Gerd-Klaus Kaltenbrunner – ein Kämpfer für die Einmaligkeit Europas

Dieser Beitrag erschien auf europa-aeterna.org.

Fortschreitende Entchristlichung, Überfremdung, gezielte Flutung mit Migranten und allgemeine Destabilisierung bedrohen unseren Kontinent. Europa befindet sich in einer Phase des nie gekannten Niedergangs. Wer kann das Menetekel allseits wuchernden kulturellen Analphabetismus deuten? Wer kann all die zeitgeistigen Lügengespinste entwirren? Gibt es noch prägende europäische Gestalten?

Es sei hier erinnert an den am 23. 2. 1939 in Wien geborenen und am 12. 4. 2011 in Lörrach verstorbenen Ideenhistoriker, Kulturphilosophen und Polyhistor Gerd-Klaus Kaltenbrunner. Der geistvolle Humanist studierte Rechts-und Staatswissenschaften sowie Philosophie in Wien. Ab 1962 lebte er in der BRD. Als Lektor betreute er verschiedene wissenschaftliche Verlage und gab bei Herder 1974-1988 die vielbeachtete Taschenbuchreihe „Initiative“ heraus. Kaltenbrunner vertrat einen aufgeklärten, wertorientierten, kritischen Konservatismus. Die geistigen Wurzeln Europas, tiefgründige Zusammenhänge und Bedingtheiten spürte er mit unnachahmlicher Gründlichkeit auf. Sein weitverzweigtes Oeuvre zeugt von höchst entwickelter diagnostischer Sensibilität. Kaltenbrunners Denken endet im Schauen und das Schauen im lichtmystischen Gebet.

Vom Geist Europas

Europa, das auf eine mehr als zweitausend Jahre alte Geschichte zurückblickt unterscheidet sich hinsichtlich der historischen Vergangenheit von allen anderen Kontinenten. Wie Leopold Ziegler (1881-1958), ventilierte auch Gerd-Klaus Kaltenbrunner die beschwörende Idee des corpus christianum, der sempiterna civitas. Feinsinnig spürte er die Wurzeln des europäischen Geistes auf, erkannte jedoch klar, dass das Abendland immer mehr der Voraussetzungen einer gottgefälligen Idealgesellschaft entbehrt. Ein bleibendes mystisches Zentrum, das die Welt regiert und innerlich verbindet (man vergleiche hierzu die Augustinische Idee vom Gottesstaat) ist in weite Ferne gerückt.

In der identitätsstiftenden Kraft der christlich abendländischen Kultur verband sich der Gottesglaube Israels mit der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms. Heute allerdings will man Geist und Seele Europas radikal verändern. Das Schwinden der Sakralität, des Wunderbaren, der Ehrfurcht, geht mit einer Entkernung des Christlichen, ja einer lustbetont blasphemischen Verspottung des Heiligen einher. Kaltenbrunner schreibt:

„Das Heilige wird niemals widerlegt, sondern es entzieht sich. Götter werden nicht bewiesen, sondern sie erweisen sich durch ihr Erscheinen.“1

Es drängt sich die Frage auf, wie hat dieser Zeitdiagnostiker auf den Transzendenzschwund reagiert? Ähnlich wie Oswald Spengler, der das Urgefühl des nachdenklich gewordenen Daseins beschreibt, indem er von den numinosen Kräften des Waldhaften spricht:

„Das Waldesrauschen…steht mit seiner geheimen Frage nach dem Woher und Wohin, seinem Versinken des Augenblicks im Ewigen in einer tiefen Beziehung zum Schicksal, zum Gefühl für Geschichte und Dauer, zur faustischen schwermütig-sorgenvollen Richtung der Seele in eine unendlich ferne Zukunft.“2

Askese und der Rückzug in den Wald

In seinem verschwiegenen Haus im Schwarzwald, also in den schwarzen Wäldern, suchte und lebte Kaltenbrunner beispielhaft dieses geschichtsträchtige Dasein, verbunden mit der Überzeugung, dass die abendländische Kultur ohne jahrhundertlang geübte Askese undenkbar ist. Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung gehören zu den Grundlagen jeglicher Ethik.

Der „neue Mensch“, den David Engels u.a. als „philosophischen Zombie“ (Grundlagentext Nr. 2 2024) kennzeichnet, entbehrt jeglicher Bindung. Mitmenschlichkeit, Gemeinschaftssinn und Geschichtsbewusstsein; sie sind für ihn Fremdworte. Die genbasierten Impfung war der Einstieg in jene Welt, in der es keine Seele gibt und keine Freiheit, in der die „Abschaffung des Menschen“ (Lewis) perfekt erfolgt. Medial gesteuert, seines Personseins entkernt, ist der neue glückliche Sklave primär Roboter. Ein gesteuerter Mensch, dessen provokante Arroganz, törichte Selbstgenügsamkeit und ideologische Verblendung in einem „Cyborg-Dasein“ endet. Dieser Zeitgenosse besitzt nichts, ist völlig nutzlos und abhängig von Drogen und Computerspielen. Sehr leicht kann er „entsorgt“ werden.

Die heutige humanitäre Katastrophe im globalen Zeitalter andeutend, schrieb der geschichtsbewusste abendländische Patriot Kaltenbrunner, bereits 1985 weitsichtig:

Jegliche Illusion über die Zukunft des Menschen führt ins Desaster. Das bedeutet, dass der Konservative eine beträchtliche Reihe eigener Traditionen und Tugenden neu bewerten muss (…) das heißt: neue Formen von Anstrengung, Kampf, Heroismus und Askese, die vereinbar sind mit der Berufung des Menschen, die Schöpfung zu bewahren.“3

Kaltenbrunner forderte eine kosmosfreundliche Ethik der Grenze und das Maßes. Man lese hierzu sein immer noch hochaktuelles Bändchen „Elite. Erziehung für den Ernstfall“, in welchem er den Gedanken der „Eukratie“ entwickelt. Sein Traum war es, dem Konservatismus jene metaphysische Tiefendimension zu verleihen, die allein den kulturellen Niedergang und die Übermacht der Unfähigen aufzuhalten vermöchte.

Der Reichtum Europas

Betont sei immer wieder, dass Kaltenbrunner konkurrenzlos in seinen Essays den ideellen, symbolischen und übergeschichtlichen Reichtum Europas nicht nur überschaute, sondern in faszinierender Weise verlebendigte, ja dessen Wurzeln freizulegen verstand. Er pflegte den Dialog mit den Abgeschiedenen („Die Toten sind das größere Heer…. Wir leben aus verborgenem, abgelebt scheinendem Leben“). War er in seinen frühen Jahren noch bestrebt „den Zeitgeist zu lenken“, so erkannte er zunehmend, dass die größte Gefahr für das Abendland und für die Wiederbelebung des Geschichtsbewusstseins, von den Halbintellektuellen und Viertelgebildeten – und heute kann man getrost hinzufügen vom kriegslüsternen homo demens – ausgeht. Links-grün-woke bemäntelt, versagen die Regulative alter Zeit, Kirche und Staat, völlig. In diesem Zusammenhang sei auf einen interessanten Gedanken des Präsidenten der Paneuropa-Union, Bernd Posselt, verwiesen. Er schreibt:

„Um das vereinte Europa zu spalten und zu schwächen, fördert der Kreml-Chef linke wie rechte Nationalisten, enttäuschte Christen und instrumentalisierbare Gegner des christlichen Glaubens, Anarchisten und Verfechter eines starken Staates, Islamisten und solche, die Angst vor Muslimen haben.“4

Perfide Doppelzüngigkeiten und Geheimdienststrategien zielen auf die Vernichtung eines nicht mehr funktionsfähigen Europas, auf einen Kontinent zwischen Scilla und Charybdis. Die tieferen Ursachen dieser „Verrottung“ sah Kaltenbrunner auch in der tödlich bedrohten Identität der Familie, im Abtreibungs- und Euthanasiewahn und der totalitären Ideologie des Gender-Mainstreams. Bereits 1987 schreibt er im Vorwort zu dem Bändchen „Mutterschaft“ (Initiative 70) in welchem er vor dem Trugbild feministischer Endzeiterwartung warnt:

„Matriarchat ist etwas ganz anderes als Feminismus. Mutterherrschaft und Muttermacht verheißen alles andere als ein Schlaraffenleben für häterische Emanzen oder Sterilitätsapostel. Feminismus, so will mir scheinen, ist Fastnacht, Fasching oder Karneval. Matriarchat hingegen ist Aschermittwoch, Ernüchterung, Rechnen mit den Beständen, Primat häuslicher Vernunft.“

Der zweite Band seiner Europa-Trilogie „Vom Geist Europas“ trägt den Untertitel Mutterland Abendland. Gegen die Verdrängung des Weiblichen, ja zielend auf eine androgyne Erotologie setzt Kaltenbrunner jene Maßstäbe, die im Sinne Franz von Baaders eine Reintegration des Menschen bewirken würden:

„Der Mann soll dem Weibe behilflich sein, sich von ihrer Weibheit als Urganzheit zu befreien, so wie das Weib dem Manne, damit in beiden das ganze Urbild der Menschheit wieder innerlich aufgehe, und damit beide aus Halbmenschen … wieder ganze Menschen werden, d. i. Christen, denn die Ausdrücke: ein Christ geworden zu sein, wiedergeboren sein und die Integrität seiner menschlichen Natur wieder erlangt zu haben, sind Synonyme.“5

Christentum und Heiligung

Jene Religionsstarre, in welcher sich Europa befindet wird zur Schicksalsfrage des Kontinentes. Die Entchristlichung dieses Erdteils ist symptomatisch für die Entgöttlichung der Welt. Wir müssen zurück zur Religion. Wird es eine Wiederverchristlichung geben und vor allem, wie kann man sich eine solche vorstellen?

Kaltenbrunner glaubte an diese Möglichkeit. Immer wieder wies er auf die weiblich-mütterlichen Erscheinungsweisen des Göttlichen hin, auf eine sophianisch geprägte kirchliche Zukunft, die fern aller „patriarchalischen“ Verkürzungen im Zeichen des Heiligen Geistes kulminiert. Es wird eine kleine Herde sein und sie wird die „Mauerkirchen“ (Böhme) überwunden haben. Den Plan, seine Vorstellungen in zwei Werken ausführlich darzustellen, durchkreuzte der allzu frühe Tod des großen Kulturphilosophen. Den Weg der Um- und Neuorientierung, aber und die Neugestaltung, ja den symphonischen Zusammenklang im Raum des Heiligen, erachtete er als zukunftsträchtig:

Ein höheres Leben bedarf eines höheren Wissens. Aber auch das höhere Leben vernichtet nicht das niedrigere. Vielmehr erhebt es sich auf dessen geläuterter und lichtreicher Gestaltung.“6

von Magdalena Gmehling (Bayern)

  1. Gerd-Klaus Kaltenbrunner: Johannes ist sein Name. Priesterkönig Gralshüter Traumgestalt, Die Graue Edition, 1993, S. 170. ↩︎
  2. Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes, CH Beck, 1959,. S. 200 ↩︎
  3. Gerd-Klaus Kaltenbrunner: Wege der Weltbewahrung, Mut-Verlag, 1985, S. 11. ↩︎
  4. Tagespost vom 19. September 2024 S. 3. ↩︎
  5. Franz von Baader: Erotische Philosophie, S.115 (Hrsg. G.-K. Kaltenbrunner. Insel-Verlag), 1991. ↩︎
  6. Dionysius vom Areopag: Der Unergründliche. Die Engel und das Eine, Die Graue Edition, 1996, S. 197. ↩︎

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert