Die militärische Auseinandersetzung in der Ukraine bewahrt nach wie vor den Charakter eines Stellungskrieges. Der Frontverlauf ist seit dem Rückzug der russischen Armee aus Cherson im November 2022 praktisch unverändert geblieben. Keine der beiden Seiten hat bisher Anstrengungen operativer Größenordnung unternommen, um in dem Krieg eine Entscheidung herbeizuführen. Freilich sind Herbst und Frühjahr mit ihren Schlamm-Massen auch kaum dazu geeignet. Doch auch die kurze Frostperiode hat wenig Bewegungen gezeigt.
Die Bodenoperationen haben seit Monaten ihren Schwerpunkt in den Städten Bachmut und Awdejewka im Bereich Donezk, also etwa in Frontmitte. Der Verlauf der Gefechte zeigt ein kontinuierliches, wenn auch langsames Vordringen der russischen Infanterie in hartem Ortskampf. Die Taktik der Russen besteht weiterhin darin, das bebaute Gebiet vor dem Sturm durch Bodentruppen mit Artillerie und Luftwaffe zu „pulverisieren“. Dementsprechend bieten die Städte und Ortschaften im beschriebenen Frontbereich den Anblick einer einzigen Trümmerlandschaft, in der kaum noch intakte Gebäude zu sehen sind. Dennoch hat sich der ukrainische Verteidiger dort festgebissen und leistet dem Angreifer härtesten Widerstand. Straße für Straße, Ruine für Ruine muss gestürmt und freigekämpft werden. Hier erweist sich wieder einmal die Kriegserfahrung als stichhaltig, dass gut verschanzte und eingegrabene Infanterie allein durch Artillerieeinsatz – sei er auch noch so stark – nicht vertrieben werden kann.
Bachmut ist zu etwa 50% in russischer Hand. Ungefähr 20.000 ukrainische Kämpfer sollen sich noch in der Stadt befinden. Ihre Versorgung ist nach wie vor möglich, wenn auch sehr eingeschränkt. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass die russische Seite ein völliges Abschneiden der Stadt noch hinauszögert, um weiterhin nennenswerte ukrainische Kräfte dort zu binden. Umgekehrt wird selbige Absicht auch den Ukrainer unterstellt, da sie Bachmut nicht aufgeben wollen.
Vor dem südlichen Frontabschnitt im Bereich Saporoschje zieht die Ukraine weiterhin starke Kräfte für die erwartete Offensive gegen die Krim nach Ende der Schlammperiode zusammen. Beobachter berichten von bisher etwa 120.000 Mann, was einer Armee entspräche. Hier werden auch westliche schwere Waffen, vor allem gepanzerte Fahrzeuge, konzentriert. Ob allerdings 100-200 moderne Kampfpanzer eine ausreichende Stoßkraft für den Angriff darstellen, darf bezweifelt werden. Videos zeigen Aufnahmen von den Verteidigungsvorbereitungen auf russischer Seite, wobei vor allem das massenhafte Verlegen von Minen zu sehen ist. Gleichzeitig stören russische Artillerie und Luftwaffe den ukrainischen Aufmarsch. Wie wirksam das ist, bleibt abzuwarten. Klar ist auch, dass die Ukraine vor allem im Bereich von Munition aller Art Mangel leidet, weil der Westen zunehmend Schwierigkeiten hat, den enormen Verbrauch zu ersetzen.
Vieles deutet darauf hin, dass die Ukraine um Saporoschje ihre letzten Reserven zusammenzieht, um bei der geplanten Offensive alles auf eine Karte zu setzen. Scheitert der Angriff, wird dies unabsehbare Folgen für die ukrainische Kriegführung haben. Ob in dem Falle die westliche – vor allem amerikanische – Unterstützung, in welchem Umfang auch immer, weitergeführt werden wird, steht in den Sternen.
Unterdessen wird die Bedeutung der russischen Hyperschallwaffen heiß diskutiert. Im Netz kursieren Berichte, wonach eine solche Rakete Anfang März einen NATO-Stab in der Westukraine vernichtet haben soll, der sich angeblich in Bunkern 120 m unter der Erde befand. Ob dieses Ereignis nun stattgefunden hat oder nicht, unstreitig ist, dass die Russen zu einem solchen Schlag fähig sind. Sie haben es im laufenden Krieg bereits bewiesen. Fest steht auch, dass der Westen dieses Waffensystem bisher nicht zur Einsatzbereitschaft gebracht hat. US-Experten fürchten vor allem die Bedrohung der amerikanischen Flugzeugträger durch Hyperschallraketen. Denn bisher gibt es gegen die hochpräzise Waffe keinerlei Abwehrmöglichkeiten.