taktik, massiv Artillerie, Luftwaffe und Drohnen einzusetzen, bevor der Angriff der Infanterie erfolgt, um personelle Verluste zu minimieren. Die Stadt Bachmut ist nur mehr ein tauchender Trümmerhaufen. Dass sich hier bis zuletzt Zivilisten – gesprochen wird von Tausenden – aufhielten, ist erstaunlich und erschütternd zugleich. Es steht zu hoffen, dass ihnen rasch humanitäre Hilfe zukommen wird.

Was hat die Wegnahme von Bachmut den Russen gebracht? Über die operative Bedeutung des Besitzes der Stadt wird gestritten. Sie stellt im mittleren Abschnitt der 800 km langen Frontlinie  einen Eckpunkt für die Verteidigung des Donbass dar. Dort kreuzen sich wichtige Verkehrswege in alle Richtungen. Zudem war Bachmut schwer befestigt. Fast jedes Haus musste im Nahkampf erobert werden. Der Besitz der Stadt ist militärisch also zweifellos ein Vorteil.

Inwieweit die russische Seite den Erfolg jetzt ausnutzen wird, ist unklar. Westlich Bachmut existiert jedenfalls keine ukrainische Vereidigungsstellung mehr, die mit der im Bereich Donezk zu vergleichen wäre. Möglich wäre jetzt jedenfalls ein russischer Angriff mit konzentrierten Kräften nach Westen.

Die Kämpfe an den anderen Frontabschnitte sind in den vergangenen Wochen in den Hintergrund getreten, obwohl an verschiedenen Stellen ebenfalls hart gerungen wurde, freilich ohne dass sich der Verlauf der Hauptkampflinie wesentlich verändert hätte.

Was wird die Ukraine als nächstes tun? Im Raum steht immer noch die Ankündigung einer großen Offensive im Raum Saporoschje, wo Kiew Truppen konzentriert hast. Einige Quellen sprechen von 75.000 Mann, die mit einigen hundert modernen Kampfpanzern aus westlicher Produktion ausgerüstet sein sollen. Allerdings haben die konzentrierten russische Luftschläge der letzten Wochen dem Aufmarsch empfindliche Verluste beigebacht. Zudem wurden in der westlichen Ukraine mehrere große Lager mit Munition und anderem Kriegsgerät aus dem Westen durch russische Raketen komplett zerstört.

Der unabhängige US-Experte Oberst a.D. Douglas Mcgregor ließ vergangene Woche verlauten, die russischen Truppen verfügten im Bereich Saporoschje über 200.000 Mann für die Verteidigung. Das wären dann zwei Armeen mit wenigstens 1.000 Kampfpanzern, dazu Massen an Artillerie. Da die Stärke der Russen – wie auch der Ukrainer – in der Verteidigung liegt, fragt sich, wie die diese Streitmacht eigentlich überwunden werden soll.

Ein entscheidender nachteiliger Faktor für einen ukrainischen Angriff stellt zudem die Unterlegenheit in der Luft und bei der Flugabwehr dar. Kein verantwortungsvoller Truppenführer würde einen Angriff befehlen, wenn der Gegner die Luftherrschaft hat. Dies erklärt auch die unausgesetzten Forderungen Kiews nach modernen westlichen Kampfflugzeugen.

Bei der Abwehr von Raketenangriffen auf Kiew vor einigen Tagen soll das US-Flugabwehrsystem „Patriot“ völlig versagt haben. Die Amerikaner sollen das System daraufhin vorübergehend aus dem Verkehr gezogen haben, bis die Ursachen festgestellt sind. Auch dies würde eine Schwächung der ukrainischen Luftabwehr bedeuten.

Jeder Tag des Wartens wird der Ukraine allerdings weitere Verluste an Menschen und Material bringen, welche die Offensivkraft der Armee schwächen. Kiew ist allerdings im Zugzwang: Der Westen erwartet angesichts der massiven finanziellen und materiellen Unterstützung für die Ukraine Erfolge an der Front. Dazu kommt jetzt die Notwendigkeit, die „Scharte“ von Bachmut auszuwetzen.

(Karte: Lage an der Ukraine-Front 20.5.2023, Quelle: Telegram.)

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