Orbáns Weg

Der heilige König Stephan I. von Ungarn. Denkmal in Budapest. Foto: Wikipedia.

Von Stephan Ehmke

Victor Orbán hat mit der Bewegung Fidesz sein Land aus dem sozialistischen Atheismus herausgeholt und wieder auf ein christliches Fundament gestellt. Heute hat das Land eine konservative Gesellschaftsordnung, die Gott, Familie und Vaterland in ihrem Mittelpunkt hat.

Genau dies ist es, was den Magyaren und ihrem Präsidenten den Hass der Funktionäre der Europäischen Union eingebracht hat. Die Hetzrede, welche von der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich in Anwesenheit Orbáns im EU-Parlament gehalten wurde, hat dies wieder deutlich gezeigt. Der ungarische Präsident reagierte darauf konsequent und souverän.

Denn Orbán kann zu Recht stolz sein auf das, was er und seine Bewegung in Ungarn geleistet haben. Martin Sellner skizziert in seinem Buch „Regimechange von rechts“ treffend den Weg, der dabei zurückgelegt wurde (Seite 253 ff.). Die Konservativen begannen nämlich „von unten“, indem sie konsequent den vorpolitischen Raum bearbeiteten, wohl wissend, dass seine Übernahme die zwingende Voraussetzung für den Erfolg bei Wahlen war.

„Anders als in z.B. in Tschechien, der Slowakei, Rumänien, die ähnliche postsowjetische Ausgangslagen hatten“, so schreibt Sellner, „dominiert heute in Ungarn eine rechte kulturelle Hegemonie. Sie prägt die Innen- und Außenpolitik des Landes … Als einziger rechter Politiker wirkt Orbán mit seiner politischen Vision einer `illiberalen Demokratie´ auch über das eigene Land hinaus“. Eine Wahlniederlage im Jahre 2000 habe Orbán zum Anlass genommen, so Sellner weiter, den Aufbau eines außerparlamentarischen Widerstandes in Angriff zu nehmen. „Eine patriotische Gegenöffentlichkeit, eine aktivistische Massenbewegung und Gegenkultur entstanden. Vor allem ein Netzwerk an privaten Fernsehsendern und Radiostationen wurde entscheidend für den Aufbau metapolitischer Macht“.

Sellner schildert dann den erfolgreichen Aufbau einer konservativen Gegenkultur in Ungarn. So habe es eine kleine “magyiarische Renaissance” gegeben, in der die altungarische Schrift und Kultur wiederentdeckt wurden. Es gab Kulturfestivals und patriotische Landesversammlungen der Magyaren. Nationale Kulturstätten wie das „Haus Karpatenheimat“ und das Zentrum “Glaube und Heimat” entstanden. Neue nationale Feiertage wurden eingeführt; dazu entstand ein mystischer Kult um die Krone des heiligen ungarischen Königs Stephan I. ebenso, wie eine neue Popularität alter ungarischer Mythen. Auch religiöse Traditionen wie eine berühmte Marienwallfahrt wurden wiederbelebt. Christentum, Volk, Heimat und Nation wurden wieder Begriffe, mit der sich die große Mehrheit der Ungarn identifizieren konnte.

Konservative “Think Tanks” wurden gegründet. An den Universitäten bildete sich eine ungarische “Konservative Revolution”. Der Mythos einer nichtliberalen identitären Demokratie, ein ungarischer Sonderweg gegen die EU, entstand. Konservative ungarische Intellektuelle entfalteten eine enorme Produktivität und untermauerten in zahlreichen Publikationen diese konservative Revolution theoretisch.

Dieser Aufbau dauerte 10 Jahre. 2006 rangen in Ungarn noch zwei Leitideologien um die kulturelle Hegemonie: Orbáns Idee der konservativen Renaissance und illiberalen Demokratie gegen den globalistischen linksliberalen Universalismus. Die Sozialdemokraten gewannen zwar die Wahl, doch metapolitisch waren sie auf dem absteigenden Ast.

Der Skandal um eine öffentlich gewordene Rede des sozialdemokratischen ungarischen Ministerpräsidenten im Jahre 2006 wurde durch die patriotische Bewegung gezielt ausgenutzt, um unter anderem im Rahmen von Massenprotesten die öffentliche Meinung zugunsten der Konservativen zu kippen. Orbáns Protestbewegung führte nun metapolitische Kampagnen wie Feldzüge durch. Es entstand eine Liste mit über 800.000 Kontaktdaten von Fidesz-Mitgliedern die jederzeit gezielt mobilisiert werden konnten.

Gleichzeitig wurde das Narrativ einer fortgesetzten kommunistischen Diktatur durch die Sozialdemokratie verbreitet. Das Ergebnis war, dass sowohl Prominente in der Kultur, als auch wichtige Persönlichkeiten im Bereich der Wirtschaft offen ihre Solidarität mit den Konservativen bekundeten.

Bei den Wahlen im Jahre 2010 zahlte sich diese metapolitische Arbeit aus. Kurz vor der Abstimmung hielt Viktor Orbán in einem Video eine denkwürdige Rede an sein Volk. Er sagte: „Die ungarische Staatlichkeit ist 1100 Jahre alt. Die ungarische Linke ist 100 Jahre alt. Am 11. April wählen wir. Stephan der Heilige oder Béla Kun, das ist hier die Frage! Ich sage: am 11. April wird Stephan der Heilige das Land von Béla Kuhn und seinen Nachfolgern zurückerobern“. Orbans Partei erreichte die absolute Mehrheit im Parlament mit 52,73%.

In Justiz und Verwaltung sowie in den öffentlich-rechtlichen Medien kam es zu einem umfassenden Personalwechsel. Der tiefe linke Staat, der sich aus Überresten der Sowjetherrschaft und linksliberalen Agenten des westlichen Globalismus zusammensetzte, wurde mitsamt der Wurzel entfernt.

In der neuen sogenannten „Oster-Verfassung“ aus dem Jahre 2011 fand sich ein klares Bekenntnis zu Gott, Volk, Vaterland und der heiligen Krone. Die patriotische Erneuerung fand ihren symbolischen Höhepunkt mit der Übertragung der Krone des Heiligen Königs Stephan I. aus einem Museum in die Aula des ungarischen Parlamentes.

Ungarn versteht sich seit 2011 als ethnisch-kulturell definierte Nation. Damit ist impliziert, dass jeder Versuch, dieses ungarische Volk auszutauschen, verfassungswidrig ist.

Die ungarische Bevölkerungspolitik setzte nun alles auf die traditionelle Familie (Mann und Frau – biologisch –, christlich verheiratet, mit eigenen Kindern). Mit Steuererleichterungen und gezielten Förderungen wirkte man dem Geburtenrückgang entgegen, und erstmals nach dem Ende des Kommunismus erholte sich die ungarische Demographie. Eine große Kampagne gegen Abtreibung unterstrich den neuen Kurs. Die Wirtschaftspolitik wurde ebenfalls antiglobalistisch ausgerichtet. Der Ausverkauf ungarischen Landes wurde gestoppt. Globalistische und ausbeuterische Unternehmen wie die des Spekulanten George Soros wurden aus dem Lande verjagt.

Martin Sellner schließt seine Beschreibung des ungarischen Weges mit den Worten: „Es ist nun leicht zu verstehen, warum Orban im Ausland so verhasst ist. Seine Idee ist ein starkes Gegennarrativ zur herrschenden Ideologie in Westeuropa. Die Ungarn wollen sich nicht verbieten lassen, über Werte wie Christentum, Heimat, Nationalstolz, Familie zu reden“.

Heute kann sich Viktor Orbán und seine Fidesz-Bewegung auf den Rückhalt von 3 Vierteln der Bevölkerung stützen. Die beharrliche, auf jahrelange metapolitische Arbeit beruhende, Reconquista des Landes hat zu stabilen politischen konservativen Verhältnissen geführt, die sich von links nur noch schwer revidieren lassen. Umso mehr wird es darauf ankommen, dass Ungarn sich künftig gegen die starke Einflussnahme der Globalisten von außen wehren kann.

Der ungarische Weg kann uneingeschränkt von anderen westlichen Staaten nicht kopiert werden. Es lohnt sich aber, nicht zuletzt in Deutschland, die Strategie und die Taktiken Viktor Orbáns und seiner Fidesz-Bewegung anzuschauen und intensiv zu studieren. Das auch von Martin Sellner in seinem erwähnten Buch beschriebene Grundprinzip der Reconquista, die politische Macht über die Eroberung des metapolitischen Raumes zu erlangen, kann aber universell gelten.

Zu dem im Text erwähnten Buch: Martin Sellner: Regime Change von rechts. Eine strategische Skizze. Verlag Antaios, Schnellroda 2023.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert