Ukraine-Krieg: macht Russland jetzt Ernst?

von Redaktion

Der Westen hat im Ukraine-Konflikt nach russischer Auffassung so mache „rote Linie“ überschritten. Dazu gehörten u.a. der Angriff mit NATO-Waffen auf russisches Staatsgebiet oder der Einsatz von völkerrechtswidriger Munition. Der Kreml drohte jeweils mit Vergeltung, hat sich aber bisher auffallend zurückgehalten.

Ist es damit jetzt vorbei? Nach dem zweiten Anschlag auf die Krim-Brücke bei Kertsch mit zivilen Opfern, ein wiederum eindeutiges Kriegsverbrechen, griff Russland zwei Tage hintereinander aus der Luft die ukrainischen Häfen am Schwarzen Meer massiv an. Zuvor hatte der Kreml auch das so genannte „Getreide-Abkommen“ beendet, an dessen Vereinbarungen sich – nach Meinung Moskaus – der Westen ohnehin nicht gehalten hatte. Gleichzeitig kündigte Russland an, ab dem 20. Juli 2023 alle Schiffe, die ukrainische Häfen anlaufen würden, als mutmaßliche Waffentransporte anzusehen und zu blockieren.

All dies stellt die bisher weitgehendsten Maßnahmen des Kremls gegen die, seiner Beurteilung nach, westlichen Übergriffe dar.

Derweil gehen am Boden die verbissenen Stellungskämpfe weiter. Die mit weitgesteckten Zielen im Juni 2023 begonnene „Große Gegenoffensive“ der Ukraine ist in ihren Anfängen steckengeblieben. An keiner Stelle konnte die starke russische Verteidigung durchbrochen werden. Verzweifelt versucht der Angreifer seitdem, wenigstens einige russische Festungen oder Ortschaften einzunehmen. Dies mit mäßigem Erfolg, jedoch unter gewaltigen Verlusten.

Kommentatoren sind der Meinung, dass der Ukraine an der Front personell und materiell die Puste ausgeht. Dies auch deshalb, weil der Westen nicht das liefern kann oder will, was gebraucht wird. Das sind vor allem gepanzerte Fahrzeuge, Kampfflugzeuge und -hubschrauber, Artilleriemunition und Flugabwehrwaffen. Im Gegensatz dazu werden Russland von informierter Seite nach wie vor volle Arsenale unterstellt. US-Experte Douglas Mcgregor beziffert die mittlerweile im Donbass und in Weißrussland anwesenden russischen Truppen auf eine Stärke von 750.000 Mann. Seiner Meinung nach werden es bald 1 Million sein. Die seit Kurzem in Weißrussland stationierten Wagner-Truppen sollen angeblich auf 90.000 Mann anwachsen und in absehbarer Zeit wieder in den Konflikt eingreifen.

Warum nutzt Putin dieses Potential nicht zu einem Großangriff aus und schlägt sich stattdessen mit den Ukrainern in Schützengräben und mit endlosen Artillerieduellen in der Manier des Ersten Weltkrieges herum? Douglas Mcgregor ist der Meinung, dass der Kreml nach wie vor auf Abnutzung des Gegners unter Schonung der eigenen Truppen und auf eine Verhandlungslösung setzt. Schließlich, so der US-Oberst a.D., wolle Russland auch in Zukunft mit der Ukraine als Nachbar leben und keine verbrannte Erde hinterlassen, wie seinerzeit die USA in Libyen, Syrien, Irak und Afghanistan.

Doch die Geduld des russischen Bären könnte auch einmal ihr Ende finden. Vielleicht erleben wir dieser Tage mit den massiven Luftschlägen gegen die ukrainischen Häfen und die Blockade des Seeverkehrs den Beginn davon. Dem Frieden wird dies zweifellos nicht dienen. Auch die USA und die NATO setzen weiter auf Eskalation des Krieges. Jedenfalls ist die Rhetorik danach.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert