Die Erklärung von Friedrich Merz in Bezug auf den Ukraine-Krieg während der letzten Bundestagsdebatte, „Die Mittel der Diplomatie“ seien ausgeschöpft, stellt eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland dar. Krieg wird damit vom amtierenden Bundeskanzler genau 80 Jahre nach Ende der größten Niederlage Deutschlands in einem militärischen Konflikt wieder als Mittel der Politik offiziell anerkannt. Damit verlässt die Bundesregierung den Boden des Grundgesetzes, das Deutschland eine friedfertige Politik vorschreibt.
Gleichzeitig erklärt Merz sich zum Führer in der EU und in der NATO. Er sagte: „Ich übernehme die Führungsverantwortung, die ein deutscher Bundeskanzler nach meinem Verständnis hat und die Europa von uns erwartet“. Auch in der NATO habe er zusammen mit dem Bundesaußenminister und dem Bundesverteidigungsminister Führungsverantwortung übernommen.
Die Erhöhung der Rüstungsausgaben mit dem Beschluss der NATO, das Kriegsbudget der Mitgliedsländer auf 5% des BIP zu erhöhen, verteidigte Merz ebenso. Noch vor wenigen Tagen hatte er erklärt, dass eine finanzielle Entlastung der Bundesbürger nicht möglich sei, da „wir kein Geld ausgeben können, das wir nicht haben“. Gleichzeitig sind die nächsten Milliarden an Schulden für Waffenkäufe schon beschlossene Sache. So erklärte die Bundesregierung, dass 3500 Panzer neu gekauft werden sollten. Die NATO hatte Deutschland außerdem aufgefordert, 60.000 Soldaten zusätzlich zu rekrutieren, mit denen sieben neue Kampfbrigaden aufgestellt werden könnten.
In Deutschland wird also der Kriegswirtschaft immer mehr Raum eingeräumt, während der Mittelstand zum Tode verurteilt wird. Die Rüstungskonzerne jubeln, ebenso wie ihre Lobbyisten in der Politik. Die Militarisierung der Gesellschaft schreitet voran. Die Systemmedien überschlagen sich in Kriegsbegeisterung. An Schulen und Universitäten soll verstärkt Nachwuchs für die Streitkräfte geworben werden. Das Land Bayern kann neuerdings per Gesetz Schulen sogar dazu zwingen, Bundeswehrwerber in den Unterricht zu lassen. Bei öffentlichen Vorführungen werden Kinder wieder mit Waffen spielen. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht (gesprochen wird von einer Dauer von zwei Jahren) ist ohnehin beschlossene Sache.
Russland bedroht Deutschland und die NATO nicht. Im Gegenteil hat die NATO seit 1990 – entgegen ihren Versprechungen – kontinuierlich ein Bedrohungsszenario gegen Russland aufgebaut. Die Behauptung von Friedrich Merz, Russland werde ein absehbarer Zeit NATO-Länder angreifen, sind vollkommen aus der Luft gegriffen. Kein unabhängiger (d.h. nicht staatsbezahlter) Militär- und Politikexperte teilt diese Auffassung. Der Westen hat unter Leitung der USA Russland jahrzehntelang provoziert. Die Ukraine wurde zu einem schwerbewaffneten Flugzeugträger gegen Russland aufgebaut. Seit dem vom Westen initiierten Kiewer Putsch von 2014, mit dem eine neonazistische Regierung installiert wurde, hat die Ukraine in den mehrheitlich russisch besiedelten Gebieten des Donbass 14.000 Zivilisten getötet. Vor dem Ausbruch des Krieges hat der Westen Russland bewusst in Verhandlungen getäuscht.
Der gefährliche außenpolitische Kurs Deutschlands beschwört die Gefahr eines gesamteuropäischen Krieges, vielleicht eines Weltkrieges herauf. Die Kriegsrhetorik des Herrn Merz der vergangenen Tage und Wochen hat diese Gefahr noch verschärft. Den Höhepunkt bildet seine jetzige, klar verfassungswidrige Absage an die Diplomatie. Es ist erschütternd, dass die Masse der Deutschen weiterhin im Schlaf der Unwissenden dahindämmert und alles mitmacht.
Karl M. Richter

