Vom langen Marsch deutscher Rechtsparteien

(Dieser Beitrag erschien gedruckt in „Zur Zeit“ Nr. 41/2024)

„Intoleranz gegen Konservative und der politischen Rechten!“ (Marcuse)

von Bernd Kallina

Deutschland im Herbst 2024: Die Parole „Verbietet die AfD!“ wird wieder laut. Der ewige Kampf gegen „Rechts“ hat – erneut und verstärkt – in deutschen Landen Hochkonjunktur. Und das, zeitgeschichtlich genau betrachtet, schon seit Jahrzehnten. Angesichts der aufgeregten Verbotsforderungen könnte bei unbedarften Beobachtern der Eindruck entstehen, dass in Deutschland ein neues 1933 vor der Tür stünde. Eine furchterregende Machtübernahme von neuen Nationalsozialisten! Per Initiative des CDU-Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz, begleitet von weiteren Abgeordneten der Union, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der kommunistischen Linkspartei, drängen die Politiker darauf, zukünftig die erfolgreichste Rechtspartei in der Geschichte der BRD auszuschalten: die „Alternative für Deutschland“ (AfD). Zuletzt erreichte sie bei den Landtagswahlen in Thüringen einen Stimmenanteil von 32,8 Prozent und wurde damit stärkste Partei des Landes.

Ausgangslage: Die Jahre 1945 bis 1949: All das lässt aufhorchen und sowohl an das Kriegsende von 1945 denken, als auch an die folgenden Jahre bis zur Gründung der Bundesrepublik. Rückblick auf einen Tagesbefehl des britischen Oberkommandierenden Feldmarschall Montgomery vom 25. März 1945: „Bloße Kapitulation bedeutet noch nicht Frieden. Der Einfluss der Nazis hat alles durchdrungen, selbst die Kirche und die Schulen. Die Besetzung Deutschlands ist ein Kriegsakt, dessen oberstes Ziel die Vernichtung des Nazisystems ist.“ Weiter im Tagesbefehl: „Das vorige Mal gewannen wir den Krieg, aber wir ließen uns den Frieden aus den Händen gleiten. Diesmal dürfen wir nicht nachlassen. Wir müssen den Krieg und den Frieden gewinnen.“ (Archiv der Gegenwart, 25. März1945)

Diese Leitgedanken Montgomerys mit ihren politisch-operativen Konsequenzen im Nachkriegs-Deutschland hatten bestimmenden Einfluss auf den Fortgang der Ereignisse. Sie betrafen neben der Wiederzulassung von meinungsbildenden Massenmedien durch alliierte Besatzungsbehörden, Stichwort Presselizenzen, auch die Kontrollverfahren zur Gründung bzw. Wiederzulassung von Parteien. Die erfolgreichen Startparteien hießen CDU/CSU, SPD und FDP. Die rechte „Deutsche Partei“, von den Briten lizensiert, nahm eine Ausnahmerolle als norddeutsche Regionalpartei ein. Sie stellte sogar in Niedersachsen einen Ministerpräsidenten und war in den 1950er Jahren über Direktmandate im Bundestag vertreten sowie Koalitionspartner der Union. Konrad Adenauer brauchte sie als Mehrheitsbeschaffer für sein Kabinett.

An vielen anderen Versuchen, auch im konservativ-rechten Segment des politischen Spektrums Parteien zu etablieren, hat es nicht gefehlt, die meisten erwiesen sich jedoch als erfolglos. Das hatte eine Reihe von naheliegenden Gründen. Adolf von Thadden, die herausragende Persönlichkeit der deutschen Nachkriegsrechten, schrieb dazu in seinem Buch „Die verfemte Rechte“ (Schütz-Verlag 1984) trefflich: „Angesichts der vorgegebenen Grundstruktur des deutschen Parteienwesens auf antifaschistischer Grundlage war logischerweise für eine rechte, im herkömmlichen sowie üblichen Sinne des Wortes, kein Platz. Dies galt nicht nur für die sowjetische Besatzungszone, sondern für die westlichen Besatzungszonen gleichermaßen.“

Parteigründungen von rechts: Als erste dieser Rechtsparteien entstand 1946 die „Deutsche Reichspartei“, DRP (Bestes Wahlergebnis = 8,1 % bei der Bundestagswahl BTW 1949 in Niedersachsen). Ihr Schwerpunkt lag in Norddeutschland und sie war mit fünf Abgeordneten im ersten Deutschen Bundestag vertreten. Eine Abspaltung in Form der „Sozialistischen Reichspartei“, SRP (Bestes Wahlergebnis = 11 % bei der Landtagswahl LTW 1951 in Niedersachsen) wurde wegen Nähe zum Nationalsozialismus vom Bundesverfassungsgericht 1952 verboten. Pikant: Der SRP-Vorsitzende, Fritz Dorl, war als V-Mann des Verfassungsschutzes für diese Behörde aktiv, gleichfalls der Anwalt im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, Rudolf Aschenauer.

Aber auch wer sich als konservativ-rechte Partei programmatisch zum demokratischen Rechtsstaat bekannte, wie die 1964 gegründete Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NPD (Bestes Wahlergebnis = 9,8 % bei der LTW 1968 in Baden-Württemberg), die Deutsche Volksunion, DVU, gegründet 1971 (Bestes Wahlergebnis = 12,9 % bei der LTW 1998 in Sachsen-Anhalt), die Republikaner, gegründet 1983 (Bestes Wahlergebnis = 10,9 % bei der LTW 1992 in Baden-Württemberg) oder die Alternative für Deutschland, AfD, gegründet 2013 (Bestes Wahlergebnis = 32,8 % bei der LTW 2024 in Thüringen) hatte einen – im Vergleich zu den etablierten Parteien – schweren Stand: Sie alle waren und sind Beobachtungs- und Bearbeitungsobjekte in- und ausländischer Nachrichtendienste mit ausgrenzender Wirkungsdynamik. Hinzu kamen häufige interne Personalquerelen, wobei in vielen Fällen der Eindruck entstand, dass sie – zumindest teilweise – von außen geschürt wurden. Rechte Parteien standen und stehen generell unter andauerndem Verfolgungsdruck in Form von negativer Berichterstattung der Leitmedien, Verbotsdrohungen und entsprechender Verfahren (bei der NPD 2001 und 2013) sowie dem immerwährenden Nazi-Vorwurf.

Skandale, Großaktionen, „Kampf gegen Rechts“ DRP – Die Kölner Synagogen-Schmierereien: Ein national und international aufsehenerregendes Ereignis waren die Kölner Synagogen-Schmierereien: Zwei fragwürdige Mitglieder der DRP, die sich häufig in der DDR aufhielten, beschmierten am 24. Dezember 1959 die neue Kölner Synagoge mit zwei Hakenkreuzen und der Parole: „Deutsche fordern: Juden raus!“. Das war der Supergau im demokratisierten Nachkriegs-Deutschland mit entsprechenden wochenlangen Medienresonanzen, die es durch die Kölner Hassparolen als erwiesen sahen, dass der Ungeist des antisemitischen Nazi-Geistes in der Bundesrepublik munter fortlebte. Eine Fülle von Indizien, die auf eine Regieführung östlicher Geheimdienste hinwiesen, wurden beiseitegeschoben, obwohl die Vorgehensweise haargenau in das nachrichtendienstliche Interventionsmuster von Stasi und KGB passte, das bei vielen anderen Aktionen nachweisbar war. Michael Wolffsohn hat das in seinem Buch „Die Deutschland-Akte“ umfangreich belegen können. Für die DRP hatte der Skandal jedenfalls eine deutliche Bremsung der Aufstiegsentwicklung zur Folge.

NPD – Die Schüsse von Kassel: Neben Krawall-Inszenierungen von links bei Wahlkampfveranstaltungen, die bürgerkriegsähnliche und weit verbreitete Schreckensbilder lieferten, spielten im Bundestagswahlkampf 1969 die „Schüsse von Kassel“ eine entscheidende Rolle beim knapp verfehlten Einzug der NPD in den Bundestag. Die Nationaldemokraten scheiterten mit 4,3 Prozent an der 5-Prozent-Klausel. Zum Ablauf: Als am 16. September, nur wenige Tage vor der Bundestagswahl, ein Personenschützer der NPD seinem Parteivorsitzenden Adolf von Thadden durch einen Schuss in die Luft den Sprung aus einer pogromartigen Demonstrationsmenge in eine (lebens-)rettende Haustür ermöglichte, folgten – ähnlich wie beim Kölner Vorfall – wochenlange Schlagzeilen contra NPD. Motto: Diese Partei ist nicht nur rechtsextrem, sondern sie schießt auch.

Der „Kampf gegen Rechts“ seit 1998: Insbesondere seit Bildung der rot-grünen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder verstärkte sich ein sogenannter „Kampf gegen Rechts“, der sich nicht nur gegen rechte Parteien richtete, sondern auch die zunehmende Skepsis weiter Bevölkerungsteile zur multikulturellen Umgestaltung der deutschen Gesellschaft als rassistisch denunzierte. Einige gewalttätige Übergriffe auf Ausländer lieferten dann den Aufhänger für den Auftakt. Die vielfältig mit Steuermillionen geförderte Großkampagne, die von den Merkel-Regierungen aufgegriffen und verstärkt fortgeführt wurde, dauert bis heute an. Als deren Hauptmerkmale waren und sind erkennbar:

  • Die symbolpolitischen Erscheinungsformen mit Slogans wie: „Gesicht zeigen gegen Rechts!“, „Aufstand der Anständigen“, „Nie wieder Deutschland!“, „Kein Bier für Nazis!“, „Vielfalt statt Einfalt!“, jüngst sogar „Omas gegen Rechts!“;
  • Ein durchgängiger semantischer Betrug durch Gleichsetzung von „rechts“ mit „rechtsextrem“, „rechtsradikal“, „faschistisch“, „nationalsozialistisch“, „nazistisch“ oder „rassistisch“.

Ein Ablenkungsmanöver, denn die Kampagne richtet sich nur vordergründig gegen rechtsextreme und fremdenfeindliche Gewalt. Tatsächlich lenkt sie ab vom Politisch-strategischen Versagen einer völlig verfehlten Einwanderungspolitik deutscher Eliten in Politik und Leitmedien. In Wirklichkeit geht es den Akteuren um eine Dominanz der politisch-kulturellen Hegemonie
eines breiten Linksbündnisses durch Isolierung und Ausgrenzung der demokratischen Rechten, z. B. national-liberaler oder national-konservativer Strömungen und/oder Parteien (z. Zt. die AfD). Ziel war und ist: Die Abkehr vom antitotalitären Konsens der alten Bundesrepublik (contra NS + kommunistischer Ideologeme) und hin zum „Antifaschistischen Konsens“ der Berliner multikulturellen Republik unter Einschluss der kommunistischen Linkspartei und deutschfeindlicher Kräfte aus dem In- und Ausland.

Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD: Es wurde durch eine Initiative des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) 2001 eingeleitet und aus Verfahrensgründen 2003 eingestellt. Es stellte sich nämlich heraus, dass bis in die NPD-Führungsebene der Partei aus Steuergeldern finanzierte V-Leute des Inlandgeheimdienstes ihr Unwesen trieben. Das Gericht konnte nicht mehr unterscheiden, ob das „Belastungsmaterial“ gegen die Partei von der NPD selbst oder von Geheimdienst-Mitarbeitern stammte. Skandalöses Beispiel: Ein den Holocaust plump leugnendes NPD-Plakat flog Anfang 2002 dadurch auf, dass just dieses Wahlplakat unter der presserechtlichen Verantwortung des jahrelang im Solde des VS tätigen V-Manns Udo H. in Umlauf gebracht wurde.

Das zweite Verbotsverfahren gegen die NPD: Ein erneuter Verbotsantrag, diesmal von den deutschen Ländern (ohne Beteiligung der Bundesregierung wie im 1. Verfahren) gestellt, erfolgte 2013 und wurde 2017 vom Karlsruher Verfassungsgericht abgelehnt. Zwar sei es erwiesen, dass die NPD eine „verfassungsfeindliche Gesinnung“ habe, ihr fehle aber das „Potential“, die Demokratie in Deutschland zu beseitigen.

Infiltrationsversuche durch ausländische Geheimdienste: Der ehemalige amerikanische UNO-Beamte, Professor Alfred de Zayas, offenbarte in einem Interview, dass er zweimal von der CIA in den 1980er Jahren ersucht worden war, die seinerzeit maßgebliche Rechtspartei „Die Republikaner“ im Sinne seiner Auftraggeber auszuspionieren. Zayas lehnte höflich ab (Quelle: „Die Deutschen als Zielgruppe: Einflussnahme, Steuerung oder was? Das Einwirken westlicher Nachrichtendienste auf die Bundesrepublik.“ in: Josef Schüßlburner/Hans-Helmut Knütter (Hrg.): „Was der Verfassungsschutz verschweigt“, Institut für Staatspolitik, Schnellroda 2007).

Die „Potsdamer Geheimkonferenz“: Sie war der bisher größte desinformatorische Versuch einer regierungsnahen Propaganda-Organisation namens CORRECTIV, die zurzeit erfolgreichste rechte Oppositionspartei, die AfD, im Wahljahr 2024 zu bekämpfen. Dabei spähten im November 2023 AgitProp-Akteure mit geheimdienstähnlichen Methoden zunächst ein privates Treffen politisch interessierter Patrioten in einer Potsdamer Villa aus. Wenige Wochen später, Anfang Januar 2024, schlug man dann mit einer wohlorchestrierten Desinformations-Kampagne unter dem Label „Geheimplan gegen Deutschland“ los und verbreitete – national und international – u. a. diese Behauptungen + NS-Assoziationen:

  • Dass es sich dabei um ein „Geheimtreffen“ von Rechtsextremisten gehandelt habe.
  • Dass dort ein grundgesetzwidriger Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern ausgearbeitet worden sei.
  • Dass damit ein Angriff auf die Existenz von Menschen entworfen wurde.
  • Zusätzlich wurden von CORRECTIV NS-Assoziationen einer „Wannsee-Konferenz Nr. 2.0“ plakativ hervorgerufen, um Parallelen zur Judenvernichtung im 3. Reich incl. geplanter Massendeportationen zu suggerieren.

Alle Teilnehmer der vermeintlichen „Geheimkonferenz“ bestreiten diese CORRECTIV- Unterstellungen und es wurden bereits mehrere Prozesse gegen deren Berichterstattung gewonnen. Allerdings hängen die desinfomatorischen Inhalte per Endlos-Schleife weiter in den Leitmedien. Motto: „Es bleibt immer etwas hängen!“ Korrekturen und Berichtigungen stehen fast überall aus und niemand weiß, ob und wann sie kommen.

Bernd Kallina war Redakteur beim Deutschlandfunk uns ist stellvertretender Vorsitzender der SWG.

 

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