von Willy Wimmer
Es soll niemand sagen, das Wochenende vom 14. Juni 2024 sei ereignislos verlaufen. Mitnichten, wie sich am Besuch des Papstes beim G7 Treffen im italienischen Apulien gezeigt hat. Der Papst traf die weltlichen Regenten aus verschiedenen Staaten und hatte etwas im Gepäck, das ihn zumindest von den erklärten Äußerungen der G7-Potentaten unterschied: seine Haltung zum Krieg in der Ukraine.
Seit seiner Fatima-Rede aus dem Frühjahr 2022 ist seine abgewogene Haltung zum Mißvergnügen der G7 und dem Respekt der BRICS-Community bekannt. Der Papst traf sich in Apulien mit US-Präsident Joe Biden unter vier Augen. Es ist nicht bekannt, daß der Papst nach diesem Gespräch mit einer anderen Meinung zum Krieg wieder nach Rom zurückgekehrt sei als der Meinung, die er auf der Fahrt nach Apulien zur Kenntnis der ganzen Welt hatte. Das muß auch die Sicht jener BRICS-Vertreter gewesen sein, die beim G7 -Treffen mit am Tisch gesessen haben.
Der deutsche Bundeskanzler hat sich an diesem Wochenende vernehmen lassen, daß ohne Russland gleichberechtigt am Tisch zu haben, Treffen keinen Sinn haben, wenn es um die Beendigung des Krieges gehen sollte. Warum soll man ihm nicht zustimmen? Für ihn und die anderen Vertreter der G7 wäre es allerdings von Nöten, die Ansicht des Papstes zum Krieg und seine Beendigung zum Maßstab ihres Handelns zu machen. Apulien, das Land des römisch-deutschen Kaisers Friedrich II, hat der versammelten Welt gezeigt, daß nur in der Haltung des Papstes der Weg zum Frieden beschritten werden kann.
Die G7 haben geschwiegen und die Vertreter von BRICS haben nicht widersprochen, jedenfalls beim Melloni-Gipfel in Apulien nicht. Es liegt jetzt in der Verantwortung der G7, die Konsequenzen aus der Haltung des Papstes dann zu ziehen, wenn ihre Betonung des Friedens in Europa nicht reines Wortgeklingel sein sollte.
Daran ändert auch die Begegnung in Sachen Ukraine auf dem Bürgenstock in der Schweiz nichts. Von Anfang an hatte man den Eindruck, daß ausgerechnet das „Land der guten Dienste“, die Schweiz, genötigt werden sollte, ihrer jahrhundertelangen Tradition als neutraler Staat abzuschwören. Anders kann man nicht erklären, warum Parteinahme plötzlich Markenzeichen der Schweiz sein sollte? Steht der „Bürgenstock“ nicht für den Versuch, global im Interesse der USA Regelungen zur Beendigung eines Konfliktes ohne die gegnerische Partei durchzusetzen, gleichsam in Fortentwicklung von „Versailles“, das auch nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum nächsten Krieg sein sollte. Zugleich war „Versailles“ die leider erfolgreiche Abkehr von dem europäischen Grundsatz des „Wiener Kongresses“, die Kriegsparteien gleichberechtigt um einen Tisch zu versammeln, um Frieden zu ermöglichen.
„Bürgenstock“ steht für willkürlichen und friedensfeindlichen „Durchmarsch“ derjenigen, die sich für die Größten halten. Die Worte von Helmut Kohl zu dieser Haltung hallen dröhnend nach. Das sollten sich auch diejenigen merken, denen das Wort „unprovoziert“ leichtfertig über die Lippen kommt. Noch kann man sich an die Geschichte seit dem Ende des Kalten Krieges erinnern.