Eine Ansprache von Stephan Ehmke
„Für Freiheit und Vaterland“
von Ernst-Moritz Arndt
Wo dir Gottes Sonne zuerst schien, wo dir die Sterne des Himmels zuerst leuchteten, wo seine Blitze dir zuerst seine Allmacht offenbarten und seine Sturmwinde dir mit heiligem Schrecken durch die Seele brauseten: da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland.
Wo das erste Menschenaug’ sich liebend über deine Wiege neigte; wo deine Mutter dich zuerst mit Freuden auf dem Schoße trug und dein Vater dir die Lehren der Wahrheit und des Christentums ins Herz grub: da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland.
Und seien es fahle Felsen und öde Inseln, und wohne Armut und Mühe dort mit dir, du mußt das Land ewig lieb haben; denn du bist ein Mensch und sollst nicht vergessen, sondern behalten in deinem Herzen.
Auch ist die Freiheit kein leerer Traum und kein wüster Wahn, sondern in ihr lebt dein Mut und dein Stolz und die Gewißheit, daß du vom Himmel stammst.
Da ist Freiheit, wo du in den Sitten und Weisen und Gesetzen deiner Väter leben darfst; wo dich beglücket, was schon deinen Ureltervater beglückte; wo keine fremden Henker über dich gebieten und keine fremden Treiber dich treiben, wie man das Vieh mit dem Stecken treibt.
Dies Vaterland und diese Freiheit sind ein Schatz, der eine unendliche Liebe und Treue in sich verschließt, das edelste Gut, was ein guter Mensch auf Erden besitzt und zu besitzen begehrt.
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In einer Zeit, da die Freiheit in unserem Landes wieder von allen Seiten bedroht ist, fällt unser Blick auf jenen Helden, der schon einmal in höchster Not Deutschland das Lied der Freiheit gesungen hat: Ernst-Moritz Arndt.
Damals wie heute war das Vaterland fremdbestimmt und besetzt. Land und Volk waren innerlich und äußerlich zerspalten und zerrissen. Seit 1806 herrschte der Usurpator Napoleon über Europa, die Inkarnation der Tyrannei, die aus den Guillotinen der Französischen Revolution erwachsen war.
Ernst Moritz Arndt war Christ. Der feste Glaube an den auferstandenen Heiland durchzieht sein ganzes Werk. Ohne Gott war für Arndt Freiheit nicht denkbar. Die Bindung an Gott und seine Gebote waren es, die Arndt vor den Verführungen einer schrankenlosen Freiheit schützte. Die Freiheit war es aber auch, die nach den Worten Arndts in dem eben gehörten Gedicht den Menschen erkennen läßt, daß er von Gott stammt. „Was Menschenhände schufen, können Menschenhände stürzen“, sagt Schiller durch Wilhelm Tell, „Das Haus der Freiheit hat uns Gott gegründet“. Das hätte auch Arndt schreiben können. Für beide, Schiller und Arndt, war Freiheit ohne Gott nicht denkbar.
Freiheit ist aber auch immer auf das Vaterland, die Heimat bezogen. Wir hörten eben: „Da ist Freiheit, wo du leben darfst, wie es dem tapfern Herzen gefällt; wo du in den Sitten und Weisen und Gesetzen deiner Väter leben darfst; wo dich beglücket, was schon deinen Ureltervater beglückte; wo kein fremden Henker über dich gebieten und keine fremden Treiber dich treiben, wie man das Vieh mit dem Stecken treibt“.
Für Arndt war der Mensch in Gottes Schöpfungsordnung fest eingebunden. Ein jeder hatte in ihr dem ihm gebührenden Platz. In der Familie zuerst, dann im Beruf, im Freundeskreis und schließlich im größeren Kreis, dem Volk und dem Vaterland. Arndt vergaß aber auch nicht, daß jeder einzelne Mensch auch Glied der großen Gemeinschaft der Menschheit war. Als Geschöpf Gottes, vor Gott und vor dem Gesetz waren alle Menschen gleich, kam jedem Menschen dieselbe Würde zu. Dies bildete das Fundament der Arndtschen Freiheit.
Frei war der Mensch durch Gott, gleich vor ihm und durch ihn mit einer unveräußerlichen Würde ausgestattet, einer Würde und einer Ehre, die kein Tyrann versklaven durfte und letztlich auch nicht konnte.
Arndt anerkannte die Begrenzung der Freiheit, einer Freiheit, die soziale Verantwortung in sich trug. Die persönliche Freiheit fand ihre Grenze darin, daß dem anderen nicht geschadet werden dürfte. Kant sagte, die Freiheit fände ihre Grenze in der Freiheit des anderen. Insofern vertrat Arndt – wie Kant – einen konservativen, christlichen Freiheitsbegriff, der sich vom liberalen und insbesondere vom radikalen demokratischen Freiheitsbegriff unterschied.
Arndt wollte eine christliche Obrigkeit. Er war kein radikaler demokratischer Umstürzler. Er wollte eine Regierung, welche die Freiheit des Einzelnen, die aus seiner Gottesebenbildlichkeit und seiner damit verbunden Würde und Ehre hervorging, respektierte. Arndt wollte einen Staat, der es dem Bürger ermöglichte, „das Böse zu lassen und das Gute zu tun“, wie er es selbst ausdrückte oder anders gesagt, welcher der Sünde wehrte und die Frommen schützte. Wenn man so will, einen Staat, der seine Bürger nach den Geboten Gottes und der menschlichen Natur – seinem unveränderlichen Wesen entsprechend – leben ließ.
In diesem Sinne war es selbstverständlich, daß Arndt die Abschaffung der Leibeigenschaft in Schweden (Arndts Geburtsort Groß Schoritz auf Rügen gehörte bis 1815 noch zu Schweden) und Preußen forderte und daß, als sie von den Reformern durchgesetzt worden war, aus vollem Herzen begrüßte. Als Privatdozent in Greifswald hatte Arndt 1803 die Schrift „Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen“ verfaßt und war dafür von Teilen des Adels scharf angegriffen worden.
Gott – Freiheit – Vaterland, das waren also die drei großen Begriffe, die Arndts Werk durchziehen.
1806 – immer noch Dozent in Greifswald – schrieb Arndt seine erste Schrift gegen die Napoleonische Fremdherrschaft, der er nach seiner Flucht nach Schweden einen zweiten Teil folgen ließ. Nach Preußen zurückgekehrt, schloß Arndt sich dem Reichsfreiherrn vom Stein an, dessen Sekretär er wurde. Arndt begleitete den preußischen Reformer 1812 nach Rußland. Dort entstand ein Großteil seiner patriotischen Lieder und Gedichte und Schriften gegen Frankreich. Er wurde zum Sänger der Freiheitskriege.
1813 verfaßte Arndt seine zweite bedeutende Schrift, den „Kleinen Katechismus für den teutschen Soldaten“, in dem er vor allem die Kriege der Tyrannen geißelte, welche stets die größten Feinde der Freiheit und der Gerechtigkeit gewesen seien. So stellt Arndt im Katechismus auch das Streben nach Freiheit in Vordergrund, welche er politisch jedoch nicht in der Republik, sondern in der konstitutionellen Monarchie verwirklicht sehen wollte.
Er schrieb: „Der Mensch soll gehorchen mit Freiheit und das Rechte tun, weil es seinem Herzen gefällt. Und es sind viele Laster schändlich zu nennen, doch das Schändlichste von allen ist ein knechtischer Sinn. Denn wer die Freiheit verlor, der verlor jede Tugend, und dem zerbrochenen Mut hängen die Schanden sich an. Wer mit hündischen Sinn das Rechte verschweiget, der umschleicht mit dem Unrecht bald auch das Recht.“
Wir sehen hier, daß für Arndt Freiheit mit Recht und Tugend Hand in Hand geht. Recht und Tugend sind es aber auch, die der Freiheit ihre Grenzen aufzeigen. Freiheit ohne Recht und Tugend kann schnell wieder in eine Tyrannei umschlagen, wie gerade heute wieder erleben müssen.
Arndt schloss sich in der Folge der Deutschen Romantik an. Als Christ stand er dem Pietismus der Erweckungsbewegung nahe, welche sich gegen den damals vorherrschenden Rationalismus im Protestantismus wandte und eine neue Innerlichkeit und Gefühlsbetontheit im Glauben forderte. Er wurde ein Anhänger und Freund des Theologen Friedrich Schleiermacher, dessen Schwester Anna Maria er 1817 heiratete. Arndt schrieb zahlreiche christliche Gedichte, die zu seinen eindringlichsten Werken gehören. Viele seiner Gedichte wurden vertont. Das Lied „Ich weiß, woran ich glaube“ steht mit einer Melodie von Heinrich Schütz heute noch im Evangelischen Gesangbuch (noch, muß man sagen).
Es sei hier noch einmal betont, daß Arndt die Freiheit aus seinem Christentum heraus verstand. Freiheit war für ihn zuallererst die Befreiung von der Sünde durch die Tat Jesu Christi. Hieraus leitete sich dann neben der unveräußerlichen Würde durch die Ebenbildlichkeit Gottes die Freiheit des Menschen auf Erden ab, die für Arndt stets zu den vorletzten Dingen gehörte und nie absolut sein konnte. Die Vollendung der Freiheit konnte nur durch und bei Gott geschehen.
Es muß in diesem Kreise nicht daran erinnert werden, daß auch Arndt zu den geistigen Vätern der deutschen Burschenschaftsbewegung gehörte, die nach den Befreiungskriegen zur Hauptträgerin des deutschen Freiheitsgedankens geworden ist. Deshalb ist eine große Zahl seiner Gedichte zum festen Bestandteil des patriotischen studentischen Liedgutes geworden.
In seiner 1815 erschienenen Schrift „Studentenstaat“ verklärte er die studentische Lebensweise in Antinomie zu jeder bürgerlichen Enge als „poetischer Freiheit und Gleichheit, ein selbstgenügendes und selbstherrschendes Leben ohne Zwang und ohne Sünde, wo die unermeßliche Weite der Geisteswelt geöffnet ist.“ Ich will hier aber keine Eulen nach Athen tragen.
1818 wurde Arndt Professor für Geschichte an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Seine Tätigkeit war allerdings nicht von langer Dauer. Sein Eintreten für die Freiheit wurde ihm zum Verhängnis, wie so vielen anderen Denkern und Dichtern in der Restaurationszeit. Obwohl Ernst Moritz Arndt keinesfalls ein radikaler Revolutionär war (siehe oben), verlor er seine Lehrerlaubnis bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt, obwohl ein gegen ihn angestrengter Prozeß nicht mit einem Schuldspruch endete. Er behielt zwar seinen Titel und sein Gehalt, durfte allerdings keine Vorlesungen mehr halten. 1826 mußte Arndt seine Professorenamt gänzlich niederlegen.
Es ist bezeichnend, daß Arndt gerade von dem überzeugten Gegner der Revolution, König Friedrich Wilhelm IV., im Jahre 1840 rehabilitiert wurde. Der altkonservative preußische König war ein frommer Christ, dem die Wahrheit und das Recht über alles ging. Und er war ein König, dem die Sicherstellung der Würde und der mit ihr untrennbar verknüpften Freiheit des Menschen am Herzen lag. Friedrich Wilhelm konnte es nicht ertragen, daß ein Mann, der sich dem Kampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft und der Befreiung seines Volkes verschrieben hatte und ein aufrechter preußischer und deutscher Patriot war, immer noch zu Unrecht verfemt wurde. So beseitigte der König sofort nach seinem Amtsantritt öffentlich das Unrecht, das Arndt und zahlreichen anderen deutschen Freiheitskämpfern früher angetan worden war. Die ehrenvolle Tat eines Monarchen, der bis heute zumeist falsch eingeschätzt wird und dessen einzigartige Fähigkeiten unterschätzt werden (und der im übrigen in den Gedanken der deutschen Romantik tief verwurzelt war).
1841 wurde Arndt als verdiente Wiedergutmachung Rektor der Bonner Universität und lehrte und publizierte dort bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1854.
Arndt blieb weiter aktiv als patriotischer Literat. Er verfaßte „Blätter der Erinnerung“, meistens um und aus der Paulskirche in Frankfurt (1849), „Mahnruf an alle deutschen Gauen in betreff der schleswig-holsteinischen Sache“ (1854), „Pro Populo Germanico“ (1854), „Blütenlese aus Altem und Neuem“ (1857) und „Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn H. K. Fr. vom Stein“ (1858). Wegen einer Generalfeldmarschall Carl Philipp von Wrede und das bayerische Militär vermeintlich verleumdenden Stelle in der letztgenannten Schrift wurde Arndt vor das Schwurgericht in Zweibrücken geladen und in Abwesenheit zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
1858 widmeten Hermann und Moritz Schauenburg Arndt die erste Ausgabe des „Allgemeinen deutschen Kommersbuches“. Diese Widmung und ein Faksimile seiner Antwort werden bis heute in jeder Auflage des Kommersbuches abgedruckt.
Unter allgemeiner öffentlicher Teilnahme feierte Arndt 1859 seinen 90. Geburtstag. Er starb kurz darauf am 29. Januar 1860. Sein Grab befindet sich auf dem Alten Friedhof in Bonn.
Es ist an dieser Stelle unmöglich, alle die Stellen aus Arndts Gedichten und Schriften zu zitieren, welche die deutsche Freiheit aufgreifen. Eigentlich ziehen sich diese Begriffe durch sein ganzes Werk. Geprägt wurde Arndt wie viele oder die meisten Romantiker in Literatur und Politik von den Befreiungskriegen 1813-1815. Sie alle sogen einerseits den Haß gegen den Usurpator und Unterdrücker Napoleon Bonaparte in sich auf, andererseits die romantisch-patriotische Vorstellung von der Vereinigung aller Deutschen in einem Reich, im bewußten Rückgriff auf das mittelalterliche „Heilige Deutsche Reich Römischer Nation“.
Arndts „Was ist des Deutschen Vaterland“ kann als eine Hymne der frühen nationalen Bewegung in Deutschland gelten.
Wie viele andere, hatte Arndt die Ideen der Aufklärung in sich aufgenommen, allerdings keineswegs unkritisch. Arndt sah, wie z.B. Alexis de Tocqueville, daß ein radikales Gleichheitsverständnis zum Feind der Freiheit werden muß, weil er die gott- und naturgegebenen Verschiedenheiten der Menschen gewaltsam zu nivellieren sucht und damit gegen das „Suum Cuique“ verstößt. Dem Gedanken Rousseaus über die Volkssouveränität stand Arndt skeptisch gegenüber. Er befürwortete eher den organisch gegliederten korporativen Staat, freilich mit einer Verfassung und Repräsentationen des Volkes, in dem jeder dem ihn zukommenden Platz ausfüllte und dort seine Freiheit verwirklichen konnte. Wichtig waren ihm dabei die Rechte und Freiheiten der kleinen Gemeinschaften in Staat und Gesellschaft, allen voran der Familie.
Den Ruf der Französischen Revolution nach „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ teilte Arndt zwar auch, doch war er wie der spanische Philosoph Juan Donoso Cortés der Meinung, daß die Jakobiner diese ursprünglich christlichen Ideale „von Golgatha geraubt“ und weltlich entfremdet hätten. Den Mißbrauch und die Perversionen der Schreckensherrschaft mit ihren Massenmorden mußte Arndt wie viele seiner Zeitgenossen mit Abscheu erfüllen. Napoleon I. galt ihm als der legitime Nachfolger und Vollstrecker der Jakobiner.
Aus diesem Grunde war die Begeisterung für die Befreiungskriege einerseits patriotisch motiviert, andererseits gegen die Auswüchse der Aufklärung und der Französischen Revolution gerichtet.
In dem großartigen Gedicht „Der Gott der Eisen wachsen ließ“ weist Arndt im Besonderen auf die Elemente hin, die für ihn die Freiheit ausmachen: das Recht, sich gegen Unterdrückung und Tyrannei mit angemessenen Mitteln – notfalls auch mit Gewalt – zur Wehr zu setzen und das Recht der freien Rede. Dazu könnte noch das Recht treten, sich seinen König oder Führer selbst zu wählen. Dies wären dann die „christlich-germanischen Freiheiten“, die später der Kopf der preußischen Altkonservativen, Ernst Ludwig von Gerlach (1795-1877) so vehement als „liberale Wahrheiten“ zu verteidigen suchte.
Nun ein Wort zur Kritik an Arndt heute. Wir befinden uns ja an einem Ort, der im Zusammenhang mit der Umbenennungsdiskussion der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in unrühmlicher und peinlicher Weise von sich Reden gemacht hat.
Es sind zwei Dinge, die Arndt heute im Allgemeinen vorgeworfen werden: sein angeblicher Franzosenhaß und der dem zugrundeliegende vermeintlich übersteigerte Nationalismus sowie sein angeblicher struktureller Antisemitismus.
Darauf ist zu antworten, daß Arndt zweifellos harrsche Worte gegen Frankreich und die Franzosen verwendete. Jedoch ist dies vor dem Hintergrund des Freiheitskampfes gegen die napoleonische Fremdherrschaft zu verstehen. Daß es sich dabei keineswegs um eine rassistische Herabsetzung der Franzosen im Allgemeinen handelt, wie heute von manchen behauptet, zeigt sich schon dadurch, daß Arndt die französische Kultur und insbesondere die Literatur überaus schätzte. Daneben anerkannte Arndt ebenso den unverzichtbaren Beitrag Frankreichs zur christlich-abendländischen Kultur. So war Arndt ein vehementer Befürworter, daß ein vom Bonapartismus befreites Frankreich in die europäische Völkerfamilie selbstverständlich zurückkehren sollte und mußte.
Ebensowenig wie ein fanatischer Nationalist war Arndt ein struktureller Antisemit. Nicht zu bestreiten sind seine schriftlichen und mündlichen Äußerungen gegen Juden, die zweifellos zu verurteilen sind. Doch belegen seine Aussagen auch, daß es sich in erster Linie um eine religiöse und keine rassische Motivation handelte. Ein zum Christentum konvertierter Jude war für Arndt ein Deutscher wie jeder andere. Dies soll allerdings Arndts Judenkritik nicht leugnen oder beschönigen, allerdings klarstellen, daß sie über das im Zeitgeist übliche Maß keineswegs hinaushing. Arndt zum Vorläufer und Stichwortgeber des rassisch motivierten, nationalsozialistischen Antisemitismus stempeln zu wollen, geht aber eindeutig in Leere.
Schon Arndts christlicher Glaube schützte ihn davor, anderen Menschen ihre von Gott gegebene unveräußerliche Würde abzusprechen, ebenso, wie die aus dieser Würde ausfließende Freiheit. Das Christentum schützte Arndt auch vor jeder Form von überzogenem oder gar „religiösem“ Nationalismus. Aber es reicht heute eben schon aus, Patriot zu sein, um ein für alle Mal verfemt zu werden.
Als Vorwand für eine Verfemung dürfte heute wohl auch Arndts Rußland-Affinität dienen. Wie beschrieben, hatte Arndt den Reichsfreiherrn vom Stein 1812 als Sekretär in das Zarenreich begleitet. Nicht nur, daß in Rußland viele der bedeutenden Gedichte Arndts entstanden, setzte sich der Rügener in Wort und Schrift auch vehement für das Bündnis Rußlands mit Preußen im Kampf gegen die französische Fremdherrschaft ein. Ganz im Sinne der Ideale der „Heiligen Allianz“ von 1815 begriff Arndt Europa als christliche Völkerfamilie, die den antichristlichen und totalitären Ideologien der Französischen Revolution vereint entgegentreten müßten. Daß das christlich-orthodoxe Rußland ein Bestandteil dieses Europa sein mußte, stand für Arndt nicht zu Disposition, auch nicht, daß die enge Verbindung Rußlands mit Deutschland über das künftige Schicksal Europas entscheiden müßte.
Sagen sie das heute mal jemandem.
Die Umbenennungen in Deutschland betreffen Straßen und Schulen und nicht zuletzt die altehrwürdige Ernst-Moritz-Arndt-Universität zu Greifswald. Einige Einrichtungen weigern sich noch, den Namen aufzugeben, doch stehen sie unter ständigem Druck seitens der Politik und der Medien.
Die Denkmalstürmerei, die bei weitem nicht nur Arndt trifft, ist Teil des Kulturkampfes, der in den letzten Jahren mit der „Woken“-Bewegung über den Großen Teich zu uns aus den USA herübergeschwappt ist. Sie ist Teil der bei uns alltäglich gewordenen „Cancel-Culture“. Diese Welle trifft alles, was nicht der heutige „politischen Korrektheit“ entspricht. Wahrheit und historische Tatsachen spielen dabei keine Rolle. Das ist weder demokratisch noch freiheitlich, sondern totalitär und tyrannisch.
Was hat uns gerade heute Arndt wieder zu sagen?
Deutschland ist kein freies, souveränes Land. Deutschland ist weiterhin ein besetztes Land. Wie besetzt, das haben wir gerade im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg erfahren, in den Deutschland hineingezogen wurde, obwohl er uns nichts angeht. In der Ukraine wird ein Stellvertreterkrieg zwischen den Großmächten USA und Rußland (mit China im Hintergrund) ausgefochten. Deutsche Interessen sind dort nicht zu finden. Unsere Freiheit wird dort ganz bestimmt nicht verteidigt. Im Gegenteil, die Sanktionspolitik gegen Rußland, von den USA angeordnet, hat unsere Wirtschaft schwer getroffen, während es die russische kaum geschwächt hat. Kritik daran ist nicht erlaubt. Im Gegenteil hat so mancher Kritiker der deutschen Ukraine-Politik es bereits mit dem Staatsanwalt zu tun bekommen.
Die Covid-Plandemie hat in Deutschland einen bisher nicht gekannten Abbau der demokratische Freiheiten gebracht, nicht zuletzt der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Menschen, die ihr Freiheitsrecht auf körperliche Unversehrtheit wahrgenommen haben, wurden diffamiert und verfolgt. Ebenso erging es Kritikern der Corona-Maßnahmen und der Covid-Impfungen. Sie wurden als Verschwörungstheoretiker beschimpft; heute zeigt sich, daß sie meistens Recht hatten.
Von den Machtinteressen der Herrschenden abweichende Meinungen werden zunehmend unterdrückt. So geschehen durch den umstrittenen neuen Gummiparagraphen 188 im Strafgesetzbuch, den manche kritische Juristen als den Versuch ansehen, Regierungskritik zu kriminalisieren. Eine gefährliche Entwicklung! Von der fortschreitenden Zensur in den sozialen Netzwerken des Internets gar nicht zu reden.
Es gibt also Gründe genug, sich in unserem Lande wieder vehement für die Freiheit einzusetzen und für sie zu kämpfen, wie es Ernst-Moritz-Arndt zu seiner Zeit gegen Tyrannei, Unterdrückung und Zensur getan hat. Er tat es, wie viele andere, ohne Rücksicht auf persönliche Nachteile. Und das wichtigste ist, am Ende hat sich dieser Kampf gelohnt.
Lesen wir also wieder Arndts Schriften. Tragen seine Gedichte vor und singen seine Lieder. Gedenken wir seines Lebens und seines Werkes! In diesem Sinne rufe ich Ihnen mit den Worten des großen Deutschen Ernst-Moritz-Arndt zu:
„Rückt dichter in der heil´gen Runde
und klingt den letzten Jubelklang!
Von Herz zu Herz, von Mund zu Munde
erbrause freudig der Gesang!
Das Wort, das unsern Bund geschürzet
das Heil, das uns kein Teufel raubt
und kein Tyrannentrug uns kürzet
das sei gehalten und geglaubt!“