Nur Ausschüttungen als Gewinn besteuern?

von Prof. Dr. Eberhard Hamer

Nach dem letzten Weltkrieg war die Krise der deutschen Wirtschaft viel stärker als heute, gab es aber trotzdem Optimismus, Investitionsbereitschaft und Wirtschaftswachstum – das nachher immer bestaunte „Wirtschaftswunder“.

Das waren die Gründe dafür:

  • Während sich heute mehr als die Hälfte der Bevölkerung zurücklehnt und auf öffentliche Gaben für ihren Lebensunterhalt wartet, musste damals jeder selbst sehen, wo er blieb, musste man sich schon selbst regen, wenn man aus der Not kommen wollte. Das Selbstverantwortungssystem der Marktwirtschaft ist nach der zusammengebrochenen Verwaltungswirtschaft begriffen worden, weil Regierung, Wissenschaft und Publizistik diese Selbstverantwortung der Bürger einhellig abforderten und voraussetzten. Damals gab es nur Hilfe bei Not, heute gibt es Sozialleistung für alle, nicht nur für diejenigen, welche nicht können, sondern auf für diejenigen, die nicht ernsthaft wollen oder sogar für diejenigen, welche zu diesem Zweck zu uns gekommen sind.
  • Nach dem letzten Weltkrieg waren alle Nazi-Gesetze abgeschafft und hatten wir die größte Gesetzesfreiheit der deutschen Geschichte. Man konnte also etwas beginnen, ohne gleich von Kompanien von Bürokraten verfolgt, gegängelt, kommandiert und abgezockt zu werden. Inzwischen muss derjenige, der sich selbständig machen oder etwas investieren will, 90.000 deutsche und mehr als 40.000 europäische Vorschriften beachten, muss sich der Zwangsfürsorge von Kammern, Berufsgenossenschaften, Sozialkassen, Gewerbeaufsicht, Gewerkschaften und Ordnungsämtern erwehren. Nicht einmal die Hälfte aller Projekte kommt dabei durch.
  • Nach dem Zusammenbruch 1945 dominierten die Direktlöhne. Die Lohnnebenkosten lagen unter 30 %. Heute sind die Lohnzusatzkosten fast dreimal so hoch und das Sinkgewicht für Investitionen und Arbeitsplätze. Wer einen Mitarbeiter einstellen will, muss ca. 40.000,- Euro Jahreslohnkosten rechnen. Der Mitarbeiter selbst hat aber davon nicht einmal die Hälfte verfügbar. Die Differenz zwischen dem, was unsere Mitarbeiter verdienen und dem was sie kosten, ist durch den gefräßigen Steuerstaat, den ausgeuferten Sozialfeudalismus und durch die auf die Löhne aufgeschlagenen „Sozialleistungen für alle“ untragbar und vor allem international nicht mehr wettbewerbsfähig. Dazu hat eine öko-trunkene Regierung („Ökonomie statt Ökologie“) auch noch unsere billige russische Energie gekündigt und dafür dreifach so teure amerikanische eingekauft, uns zum Höchstenergiekostenland der Welt gemacht und aus dem gleichen Wahnsinn für unseren Wohlstand wichtige Branchen bis zur Unrentabilität umzuerziehen versucht.

Die Folge: Die Kapitalgesellschaften wandern mit den Arbeitsplätzen in die Billiglohnländer Osteuropas ab, der Mittelstand kann nicht flüchten, sondern muss leiden und sterben. Wir haben inzwischen die höchste Zahl von Insolvenzen des Mittelstandes der Nachkriegszeit.

  • Ob Unternehmen investieren, neue Arbeitsplätze schaffen, wachsen und zu einem neuen Wirtschaftsaufschwung helfen, hängt von ihrer Finanzsituation ab.

Kapitalgesellschaften können auf dem Kapitalmarkt, wenn sie sachliche Sicherheiten haben, Fremdkapital bekommen.

Den Personalunternehmen haben aber die Basel-Regeln Fremdkapital abgeschnitten, weil die Inhaberperson nicht mehr als Kreditbasis gilt. Die mittelständischen Personalunternehmen können daher nur mit Eigenkapital wachsen. Sie werden aber höher besteuert (45 %) als Kapitalgesellschaften (15 %).

96 % aller unserer Unternehmen sind Personalunternehmen mit der weltweit höchsten Abgabelast.

Nach dem letzten Weltkrieg hat der Wirtschaftsminister Ludwig Erhard gewusst, wie wichtig Eigenkapitalbildung für mittelständische Unternehmen ist. Die Unternehmer vergrößern mit Überschüssen erst ihren eigenen Betrieb, bevor sie Gewinne entnehmen. Bis 1956 hat deshalb Ludwig Erhart als zentrale Investitionsförderung, Arbeitsplatzförderung und Mittelstandsförderung immer verteidigt, dass alle Unternehmen nur ihre Entnahmen bzw. Ausschüttungen als Gewinn versteuern müssen. So konnten die Personalunternehmen aus eigenen Gewinnen ihren eigenen Aufstieg finanzieren und das „Wirtschaftswunder“ zustande bringen. Die mittelständischen Personalunternehmen beschäftigen nämlich zwei Drittel unserer Mitarbeiter (Kapitalgesellschaften nur 23 %), sind standorttreu (Konzerne verlagern) und für die Konjunktur entscheidend.

Weil aber mittelständische Unternehmen vom Kapitalmarkt kein Fremdkapital mehr bekommen, sie also aus Eigenkapital leben und wachsen müssen, wären Gewinne die einzige Eigenkapitalbildungs-möglichkeit der mittelständischen Personalunternehmen. Diese notwendigen Eigenmittel werden ihnen aber abgesteuert und in die Welt verteilt. Wer also einen Konjunkturaufschwung haben will, muss die welthöchste Abgabenquote des Mittelstandes beseitigen, muss ihm die Möglichkeit geben, Investitionen und Arbeitsplätze aus eigener Kraft zu schaffen, muss also den im Betrieb verbleibenden Kapitalstock von der Auszehrung durch Steuern verschonen.

Die Mittelstandsforschung hat schon immer eine „einheitliche Betriebssteuer für alle Unternehmensrechtsformen“ gefordert, um die Ungerechtigkeit der höheren Mittelstandsbesteuerung statt der Besteuerung der Kapitalgesellschaften zu beenden[1]. Der Mittelstand wird also bisher steuerlich diskriminiert, weil unsere Finanzpolitik die Gewinne eines mittelständischen Unternehmens zu Unrecht als Konsumeinkommen des Unternehmers sieht und versteuert. Dabei werden die notwendigen Re-Investitionen, Inflation und die Arbeitsplatzsteuern nicht berücksichtigt. Von den Beiträgen eines Handwerkers müssen Zinsen, Mieten, Amortisation, Investitionen und die Inflation bezahlt werden, bevor sich der Unternehmer selbst überhaupt etwas entnehmen kann. Und diese Entnahmen werden bei Personalunternehmen als Gewinn versteuert, während bei Kapitalgesellschaften die Millionengehälter ihrer Manager steuerlich absetzbar sind. Nicht einmal sein Gehalt darf ein Unternehmer steuerlich als Betriebsausgabe berücksichtigen. Unser Steuerrecht ist also für Personalunternehmen mittelstands-, investitions- und arbeitsplatzschädlich.

Würde man nur die ausgeschütteten Gewinne versteuern, wäre dies praktisch eine Steuerstundung der im Vertrieb verbleibenden Gewinne.

In Befragungen des Mittelstandsinstituts Hannover haben 72 bis 84 % der Unternehmer angegeben, dass sie die Überschüsse ihres Betriebes erstrangig im Betrieb verwenden, statt für sich zu entnehmen.

Eine Gewinnbesteuerung nur der Ausschüttungen läge auch im Interesse der Gewerkschaften, weil damit Arbeitsplätze und Lohnerhöhungen finanziert werden können, die sonst nicht möglich sind.

Eigentlich müsste es selbstverständlich sein, dass die Gewinne erst in den Unternehmen und bei dem Leistungsträger bleiben, bevor sie an den Staat wandern und nach Funktionärsbelieben dann an Subventions- und Sozialgruppen im Inland gehen oder um an internationale Organisationen, Kriege und angebliche Entwicklungshilfen ins Ausland verteilt zu werden.

Ein Drittel der mittelständischen Unternehmer wäre sogar damit einverstanden, wenn gegen die Einführung einer Steuer nur für Ausschüttungen radikal alle Subventionen gestrichen würden[2]. 95 % der Subventionen bekommen nämlich nur die Kapitalgesellschaften, vor allem die großen internationalen Konzerne, die auch noch ihre Gewinne vor den deutschen Finanzämtern ins Ausland retten.

Mehr als die Hälfte der Unternehmer war sogar bereit, höhere Einkommenssteuern zu zahlen, wenn ihre Betriebe dafür entlastet würden. Damit ist das Argument entschärft, dass die Gewinne den Unternehmern zugutekämen. Sie sollen vor allem dem Betrieb zugutekommen und letztlich auch den Arbeitnehmern dieses Betriebes.

Eine Besteuerung nur der Ausschüttungen wäre auch kein Steuererlass, sondern nur eine Steuerstundung, denn irgendwann kommt ja die wachsende Stärke des Betriebes auch den Ausschüttungen und damit wieder der Steuer zugute, letztlich im Erbfall.

Mit einer nur auf Ausschüttungen konzentrierten Gewinndefinition würde auch unsere Steuer vereinfacht, weil es auf die innerbetrieblichen Überschüsse oder Verrechnungen nicht mehr ankommt. Die kompliziertesten Gewinnregeln der Welt würden damit entfallen. Gewinn wären sowohl bei Personalunternehmen als auch bei Kapitalgesellschaften nur noch die Entnahmen bzw. Ausschüttungen.

Dass seit 1956 die im Betrieb verbleibenden Gelder nicht mehr steuerverschont, sondern mit immer komplizierteren Verrechnungsvorschriften auch als Gewinne begriffen wurden, war Werk der internationalen Großbanken (nicht der Sparkassen und Volksbanken). Sie hat die Selbstfinanzierung der deutschen Unternehmen gestört, weil sie im Ausland Geschäft mit der Fremdfinanzierung machen wollten. Inzwischen aber wollen auch die Großbanken das Geschäft mit dem Mittelstand nicht mehr, weil ihnen die Beträge (und damit die Renditen) zu gering sind, viele mittelständische Unternehmen inzwischen kapitalschwach sind und die Basel-Vorschriften überhaupt die wichtigste Produktivkraft des mittelständischen Unternehmens – die Unternehmerperson – als Kreditbasis ausgeschlossen haben.

Wo also die Fremdfinanzierung zusammenbricht, muss Selbstfinanzierung ermöglicht werden.

Gegner einer Umstellung des Gewinnbegriffes nur auf Ausschüttungen sind noch die Finanzpolitiker, von denen ein Teil überhaupt aus Neidgründen den Unternehmern feindlich gesonnen ist, andere aber Steuerausfälle für den Staat befürchten, weil sie der Auffassung sind, dass vorhandenen Geld vor allem in die Hand des Staates gehört, statt bei den Leistungsträgern, den Arbeitnehmern zu bleiben und dem Wohlstand der Bürger zu dienen. Sie verkennen damit, dass nicht der Staat Wirtschaftswachstum und Wohlstand bringt, sondern nur die private Wirtschaft Produktion, Arbeitsplätze und Wohlstand schafft. Also müsste auch der Steuerpolitik wieder „Privat vor Staat“ gelten, die Gewinne erst in den Unternehmen und bei den Bürgern bleiben, statt dass sie erst an den Staat wandern und von diesem nach Funktionärsbelieben umverteilt, für immer sinnlosere Bürokratie verwandt oder ins Ausland geschaufelt werden (Ukraine).

Für die Reduzierung des Gewinnbegriffs auf Ausschüttungen wäre auch jetzt der richtige Zeitpunkt, weil die derzeitige Regierung ohnehin unsere Wirtschaft in den Absturz zieht und die möglicherweise 20 bis 30 Milliarden Steuerausfälle durch Umstellung des Gewinnbegriffs (nur kurzfristig) die geringste Rolle spielen. Einen höheren Betrag als dieses Risiko verschleudert unsere Regierung als Subventionen an internationale Großkonzerne für zweifelhafte Ansiedlungen und für deren Billiggarantie von Energie (Infineon 20 Mrd. Euro). Wir hätten also jetzt in der Krise die einmalige Möglichkeit sowohl des Umsteuerns des Gewinnbegriffs als auch damit eines neuen Antriebs für eine neue Konjunkturerholung wie unter Ludwig Erhard.

Dass die AfD diese Forderung stellt, darf die anderen Parteien nicht hindern, diese richtige Politik zu betreiben. Der Generalsekretär der CDU, Linnemann, hat diesen Vorschlag schon früher mehrfach gebracht. Nun wäre es Zeit, dies zu verwirklichen!

[1] Personalunternehmen werden nach Personen mit 44,3 % besteuert, Kapitalgesellschaften mit Gewerbesteuer (25 %).

[2] Wie Ludwig Erhard das damals getan hat.

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