USA und NATO stellen Europa auf einen großen Krieg ein. In Deutschland läuft eine seit 1945 ungekannte Militarisierungswelle mit Aufrüstung, Kriegspropaganda und einem geheimen „Operationsplan“. Ähnlich läuft es in den anderen Ländern der EU. Schweden und Finnland haben, ohne ihre Bürger zu befragen, ihre Neutralität über Bord geworfen und stationieren erste US-Truppen. Es winken gigantische Profite für den globalen militärisch-industriellen Komplex. Jetzt wackelt auch das Urgestein der Neutralität, die Schweiz. Laut Medienberichten wird die Schweizer Regierung bald eine erste NATO-Vertretung in Genf zulassen. Konservative laufen deshalb zwar Sturm in der Eidgenossenschaft, aber ob sich die Eingliederung ihres Landes in die Kriegsphalanx des Westens verhindern lassen wird, ist zweifelhaft.
Alfred de Zayas, renommierter Völkerrechtsprofessor und ehemaliger unabhängiger Uno-Experte für die internationale Ordnung, selbst Inhaber der Schweizer Staatsbürgerschaft, hat nun einen warnenden Brandbrief an die Spitzen der Schweizer Politik geschockt, den wir im Folgenden wiedergeben.
Sehr geehrte Frau Bundespräsidentin Frau Viola Amherd, sehr geehrter Herr Bundesrat und Außenminister Herr Ignazio Cassis,
der Vorschlag, in Genf ein Verbindungsbüro der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) einzurichten, wäre ein schlechter Rat. Die Schweiz wurde seit dem Wiener Kongress im Jahr 1815[1] zu einem neutralen Land. Ihr wohlverdienter Ruf als verantwortungsvoller Staat und ehrlicher Makler steht jetzt auf dem Spiel. Die Idee, dieses Verbindungsbüro im Maison de la Paix – im Haus des Friedens – einzurichten, stellt eine Beleidigung für alle Schweizer Bürger und alle UNO-Beamten, die sich seriös für den Weltfrieden einsetzen [2], dar.
Ein solcher Vorschlag kann nur als Orwell’sches Oxymoron (Widerspruch in sich) bzw. als Parodie auf ein Friedenskonzept angesehen werden. Die Schweizer Bevölkerung hat nie über so eine Annäherung an die NATO abgestimmt. Persönlich bin ich als „Neu-Schweizer seit 2017″ beunruhigt: Meine Sorge und die vieler anderer neu Eingebürgerter ist, dass die Schweiz ihren neutralen Status ernsthaft aufs Spiel setzt, wie es bereits beim unklugen „Gipfel für den Frieden in der Ukraine” [3] am 15. und 16. Juni 2024 auf dem Bürgenstock geschehen ist: Das war kein ernsthafter Versuch einer Friedensverhandlung, um tragfähige Lösungen für reale Probleme zu finden, vielmehr leider nur ein Propagandaspektakel im Namen von NATO und ihrer Vasallen[4]. Es war noch weniger als nutzlos – es war schlicht kontraproduktiv.
Seit der Auflösung des Warschauer Paktes im Jahr 1991[5] kann die NATO nicht mehr vorgaukeln, ein legitimes Verteidigungsbündnis darzustellen. Das Bündnis ist zu einer Organisation für Krieg und Kriegstreiberei verkommen. Tatsache ist, dass die NATO versucht, die Funktionen der Vereinten Nationen zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu usurpieren, was jedoch gemäß Kapitel VII der UN-Charta unter ausschließliche Domäne nur der UNO fällt. Als regionale Organisation fällt die NATO nicht unter Artikel 52 der UN-Charta, da sie weit entfernt von den in Artikel 1 und 2 der Charta niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, in einer Weise handelt, die im Widerspruch zu den Zielen der Vereinten Nationen steht.
Seit 1997 ist die NATO eine Organisation, die systematisch andere Staaten provoziert und damit eklatant gegen Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charta verstößt, der nicht nur die „Anwendung von Gewalt”, sondern auch die Androhung von Gewalt verbietet. Zweifelsohne stellt jede NATO-Erweiterung eine Bedrohung für die Sicherheit anderer Staaten dar. Über die letzten 30 Jahren haben wir mit wachsender Sorge die Implementierung der NATO-Strategie zur Einkreisung anderer Staaten mitansehen müssen. Das stellt eine vorsätzliche Provokation und Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Sinne von Artikel 39 der UN-Charta, dar.
In jüngster Zeit hat die megalomanische (größenwahnsinnige) Idee der NATO, sich auf den asiatisch-pazifischen Raum auszudehnen, die bereits angespannte Lage in dieser Region verschärft. In einem sehr realen Sinn hat sich NATO seit 1999 zu einer „kriminellen Organisation” gemäß Artikel 9 und 10 des Statuts des Nürnberger Militärgerichtshofs (Londoner Abkommen vom 8. August 1945)[6] und des Nürnberger Urteils von 1946 entwickelt. Es gibt solide Berichte und wissenschaftliche Studien, die zuverlässig die traurige Tatsache dokumentieren, dass NATO-Streitkräfte Verbrechen gegen den Frieden (Art. 6a, Nürnberger Statut), Kriegsverbrechen (Art. 6b) und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 6c) begangen haben.
Die Nato hat diese Verbrechen u.a. bisher in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien etc., völlig ungestraft, begangen. Aus diesem Grunde sollte der Internationale Strafgerichtshof gemäß Artikel 5, 6, 7 und 8 des Römischen Statuts Ermittlungen gegen die verantwortlichen Politiker und Militärs der Nato einleiten lassen.
Als ehemaliger hoher Beamter des Amtes des Hochkommissars für Menschenrechte, Sekretär des Menschenrechtsausschusses und Leiter der Petitionsabteilung sowie als ehemaliger unabhängiger Experte des Menschenrechtsrates für die internationale Ordnung bin ich erstaunt, auf welch‘ schlüpfriges Terrain sich die Schweiz mit ihrem „Kuschel-Kurs” gegenüber NATO eingelassen hat. Dies ist nichts weniger als eine ethische und rechtliche Verirrung.
Sehr geehrte Bundespräsidentin Viola Amherd, bitte setzen Sie sich mit aller Kraft für die Neutralität der Schweiz ein und stellen Sie die Autorität und Glaubwürdigkeit der Schweiz als Friedensvermittlerin wieder her. Weitere Informationen zu den rechtlichen und historischen Fragen finden Sie in meiner Trilogie über Menschenrechte: CLARITY PRESS, Inc. und Mr. Alfred-Maurice de Zayas, former Independent Expert (2012-2018)
Hochachtungsvoll,
Prof. Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas, Genfer Schule für Diplomatie
Mitglied des Beirats des Internationalen Friedensforschungsinstituts Genf