Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Netzseite der Wiener Akademie „Europa Aeterna“.
„Gerechtigkeit ist ein irrationales Ideal. So unentbehrlich es für das Wollen und Handeln des Menschen sein mag, dem Erkennen ist es nicht zugänglich.“1 So lesen wir bei Hans Kelsen, einem der einflußreichsten Rechtstheoretiker der jüngeren Geschichte. Mit seinen soeben zitierten apodiktischen, ja, gleichsam wie in Stein gemeißelten Sätzen, opponiert Kelsen indes gegen das unumstößliche Fundament aller Theorie des Politischen im Abendland, das Aristoteles in die Formulierung gekleidet hat: „Das politisch Gute ist das Gerechte, und dieses ist das, was dem Gemeinschaftlichen zuträglich ist.“2 Wobei Aristoteles und die auf ihn gegründete Tradition selbstverständlich davon ausgeht, daß das Gerechte und somit das politisch Gute der menschlichen Erkenntnis zugänglich ist.
Nun ist das Politische aber vom Juridischen untrennbar, denn Politik ist konkret, und wenn sie sich nicht ins Utopische verliert und dadurch selbst unpolitisch wird, findet sie ihre Konkretisierung im Recht. Worin besteht nun aber wiederum die Konkretheit des Rechts? Die Konkretheit des Rechts besteht – so meine These – in der Konkretisierung eines Ideals, nämlich des Ideals der Gerechtigkeit. Wo das Recht nicht die Gestalt der Konkretisierung des Ideals der Gerechtigkeit annimmt, konkretisiert es lediglich die Gestalt der jeweils herrschenden politischen Machtverhältnisse.
Die Suche nach Gerechtigkeit als Antwort auf die Krise der Gesellschaft
Aristoteles, dem eine Legitimation beliebiger Machtverhältnisse fern lag, antwortet – wie auch schon sein Lehrer Platon – mit seiner politischen Theorie auf eine tiefgreifende Krise der griechischen Kultur. Diese Krise war eingetreten, als man der Tatsache gewahr wurde, daß die Gesellschaftsstruktur und somit auch die Gestalt des Rechts keine gleichsam naturwüchsigen Vorgegebenheiten darstellen, sondern daß sie vielmehr das Ergebnis politischer Entscheidungsprozesse sind. Die Frage nach der angemessenen Gesellschaftsordnung und den sie begründenden Normen kann nämlich unterschiedlich beantwortet werden und verlangt daher nach einer Entscheidung. Die Durchsetzung der getroffenen Entscheidungen gründet sich im gesellschaftlichen Bereich indes auf Autorität. Daher bedurfte der durch die kulturelle Krise in Griechenland eingetretene Autoritätsverlust der Tradition und ihrer Repräsentanten einer Kompensation. Die Infragestellung der sakralen Ordnung und der auf sie gegründeten Sitten verlangte nach einer Neudefinition der politischen Autorität.
Einen naheliegenden Ansatzpunkt für eine derartige Neudefinition bildet die Bezugnahme auf die allen kulturellen und somit auch politischen Erscheinungen zugrundeliegende Natur. Diesen Ansatzpunkt wählten die Sophisten, indem sie das die belebte Natur beherrschende „Recht des Stärkeren“ auf die Gesellschaft übertrugen. Zu herrschen wäre demnach das natürliche Recht des Starken, und positives Recht gründet dann darin, daß es vom Herrscher gesetzt worden ist. Mit diesem Lösungsvorschlag begründeten die Sophisten eine Tradition, in die auch Thomas Hobbes sich einreiht.
Mit seinem berühmten Grundsatz „auctoritas non veritas facit legem“ glaubt Hobbes jede inhaltliche Bewertung des positiven Rechts umgehen zu können und dessen notwendige Funktion als Zwangsordnung durch das formale Verfahren seiner Rückführung auf Autorität sicherstellen zu können. Hobbes Position impliziert die zutreffende Erkenntnis, daß zum Wesen des Recht seine Durchsetzbarkeit gehört. Ein nicht exekutierbares Recht ist kein Recht. Folglich kann Recht nur von einer Autorität gesetzt werden. Damit ist aber die Wahrheitsfrage keineswegs dispensiert, sondern lediglich verschoben. Es muß nämlich geklärt werden, wer die legitime Autorität ist, bzw. wann und wodurch dieselbe unter welchen Bedingungen zur Rechtssetzung legitimiert ist. Diese Frage beantwortet Hobbes durch den Verweis auf die uneingeschränkte Macht des absoluten Staates.
Kein Recht ohne Macht
Ein Recht, das nur auf Macht gegründet ist, löst sich jedoch selbst auf, weil Recht nicht nur Macht verleiht und die Machtverteilung regelt, sondern auch die Machtausübung begrenzt. Nun gehört die Unbegrenztheit der Macht aber zu den Konstitutionsbedingungen des Hobbes Leviatans. Wer aber, wie der Leviatan, die absolute Macht hat, braucht kein Recht, bzw. er kann das Recht jederzeit seinen jeweiligen Zielen anpassen oder auf der Basis (rechtlich abgesicherter) Notverordnungen regieren, was freilich einer Abschaffung des Rechts gleichkommt, weil auf diese Weise ein konstitutives Moment jeglicher Rechtsordnung verlorengeht, nämlich die Rechtssicherheit.
Die einseitige Hervorhebung der Macht führt in letzter Konsequenz zu der Position Nietzsches, für den das Recht nichts weiter darstellt als eine verschlagene Strategie der Schwachen, mit dem Ziel, die Herrschaft über die Starken zu erringen. Auch diese Position wurde bereits von den Sophisten vorgetragen, und so schließt sich hier der Kreis.
Wer indes nicht – wie Nietzsche – das Ziel verfolgt, das menschliche Dasein in eine Sphäre jenseits von Gut und Böse zu transferieren und damit die Axt an die Wurzel des Humanen zu legen, wird zugestehen müssen, daß es keinen einzigen Bereich menschlichen Handelns und Verhaltens gibt, der nicht der sittlichen Bewertung und Normierung zu unterziehen wäre. Dies gilt in ausgezeichneter Weise auch für die Politik und deren Konkretisierung in Gestalt des Rechts. Nun hat sich allerdings – nicht zuletzt unter dem Einfluß Kelsens – die Auffassung verbreitet, daß sich die Rechtswissenschaft jegliche Einmischung von Seiten der Ethik zu verbitten habe, und daß die klassische Rechtsethik daher unter Ideologieverdacht zu stellen sei. Wie ist dieser Einwand zu bewerten?
Was ist das Recht? Eine Kulturerscheinung
Nun, eine derartige Bewertung setzt zunächst die Beantwortung der Frage voraus: Was ist eigentlich Recht? Zunächst einmal – so könnte man beginnen – ist Recht eine Kulturerscheinung. Kulturtheoretisch betrachtet ist Recht das, was – der, ebenso wie Kelsen, aus der Marburger Schule des Neukantianismus stammende – Ernst Cassirer eine „symbolische Form“ nennt. Eine symbolische Form ist ein eigenständiges, eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgendes Kultursegment, das jedoch zu allen übrigen Kultursegmenten in einem Verhältnis konstitutiver Interdependenz steht. Alle symbolischen Formen wie Sprache, Religion, Technik, Kunst, Moral, Ökonomie und eben auch das Recht, stehen – unbeschadet ihrer Eigenständigkeit – zueinander in Relationen wechselseitiger Einflußnahme und Determination. Die Identität einer jeden Kultur ist insofern eine relationale Identität, als sie sich stets aus der Interdependenz der von ihr umfaßten symbolischen Formen ergibt, wobei die Identität der Gesamtkultur wiederum auf die Ausgestaltung der von ihr umfaßten einzelnen symbolischen Formen zurückwirkt.
Eine sich als philosophisch verstehende Rechtslehre wird in ihrem Theorie-Design dieser dialektischen Konstruktion von Kultur Rechnung zu tragen haben. Eine reine Rechtslehre hingegen, die ihre Reinheit dadurch zu wahren versucht, daß sie jegliche Kontamination mit der kulturellen Realität vermeidet, verliert ihren ureigensten Gegenstand aus den Augen. Womit sie es zu tun bekommt, ist dann nicht mehr das Recht als konkrete symbolische Form, sondern eine bestimmten wissenschaftstheoretischen Präsuppositionen geschuldete akademische Abstraktion.
Das Ziel eines jeden Rechts, das seinen Namen verdient, kann aber – wie auch das Ziel aller übrigen Kultursegmente – in nichts anderem bestehen, als in der Ermöglichung des guten Lebens. Die Frage nach den Konzepten guten Lebens fällt aber wiederum in den Zuständigkeitsbereich der Ethik. Daher obliegt die Beurteilung des Rechts letztlich der Rechtsethik (es sei denn, man sieht den Zweck des Rechts in etwas anderem als der Ermöglichung des guten Lebens, was immer das dann auch sein mag).
Kriterium des Rechts: die Wesensnatur
Die Rechtsethik ist so alt wie die Philosophie. Deren Begründer, Platon und Aristoteles, hatten allerdings das Problem, bei ihrer Zurückweisung des sophistischen Naturalismus der Macht ein Kriterium finden zu müssen, auf das sie sich stützen konnten. Und sie wählen – scheinbar den Sophisten folgend – die Natur als Kriterium. Jedoch führten sie in den Naturbegriff eine Distinktion ein. Sie unterschieden nämlich von Natur als kruder Gegebenheit des Faktischen die Natur als Wesen der Dinge, also als „Natur der Sache“, auf die Johannes Messner in besonderer Weise abhebt. Für diese Natur der Sache führten sie die Begriffe der Idee bzw. der Form ein.
Aber treten wir zunächst einen Schritt zurück und betrachten die Attische Philosophie etwas grundsätzlicher. Lassen Sie uns dabei von folgender Beobachtung ausgehen: Die Wirklichkeit, wie sie uns begegnet, weist eine große Bandbreite an Variationen und somit eine große Vielfalt auf. Angesichts dieses Befundes mündete die vorsokratische Philosophie in einen fundamentalen Konflikt. Während Parmenides die Auffassung vertrat, daß die Wirklichkeit eine unwandelbare Einheit sei, während der Eindruck synchroner und diachroner Variabilität auf einer Täuschung beruht, kam Heraklit zu der gegenteiligen Überzeugung, daß die Annahme von Identität eine Täuschung sei, da die Wirklichkeit durch identitätslosen Wandel bestimmt sei.
Metaphysik: Das Eine in der Vielgestaltigkeit
Platon und Aristoteles überwanden diese beiden gleichermaßen kontraintuitiven Positionen dadurch, daß sie eine Möglichkeit fanden, Identität und Variabilität zusammenzudenken, indem sie die Variabilität der Erscheinungen auf ihnen zugrundeliegende invariable Strukturen zurückführten. Das nennt man Metaphysik. Die Wirklichkeit besteht diesem Konzept zufolge – wenn man es in eine musikologische Metapher kleiden will – aus Variationen auf ein ihr zugrundeliegendes thematisches Material. In der prozessualen Entfaltung ihrer Vielgestaltigkeit realisiert die Wirklichkeit jene Möglichkeiten, die eine ihr zugrundeliegende einheitliche Gesamt-Ordnung bereitstellt. Diese Gesamtordnung umfaßt aber nicht nur kategoriale Strukturen, sondern auch die Grundkonzepte aller Dinge. Diese Grundkonzepte nennt Platon Ideen und Aristoteles Formen. Damit aber ist ein Bewertungsmaßstab für alle Aspekte der Wirklichkeit gesetzt.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir alle wissen, was ein Tisch ist. Und wir alle sind dazu in der Lage, einen guten Tisch von einem schlechten zu unterscheiden. Worin besteht der Unterschied? Ein guter Tisch realisiert das – wenn man es so nennen will – Grundkonzept des Tisch-Seins (also die Idee oder Form des Tisches) auf angemessene Weise und ist deshalb brauchbar. Ein schlechter Tisch ist unbrauchbar, weil er dieses Grundkonzept unzureichend realisiert und deshalb seinen Zweck nicht zureichend erfüllt. Es gibt nahezu unendlich viele Möglichkeiten, das allgemeine Konzept des Tisch-Seins in einem konkreten besonderen Tisch zu realisieren. Aber unter diesen Möglichkeiten kann man gute von schlechten unterscheiden. Ein schlechter Tisch, der seine Funktion unzureichend erfüllt, ist allerdings nicht so, wie er sein sollte.
Die griechische Philosophie unterscheidet vom Dasein der Dinge also deren So-Sein, wobei sie das Dasein der Dinge, also ihre Existenz, in ihrem So-Sein, also in ihrem Wesen, begründet sieht. Daher folgt aus dem Sein ein Sollen. Denn das So-Sein der Dinge beinhaltet Anweisungen für die konkrete Ausgestaltung ihres Daseins. Auch das Dasein des Menschen gründet in seinem So-Sein, also in seinem Wesen. Ferner realisiert der Mensch sein Dasein in einer Welt, die eine spezifische Ordnung aufweist. Die freie Gestaltung des menschlichen Daseins hat zu ihrer Voraussetzung daher die Erkenntnis uns Anerkenntnis des menschlichen Wesens und der Ordnung der Dinge. Freiheit besteht nämlich nicht in der Emanzipation von der Ordnung, sondern in deren virtuoser Beherrschung. Als Beispiel dafür kann uns die Sprache dienen. Die Freiheit meines sprachlichen Ausdrucks nimmt nicht zu, wenn ich mich von den als zwanghaft empfundenen Regeln der Grammatik emanzipiere. Vielmehr hängt die Freiheit meines sprachlichen Ausdrucks davon ab, daß ich mich den Regeln der Sprache unterwerfe und sie virtuos zur Anwendung bringe. Wer sich dem verweigert, verliert unweigerlich die Freiheit seines sprachlichen Ausdrucks und kann nur noch stammeln.
Die Ordnung in der erkennbaren Realität
Wie aber kommt die Ordnung in die Sprache? Seit dem Nominalismus haben viele angenommen, die Ordnung der Sprache gründe in Konventionen, also in Verabredung. Als Argument für diese Annahme wird die Vielzahl unterschiedlicher Sprachen angeführt, die offenbar auf unterschiedliche Verabredungen und Konventionen zurückgehen. Allerdings führt die nominalistische Theorie in einen Zirkelschluß, denn Verabredungen können nur getroffen werden in dem Medium einer bereits vorhandenen Sprache. Indem Verabredung aber Sprache immer schon voraussetzt, kann die Sprache nicht aus der Verabredung hervorgegangen sein. Sprache ist also ein unhintergehbares Faktum menschlicher Existenz.
Darüber hinaus hat der amerikanische Linguist Noam Chomsky den Nachweis geführt, daß allen Sprachen eine sog. „Universalgrammatik“ zugrunde liegt. D.h. alle Sprachen basieren auf einer ihnen gemeinsamen Grundstruktur. Daher sind Sprachen ineinander übersetzbar. Alle Sprachen sind demnach besondere konkrete Realisierungen einer allgemeinen Ordnung des Sprachlichen überhaupt. Eine Sprache, die diese Ordnung nicht realisiert, funktioniert nicht. Es kann also verschiedene Sprachen geben, aber Sprache ist deshalb nicht beliebig.
Ähnlich verhält es sich mit dem Recht. Etwa zur gleichen Zeit, in der man versuchte, die Sprache auf Verabredungen zurückzuführen, glaubte man auch das Recht auf Verabredungen, genauer gesagt auf einen Vertragsschluß zwischen den Rechtssubjekten zurückführen zu können, und glaubte dadurch die Unterschiedlichkeit verschiedener positiver Rechtssysteme erklären zu können. Die Vertragstheorie des Rechts scheitert aber an dem selben Zirkelschluß, an dem bereits die nominalistische Sprachtheorie gescheitert war. Denn so wie Verabredungen Sprache voraussetzen, setzen Vertragsschlüsse Recht voraus, das die Vertragsgeltung regelt. Da jeder Vertragsschluß selbst ein Rechtsakt ist, kann das Recht nicht im Vertrag seinen letzten Grund haben.
Und so wie verschiedene Sprachen, wenn sie ihre Funktion erfüllen sollen, auf eine ihnen gemeinsame Universalgrammatik gegründet sein müssen, so müssen auch alle positiven Rechtssysteme, wenn sie ihre Funktion erfüllen sollen, auf eine ihnen gemeinsame Grundstruktur gegründet sein. Diese Grundstruktur nennt man Naturrecht. Was aber ist die Funktion des Rechts, und was heißt in diesem Zusammenhang Natur?
Der von mir vertretenen Auffassung zufolge besteht die Funktion des Rechts in der Ermöglichung des guten Lebens, wobei der Synchronisierung von Freiheit und Gemeinwohl eine herausragende Bedeutung zukommt. Unter Natur wird hier nicht das krude Vorhandensein der Dinge verstanden, sondern deren Wesen; Natur meint hier die Natur der Sache. Das Kriterium des guten Lebens wiederum bildet die Gerechtigkeit, also ein Zustand, in dem jedem das zukommt, was seinem Wesen, also der Natur der Sache, entspricht, wobei Gleiches als gleich und Ungleiches als ungleich zu behandeln ist. Recht kann also nicht beliebig entworfen werden, sondern es hat sich stets an der jeweiligen Natur der Sache zu orientieren und dadurch der Gerechtigkeit Genüge zu tun.
Das Naturrecht: Ein so soll es sein
Die rechtspositivistische Behauptung der Unmöglichkeit von Naturrecht gründet sich auf das sog. Humesche Gesetz, demzufolge aus dem Sein angeblich kein Sollen folgt. Dieses Gesetz gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, daß wir das wahre So-Sein der Dinge, also die Natur der Sache, nicht zu erkennen vermögen. Und genau diese Auffassung vertrat Hume in seinem für die Neuzeit typischen Mißtrauen in die menschliche Erkenntnis und ihre Reichweite, so daß er zu dem Schluß kommt: „We never take a step beyond our selves“ (woraus freilich folgt, daß Hume keine Aussagen machen dürfte, die nicht Herrn Hume betreffen).
Nun ist der neuzeitliche Skeptizismus aber eine bloße Behauptung, noch dazu eine schwer zu begründende. Denn wieso soll ich jemandem, der mir seine Erkenntnisunfähigkeit gesteht, abnehmen, daß er nun ausgerechnet diese erkannt hat? Oder anders formuliert: Den Satz auszusprechen „Ich weiß, daß ich nichts weiß“ ist nur einer berechtigt, der bereits sehr viel weiß und das auch offen zugibt. Und so kann man sich denn des Verdachts nur schwer entschlagen, daß der Skeptizismus sich – wie schon bei den Sophisten – weniger auf Gründe stützt, denn vielmehr auf Motive.
Indem das Recht im letzten nicht auf Verabredungen in Gestalt von Vertragsschlüssen gegründet werden kann, eröffnet sich mit Bezug auf die Fundierung des Rechts eine letzte Alternative: Entweder gründet sich das Recht auf das Wesen und die Ordnung der Dinge und somit auf die Gerechtigkeit oder aber auf die blanke Macht und verstößt damit gegen sein eigenes Wesen. Mit dem Christentum, das den Erkenntnisoptimismus der attischen Philosophie in vollem Umfang teilt, verbindet sich ein ebenso komplexes wie kohärentes Gottes- und Weltbild, aus dem sich eine Naturrechtskonzeption ableiten läßt, die wahrhaft dem guten Leben dient.
So: An dieser Stelle müßte der Beitrag zur Thematik nun beginnen. Aber keine Sorge! Er endet hier und zwar mit einer Stellungnahme eines Autors, der bereits eine halbes Jahrtausend vor Christus gelebt hat, und der eine Grundüberzeugung zum Ausdruck bringt, der die fast alle Zeiten und Räume geteilt haben, nämlich die Überzeugung vom Bestand einer göttlichen Weltregierung; „Nähren sich doch“, so Heraklit, „alle menschlichen Gesetze von dem einen, göttlichen; denn dieses gebietet, soweit es nur will, und reicht für alle (und alles) und ist sogar noch darüber.“3
von Thomas Stark (Bayern)