Kommt jetzt der große russische Schlag?

von Redaktion

Während die Ukraine an der Donbassfront verzweifelt und unter gewaltigen Verlusten um marginale Geländegewinne ringt, stellt sich zunehmend die Frage, ob und wann Putin seine Armeen zum Großangriff nach Westen antreten lässt.

Nach Aussagen des US-Experten Douglas Mcgregor umfasst die Stärke der russischen Streitkräfte im Donbass mittlerweile 750.000 Mann. Dazu treten 230.000 Freiwillige, die kürzlich zu den Fahnen geeilt sind. Damit würde sich die Zahl der Kremltruppen dort auf knapp eine Millionen Mann belaufen. Das wären etwa 10 Armeen mit schätzungsweise 20.000 gepanzerten Fahrzeugen und 60.000 Geschützen. Dazu träten die massierten taktischen und strategischen russischen Luftstreitkräfte, die bisher nur zum Bruchteil eingesetzt worden sind.

Mann und Material genug, um den Krieg mit einem großen Schlag zu beenden. Wiederum Douglas Mcgregor, aber auch zahlreiche andere westliche und östliche Beobachter, gehen davon aus, dass im nördlichen Frontabschnitt Charkow, vor der Stadt Kupiansk, eine russische Armee, wahrscheinlich eine zweite dahinter, bereits zum Angriff bereit stehen. Ihre Stoßrichtung könnte an Charkow vorbei, dann links schwenkend, entlang des Dnjpr tief nach Süden sein, um die ukrainische Front aufzurollen und die Verteidigung zum Einsturz zu bringen. Ein zweiter kräftiger Stoß könnte aus Weissrußland westlich von Kiew in den Raum Lemberg und gegen die polnische Grenze erfolgen. Im Land Lukaschenkos sollen wenigstens eine russische Armee, möglicherweise zwei, bereitstehen.

Was hat die Ukraine dem entgegenzusetzen? Nichts annähernd Ausreichendes. Für die bereits in den Anfängen gescheiterte „Große Gegenoffensive“ vom Juni 2023 standen nach Angaben von Beobachtern 13-15 vom Westen ausgebildete und ausgerüstete Brigaden mit 35 – 40.000 Mann zur Verfügung. Stimmen die russischen Zahlen, so sind davon seit Beginn der Operation 30.000 gefallen, dazu kommen die Verwundeten. Damit wäre der ursprüngliche Personalbestand bereits fast vernichtet, darunter natürlich auch die fronterfahrenen Führer. Ukrainische Frontkommandeure beklagen öffentlich die mangelhafte Ausrüstung und Ausbildung des Personalersatzes. Die Rekrutierungsprobleme Kiews, auch aufgrund von Korruption, sind seit langem bekannt. Nicht umsonst wirbt die Ukraine intensiv um Auslandsbürger und Söldner, die den Bedarf jedoch keinesfalls decken können. Man kann davon ausgehen, dass alle ukrainischen Reserven jetzt an Donbassfront stehen. Die  meisten sind in der Sicherung und Verteidigung der 800 km langen Frontlinie gebunden. Auch der Verlust von Kampffahrzeugen, Waffen und Munition kann nicht annähernd mehr ausgeglichen werden. Der Mangel an Artillerie führt zum massenhaften Einsatz von Drohnen auf ukrainischer Seite.

Wegen der ausbleibenden durchschlagenden Erfolge im Bodenkrieg verlegt sich die ukrainische Militärführung zunehmend auf den Einsatz westlicher Raketen gegen die Krim und russisches Territorium. Gleichzeitig werden zivile Wohngebiete, vor allem in Donezk, angegriffen, wobei auch Streumunition aus den USA verwendet wird. Verstöße gegen das Völkerrecht, die vom Westen beharrlich ignoriert werden.

Ergebnis des beschriebenen Szenarios wäre die Vernichtung der ukrainischen Armee, die vom Westen trotz aller Anstrengungen nicht noch einmal wieder aufgebaut werden könnte.

So bleibt zu fragen, warum Putin den Angriffsbefehl nicht gibt, sondern weiter die Absicht verfolgt, sich die ukrainische Armee in endlosen Anläufen gegen die russischen Abwehrbollwerke erschöpfen zu lassen.

Die Antwort liegt natürlich auf politischem Gebiet. Nach Mcgregor setzt der russische Präsident weiterhin auf eine Verhandlungslösung. Ein Generalangriff mit Zerschlagung der Ukraine könnte, so die mutmaßlichen Befürchtungen Russlands, zu einem direkten militärischen Eingreifen der NATO führen. Insbesondere Polen ist ein Wackelkandidat, da es im Falle eines Vordingens der russischen Armee nach Westen in die Ukraine einmarschieren könnte, um das Gebiet Lemberg für sich zu sichern. Dies würde den Ausbruch des Dritten Weltkrieges bedeuten.

Zudem hat Putin an der politischen und territorialen Vernichtung der Ukraine kein Interesse. Abgesehen von den jetzt bereits besetzten und mehrheitlich russischsprachigen Gebieten, ist die Westukraine für Russland kaum von Nutzen. Im Gegenteil könnte eine – neutrale – Ukraine einen Puffer zum Westen bilden und damit vitale Sicherheitsinteressen des ehemaligen Zarenreiches befriedigen. Dazu wollen die Russen mit ihrem ukrainischen Brudervolk in Zukunft auch wieder in Frieden als Nachbarn zusammenleben.

Die USA und die NATO kennen das militärischen Potential der Russischen Föderation genau. In Washington und Brüssel dürfte man über den gewaltigen russischen Aufmarsch im Donbass auch Bescheid wissen. Man ist sich – zumindest innerhalb der Generalität – zweifellos bewusst, dass hiergegen von Seiten der NATO wenig auszurichten ist. Wie heißt es so zutreffend: „Gegen eine Atommacht ist kein Krieg zu gewinnen“.

Besser also, man besinnt sich im Westen rechtzeitig auf den einzig gangbaren Weg, den Dritten Weltkrieg zu vermeiden, und das sind und bleiben Verhandlungen.

Viel Zeit bleibt nicht mehr. In wenigen Wochen beginnt in der Ukraine wieder die Schlammperiode, die große Bewegungen mit Panzermassen unmöglich macht. Eine riesige Armee auf längere Zeit im Feld einsatzbereit zu halten, ist ohnehin schwierig. Putin bleibt also nicht viel Zeit, um seine Entscheidung zu treffen. Der Westen sollte das erkennen und danach handeln.

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