Klaus von Dohnanyi, „Nationale Interessen – Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche, Siedler-Verlag München 2025, 299 Seiten, 26.00 Euro.
Bereits im DJ-Heft (1/2022) konnten wir auf eine wichtige Buchneuerscheinung hinweisen, jene des renommierten Sozialdemokraten Klaus von Dohnanyi über „Nationale Interessen“.
Der Ukraine-Russlandkrieg war gerade ausgebrochen und seine Entwicklung zum damaligen Zeitpunkt nur bedingt abschätzbar. Jetzt hat der Autor in einer aktualisierten Neuauflage, die vor allem auf „Die Folgen des Ukraine-Krieges und die Zukunft Europas“ eingeht, sich nochmals mit einer die Problematik vertiefenden Schrift zu Wort gemeldet. Seine schlussfolgernden Ausführungen sind besonders hervorzuheben, weil Dohnanyi von realistischen Vorstellungen über hierbei ausschlaggebende „Bedingungen für Frieden“ ausgeht und zwar so:
„Es ist anzunehmen, dass Europa nicht in der Lage sein wird, die USA in vollem Umfang zu ersetzen. Zugleich erwarte ich jedoch, dass Präsident Trump weiterhin entschlossen ist, den Ukraine-Krieg durch eine Vereinbarung mit der Russischen Föderation zu beenden. Die Bedingungen hierfür, soweit sie heute erkennbar sind (Stand: Anfang Mai 2025), scheinen mir die folgenden zu sein.
Keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine
Erstens: Die Ukraine wird nicht in die NATO aufgenommen.
Zweitens: Ein Waffenstillstand oder die Umrisse eines Friedensvertrages zwischen der Ukraine und Russischen Föderation werden zunächst keine Herausgabe russisch eroberten ukrainischen Geländes an die Ukraine enthalten. Krim und Donbass bleiben in russischer Hand.
Drittens: Ein Waffenstillstand oder die Umrisse eines Friedensvertrages müssen von russischer und amerikanischer Seite garantiert werden, auch wenn die USA gegenwärtig versuchen, einer solchen Verpflichtung auszuweichen.
Viertens: Eine Aufsicht über die Einhaltung der Vereinbarungen eines Waffenstillstandsabkommens oder Friedensvertrages muss durch dritte Staaten, am besten durch Mitglieder der Vereinten Nationen, erfolgen. Europa oder die EU sind dafür nicht geeignet, da es sich dann in der Regel um NATO-Mitglieder handeln würde.
Fünftens: Die zukünftige internationale Rolle der Ukraine wird vermutlich sowohl Merkmale der Unabhängigkeit und Souveränität enthalten als auch Begrenzungen möglicher Bündniszugehörigkeiten.
Sechstens: Europa wird diese Bedingungen annehmen müssen und wiederum auch nicht ohne US-amerikanische Unterstützung (backstop) verwirklichen können.“
Fazit: Hier spricht – im besten Sinne des Wortes – ein „alter weiser Staatsmann“ mit jahrzehntelanger Lebenserfahrung in Realpolitik Klartext. Das Buch ist uneingeschränkt zu empfehlen, zumal es auch die in der Erstauflage schon thematisierten generellen Gesichtspunkte über die deutsche und europäische Lage in erweiterter Form anschaulich erläutert.
Bernd Kallina