„Correctiv“ agiert wie ein privater Geheimdienst

Dieser Beitrag erscheint in „Zur Zeit“ 19/2025.

Oppositionsbekämpfung mit Steuergeldern: Wie links-grüne NGOs Regierungspolitik befördern – Ex-Verfassungsschutz- Präsident Hans-Georg Maaßen im Interview. 

Sie nennen sich „Nichtregierungsorganisationen“ (NGOs), werden aber in ihrer Vielzahl hauptsächlich für links-grüne Initiativen  in Deutschland mit jährlich mehr als 200 Millionen Euro staatlich finanziert, also aus Steuermitteln. Ist das nicht eine grobe Irreführung, eine Art „Semantischer Betrug“?

Hans-Georg Maaßen: Das ist in der Tat eine Irreführung. Diese NGOs sind tatsächlich Organisationen, die dem linksgrünen politischen Vorfeld zuzurechnen sind. Dabei agieren sie taktisch geschickt, indem sie eine Art Parallelstruktur zur Regierungsebene aufgebaut haben und Aufgaben erfüllen, die eigentlich der Staat nicht wahrnehmen darf. Dazu gehört die Verfolgung politischer Gegner der Linken, Oppositionsbekämpfung mit Steuergeldern sozusagen.

Kurz vor der Bundestagswahl im Februar gab es eine aus 551 Teilen bestehende Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die sich über die Steuermittel-Finanzierung diverser NGOs erkundigte und den Anschein erweckte, dass eine unionsgeführte Bundesregierung unter Kanzler Merz der großzügigen NGO-Förderung einen Riegel vorschieben würde. Ein Blick in den schwarz–roten Koalitionsvertrag deutet aber auf das Gegenteil hin. Ein weiterer Fall von Wählertäuschung?

Maaßen: Ja sicherlich! Das Ergebnis hat jedenfalls nach dem Koalitionsvertrag zur Folge, dass alles so weitergeht wie vorher, auch was die Förderung der NGOs betrifft. Kanzler-Kandidat Merz ist im Wahlkampf mit dem Versprechen aufgetreten, er würde konservative, sagen wir mal, normale bürgerliche Politik machen. In Wirklichkeit setzt er den Linkskurs von Merkel fort. Er hat, bildlich gesprochen, „rechts geblinkt und ist links abgebogen“, vor allem im Bereich der Migrationspolitik und ebenso mit der parlamentarischen Anfrage zu den sogenannten NGOs.

„Ist es wirklich mit den Grundprinzipien einer Demokratie vereinbar, wenn der Staat mit öffentlichen Geldern gezielt eine politische Agenda fördert, während andere Positionen systematisch marginalisiert werden?“ Diese Frage wird z. B. auch in der  jüngsten Ausgabe der „Jüdischen Rundschau“ aus Berlin sorgenvoll gestellt. Teilen Sie die Sorge?

Maaßen: Ich teile diese Sorge. Es ist mit einer freiheitlichen Demokratie nicht zu vereinbaren, wenn der Staat mit den Ressourcen – incl. seines Beamtenapparats plus Staatshaushalt – gezielt bestimmte politische Parteien unterstützt, damit in den politischen Diskurs parteiisch eingreift und die Gegner einer bestimmten politischen Richtung massiv bekämpft. Das hat mit dem Grundkonzept einer freiheitlichen Demokratie gar nichts mehr zu tun. Der Staat muss sich heraushalten aus dem Diskurs der politischen Parteien, er muss neutral bleiben.

Am Beispiel des NGO-Falles „Correctiv“ werfen Sie dieser regierungsnahen Institution vor, im materiellen Sinne sogar ein privater Geheimdienst zu sein. „Correctiv“ war ja ursächlich für die Skandalisierung der sogenannten „Potsdam-Konferenz“ verantwortlich, die das gerichtlich widerlegte Narrativ erzeugte, dass bei ihr ein Geheimplan zur Zwangs-Durchführung von Ausweisungen auch deutscher Migranten entworfen worden sei. Inwiefern ist „Correctiv“ für Sie ein privater Geheimdienst?

Maaßen: Es gibt jedenfalls deutliche Verdachtsmomente dafür. Wir müssen unterscheiden zwischen dem formalen und dem materiellen Geheimdienstbegriff. Nach dem formalen Geheimdienstbegriff ist eine Institution ein Geheimdienst, die sich offen so bezeichnet und damit als solcher auch erkennbar ist. Nach dem materiellen Geheimdienstbegriff ist eine Institution auch dann ein Geheimdienst, wenn sie Aufgaben wahrnimmt, die typischerweise von einem Geheimdienst wahrgenommen werden, und sich geheimdienstlicher Mittel bedient. Dabei ist es unerheblich, ob sich der Geheimdienst so nennt und wie er öffentlich auftritt, zum Beispiel als Presseagentur, als Künstler- oder Wohltätigkeitsverein. Was ich beim Agieren von „Correctiv“ wahrnehme, ist, dass diese Institution – in Teilen zumindest – nicht die Aufgaben wahrnimmt, die einem klassischen Medium im Journalismus zuzuordnen wäre.

Der Unterschied dabei?

Maaßen: Klassische Medien im Journalismus haben die Aufgabe zu berichten, zu kommentieren und die Politik kritisch zu begleiten. Der „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein hat es einmal auf die griffige Formel gebracht: „Sagen und schreiben, was ist.“ Aber es ist nicht Medienaufgabe, sondern die Aufgabe eines Geheimdienstes politische Gegner von Regierungsparteien
auszuspähen, sie zu bekämpfen, Personen zu diffamieren und sie zu diskreditieren. Gar sie mit Zersetzungsmaßnahmen zu überziehen, d.h. kampagnenartige Schritte durchzuführen, um einen politischen Gegner zu zerstören. All das habe ich bei „Correctiv“ und der Berichterstattung über das Treffen im Potsdamer Landhaus Adlon wahrgenommen. Das war eine großangelegte, choreografisch vorbereitete Inszenierung zur Diffamierung politischer Gegner im sogenannten „Kampf gegen rechts“.

Bei dieser Kampagne kommt noch hinzu, dass sie durch die suggerierten Parallelen zur historischen Wannseekonferenz den verheerenden Eindruck einer erneuten NS-Gefahr in Deutschland alarmistisch in die ganze Welt hinaustrug. Denn die Correctiv-Akteure verbreiteten ihre Kampagnen-Inhalte auch auf Türkisch, Arabisch, Englisch, Französisch und Russisch. Eine schwerwiegende Rufschädigung Deutschlands im Ausland?

Maaßen: Ja, das ist natürlich eine schwerwiegende Rufschädigung Deutschlands im Ausland, die hat man als gewollten Kollateralschaden bewusst so geplant. Das entscheidende war aber, dass durch die internationale Alarmierung auch der innerdeutsche „Kampf gegen rechts“, den die Bundesregierung seit Jahren mit wachsender Intensität betreibt, um eine weitere Front ergänzt wurde. Aber: „Kampf gegen rechts“ heißt nichts anderes als „Kampf gegen Rechts-Abweichler“, heißt nicht etwa „Kampf gegen Rechtsextremisten“ und noch nicht einmal „Kampf gegen Rechtsradikale“, sondern heißt Kampf gegen alle, die nicht der Regierungslinie in vielen Punkten folgen, z.B. in der Migrationspolitik.

Eine Gleichsetzung der heutigen Bundesrepublik Deutschland mit der DDR-Diktatur wäre gewiss unangebracht und übertrieben. Wenn jedoch die beiden früheren Stasi-Offiziere Offiziere Günter Bohnsack und Herbert Brehmer in ihrem Geheimdienst-Memoiren (Titel: „Auftrag Irreführung – Wie die Stasi im Westen Politik machte“) ihren Auftrag kurz so schilderten: „Ausspähen, irreführen und zersetzen“, dann könnte man nachdenklich werden, oder?

Maaßen: Vergleichen heißt ja nicht gleichsetzen! Und im Leben muss man permanent vergleichen. Man setzt ja nicht Äpfel und Birnen gleich, sondern man vergleicht sie und kommt zum Ergebnis, dass sie einige Gemeinsamkeiten und einige Unterschiede haben. Wenn wir heute das Agieren von NGOs im „Kampf gegen rechts“ sehen und dann betrachten, was in totalitären oder autoritären Staaten deren Geheimdienste an Aktivitäten entfalten, dann wird man beim Vergleich zu einer ganzen Reihe von Gemeinsamkeiten kommen. Geheimdienste in diesen Staaten, wie auch in der früheren DDR, verfolgen das Ziel durch klassische Zersetzungsmaßnahmen wie der Diskreditierung, der Rufschädigung und damit der Ausgrenzung politischer Gegner diese zu neutralisieren.

In der Stasi-Richtlinie 1/1976 über die Zersetzung oppositioneller Gruppen und Personen heißt u.a.: „Systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer,  überprüfbarer und diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierenden Angaben.“ Sehen Sie Parallelen zum Potsdam-Drehbuch der Correctiv-Akteure?

Maaßen: Das, was die Stasi-Richtlinie 1/1976 beschrieben hat, ist eine klassische Technik, die die Stasi sich nicht selbst  ausgedacht hat. Das gab es zu unterschiedlichen Zeiten bei Geheimdiensten – weltweit. Was ich bei „Correctiv“ sehe, ist natürlich eine klassische Zersetzungsmaßnahme, weil sie nicht nur dazu dient, die Betroffenen einerseits zu diskreditieren, sondern gleichzeitig auch eine gesamte regierungskritische Strömung ausgrenzen soll. Und damit, ich sagte es vorhin schon, in einem weiteren Schritt den „Kampf gegen Rechts“ weiter zu befeuern.

Herr Dr. Maaßen, vielen Dank für dieses Interview!

Das Gespräch führte der Ex-Deutschlandfunk-Redakteur Bernd Kallina. Er ist auch stellvertretender Vorsitzender der SWG. 

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