Die Ukraine und das Völkerrecht – Geographie und Geschichte als Schicksal: „What matters are people, not states“

Von Rechtsanwalt Alexander Heumann

Richter C. Trindade beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in seinem Sondervotum zur Sezession des Kosovo von Serbien: „What matters are people, not states.“[58] Soll heißen: Staaten haben keinen Selbstzweck. Sie sind um der Menschen bzw. der Völker willen da – nicht umgekehrt.


Nach Deutschlands Wiedervereinigung boten der ´Fall des eisernen Vorhangs´, die Auflösung des Warschauer Paktes und der Wegfall der sowjetkommunistischen Bedrohung unverhoffte Chancen auf Frieden und Wohlstand in Europa – ohne atomares Damoklesschwert. „Deutschland, wir reichen dir die Hand, wir geh´n zurück ins Vaterland“, sang der Chor der Rotarmisten.[1] Das Feindbild des Kalten Krieges schien zu verschwinden.[2] Aber während man in Kerneuropa das hoffnungsfrohe Lied vom „Wind of Change“ sang, blieben gegenläufige Sicherheitsinteressen zwischen Mittel-/Osteuropa und Russland als Sollbruchstelle des Kontinents bestehen. Eine Annäherung an ein Dilemma.

Beerdigung der Entspannungspolitik und Weltkriegsgefahr

Nun wird die Entspannungspolitik im Rahmen der „Zeitenwende“ beerdigt, und täglich wächst die Gefahr eines dritten Weltkrieges auf europäischem Boden.[3] Polen schickt die ersten F16-Kampfflugzeuge in die Ukraine und die Erklärung seines Botschafters in Paris ist ein Paukenschlag: “Entweder die Ukraine kann sich verteidigen, oder wir müssen in den Konflikt eingreifen!”[4] Wollen da Hasardeure[5] den Luftkrieg eröffnen, um russische Reaktionen zu provozieren, die den NATO-Bündnisfall – auch für Deutschland – auslösen? Offensichtlich hat das  angloamerikanische Establishment,[6] das die Kakophonie des 20. Jahrhunderts (einschließlich der Erzfeindschaft zwischen Juden und Arabern) „diplomatisch“ aus dem Hintergrund orchestrierte,[7] heute Warschau und Kiew die Rolle des agent provocateurs (gegen Russland) zugewiesen – wie schon 1939 den Polen und 1914 den Serben (gegen Deutschland).

Ebenso hoch ist die Eskalationsgefahr beim Konflikt zwischen USA und China um die strategisch wichtige Insel Taiwan.[8] Was für Russland die NATO-Ausdehnung auf die Ukraine ist, ist für China die „Ein-China“-Politik: eine „rote Linie, die nicht überschritten werden darf“.[9] Auch hier plädieren Einige schon dafür, daß „Deutschland und Europa gegebenenfalls mit den Amerikanern in den Krieg marschieren“ – diesmal „gegen China und für die Selbstbestimmung der Taiwanesen“.[10] Das Völkerrecht der „Selbstbestimmung“ ist ein janusköpfig Ding; es steht sowohl Staatsvölkern, als auch Völkern „im ethnischen Sinne“ zu[11] und kann daher leicht opportunistisch instrumentaliert werden (zu diesem Schlüssel zur Weltgeschichte sogleich).

Der „Balken im eigenen Auge“

Seit der Kubakrise 1962 war die Welt nicht mehr so nah am Rande eines Atomkrieges. Schon damals galten für die USA „Sonderregeln“: Nach ihrer Monroe-Doktrin darf kein außeramerikanischer Staat dem Kontinent zu nahe treten. Als die Russen in Kuba Raketen-Abschußrampen aufstellten (als Retourkutsche auf Raketenstationierungen in der Türkei[12]), reagierte Präsident J. F. Kennedy mit einer Seeblockade und drohte der Insel mit Invasion und der Sowjetunion mit einem atomaren Gegenschlag. Niemand hielt das für völkerrechtswidrig. Millionen Familien atmeten vor ihren Fernsehgeräten auf, als die Krise schließlich diplomatisch gelöst werden konnte.

Die USA und ihre „nationale Sicherheit“

Und vice versa? Unstreitig erfolgte die NATO-Osterweiterung Richtung Russland abredewidrig. Eine unvertretbare Mindermeinung hält den (mündlichen) Wortbruch gegenüber Gorbatschow aufgrund späterer schriftlicher Verträge für überholt,[13] aber entscheidend ist, wie die NATO ihre Ostausdehnung nutzte: Entgegen der NATO-Russland-Akte zur Errichtung von Russland einkreisenden Militärbasen und zur Stationierung von „Abwehr“-Raketen in Polen[14] und Rumänien, die Moskau in wenigen Minuten erreichen.[15] Dies erhöht auch die Gefahr eines atomaren Erstschlags aus dem Westen, weil ein Gegenschlag gfs. abgefangen werden könnte. Selbst im Nachbarland Ukraine stand dies zu befürchten, sobald es NATO-Mitglied würde (Putins „rote Linie“). Kurz: Während die USA ihre „nationale Sicherheit“ global „verteidigen“ – gestern am Hindukusch, heute in der Ukraine und morgen in Taiwan -, empört man sich über regionale „Verteidigungs“-Reflexe bei Russland oder China, und attestiert nur hier „einen imperialen Drang nach Ausdehnung von Einflussphären“.[16] M.a.W.: Der angloamerikanisch dominierte Westen „beklagt den Splitter im fremden Auge, aber sieht den Balken im eigenen Auge nicht“ (Matth. 7,3). Es ist hier nicht der Raum, zu verdeutlichen, daß dies seit über 100 Jahren unverändert so ist.[17]

Die USA und das Selbstbestimmungsrecht der Völker

Jedoch verliert das angloamerikanische „Engagement“ seit dem Ende des kalten Krieges an Legitimation vor der Weltöffentlichkeit. Weil sich die US-„Weltpolizei“ zahlreicher Angriffskriege und Kriegsverbrechen schuldig machte, im Orient wie auch 1999 in Serbien. Weil sich ihre Fachkräfte für „Regime-Change“ und ihre economic hitmen aus Harvard global einmischen, um fremde Resourcen auszubeuten (z.B. Ölfelder im immer noch teilbesetzten Syrien[18]). Weil Ihre Geheimdienste sogar ihre Verbündeten ausspionieren, wie aktuelle Pentagon-Leaks erneut bestätigen, und weil sie offenbar nichtmals davor zurückschrecken, deren Gas-Pipelines zu sprengen.

Ihr „pragmatischer“ Machiavellismus zeigt sich besonders beim gordischen Knoten des Völkerrechts – den Fragen der Selbstbestimmung und Autonomie von Völkern. Während schon gründungsursprünglich die USA selbst als kriegerische Sezession von Großbritannien entstanden – aber im Bürgerkrieg die Südstaaten-Sezession blutig niederschlugen, um den Einfluß Londoner Banken zu sichern[19] -, instrumentalierten sie in den 1990ern Jahren den Separatismus gegen Russland und Jugoslawien (den Sezessionskrieg des Kosovo sogar militärisch, mit Bomben) – während die Abspaltung der Krim von der Ukraine als Anlaß zum Kreuzzug des „Werte“-Westens hochstilisiert wird. Mal werden Separatisten als Partisanen der Freiheit glorifiziert, mal als Terroristen betrachtet; wie es gerade paßt. Auch hier zeigt sich ein roter Faden bis in die ersten Nachkriegsjahre, wo – zynischerweise zeitgleich mit den Nürnberger Prozessen – die Angloamerikaner selbst, und unter ihrer Beobachtung auch Polen, Tschechen und Russen einen grausamen Völkermord an Millionen von Deutschen verübten, über den bis heute nicht getrauert werden darf (während der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich den Deutschen die „Unfähigkeit“ zu Trauern attestierte). Gerade die (leider nur einseitig) „wahrheits“-orientierte, aber deutschfeindliche Kultur- und Jugendrevolution der ´68er breitete endgültig den Mantel des Schweigens darüber.

Alle Fliegen mit einer Klappe

Kurz: Wer „regelbasierte Weltordnung“ und USA in einem Atemzug ausspricht, macht sich mittlerweile lächerlich. Aktuell wollen die Amerikaner gemäß ihrer neuen „Leading-from-behind“-Doktrin, daß die Europäer den Krieg in der Ukraine gegen die Russen zunehmend alleine führen, und zwar möglichst dauerhaft, um – erstens – einen Keil zwischen sie zu treiben, – zweitens – um beide Seiten ökonomisch zu schwächen – und drittens, um ihre militärischen Ressourcen auf China konzentrieren zu können.

Russland und der „der Fluch der bösen Tat“

Peter Scholl-Latour (†16.8.2014) betrachtete Russland wegen seiner immensen Bodenschätze als „unverzichtbaren Partner des Westens“, allerdings „im Zangengriff zwischen NATO, China und Islam“. Schon 2006 warnte er den Westen vor einem „neuen kalten Krieg“, falls man weiterhin russische Sicherheitsinteressen mißachte.[20] Sein letztes Buch erschien 2014 nach der Kiewer Maidan-Revolution („Der Fluch der bösen Tat“). Er beklagte die völkerrechtswidrigen Angriffskriege der NATO im Orient, aber auch einen „Konfrontationskurs“ gegenüber Russland als „Fehlentscheidung historischen Ausmaßes“. Gegen jede Vernunft hätte man „die Gemeinsamkeit der Interessen mit dem postsowjetischen Russland gegenüber der muselmanischen und chinesischen Herausforderung“ übersehen. Die Deutschen hätten „allen Grund“, eine „symbiotische Kooperation mit Russland einzugehen“.[21] Im Kreml werde schließlich nicht mehr die kommunistische Weltrevolution gepredigt. Von Russland – „so wie es heute gestaltet und gesittet ist“, würde „mit Sicherheit“ keine Gefahr mehr für die EU ausgehen (Peter Scholl-Latour, Die Welt aus den Fugen, 2012, S. 69).

 Scheitert die Entspannungspolitik, weil „Putin gleich Hitler“?

Das sehen die jetzigen Hardliner freilich anders. Ganz im Gegenteil(!), triumphieren sie seit der russischen Invasion in der Ukraine: Das „Appeasement“ gegenüber Putin war naiv, wir haben es immer gesagt! Aufgrund dramatisch schlechter Erfahrungen mit der damaligen Sowjetunion scheinen auch die baltischen und skandinawischen sowie die Visegradstaaten (mit Ausnahme Ungarns) diese Sichtweise zu teilen (anders viele Ostdeutsche – trotz der brutalen Niederschlagung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953).

Polen als „Führer des neuen Europas“ und trojanisches Pferd

Schon 2015 war die von Polen initiierte „Drei-Meeres“-Initiative aus mittlerweile 12 EU-Staaten „zur Stärkung der transatlantischen Bindung“ gegründet worden,[22] um Russland durch eine vertikale, von der Ostsee bis zu Adria und Schwarzmeer reichende Region von Europa abzuspalten – eine Weiterentwicklung von Polens antirussischer „Intermares“-Doktrin nach dem I. Weltkrieg.[23] Die Medien berichten über diese Union innerhalb der Europäischen Union allenfalls unter wirtschaftlichem, nicht jedoch unter dem Aspekt einer Machtverschiebung in Europa. Während Deutschland bislang nur eine „Zuschauerrolle“ zugebilligt wird, wurde die Ukraine „strategischer Partner“, um sie – neben weiteren Kandidaten – in die EU zu holen.[24] Als beim Treffen der Drei-Meere-Initiative 2017 in Warschau Donald Trump teilnahm, „ergriff er in der Erdgasfrage [Northstream II] offen Partei gegen Deutschland.“[25]

Das „amerikanisch-polnische Projekt“ (Peter Scholl-Latour) aus den 2000-er Jahren, das Donald Rumsfelds Idee einer „Aufspaltung des Kontinents“ in ein altes und ein ´junges Europa´ entsprang,[26] nimmt aktuell Gestalt an: Soeben verkündete Polens Premierminister Morawiecki: „Das alte Europa ist gescheitert, aber Polen ist der Führer des neuen Europas. (…) Polen will die stärkste Armee in Europa aufbauen.“ Ein „noch engeres Bündnisses mit den Amerikanern“ sei „alternativlos“.[27] Einer Achse Paris-Berlin-Moskau soll also endgültig der Riegel vorgeschoben werden.

Mit Speck fängt man Mäuse

Nur Frankreichs Macron scheint Lunte zu riechen – aber Deutschlands politische Klasse heult lieber mit den amerikanischen Wölfen. Früh indentifizierte Peter Scholl-Latour Polen als „trojanisches Pferd“ – wobei er Verständnis für dessen prekäre Historie zeigte: Wer könne Existenz und Unabhängigkeit Polens sichern, das sich lange seinerseits im „Zangengriff“ zwischen Russland und Deutschland befand, wenn nicht die USA?[28]

Und Germany last? Es zeigt sich, wie isoliert der „Zahlmeister“ der EU – gerade in Mittel- und Osteuropa – bereits ist, und daß alle Versuche, sich Wohlwollen und Einfluß zu erkaufen, nichts fruchten, solange geostrategische Interessenkonflikte unter den Teppich gekehrt werden – deren Lösung kurzfristig auch gar nicht möglich wäre. Wenn immer mehr osteuropäische Staaten unter das US-, NATO- und EU-Joch wollen, so liegt dies nicht nur an ihren Sicherheitsbedürfnissen, sondern auch daran, daß sie mit deutschen Steuergeldern in das rechtswidrige Transfer- und Haftungssystem der Europäischen Union gelockt werden.[29] „Mit Speck fängt man Mäuse“, sagt der Volksmund. Vor allem aber wäre für eine Lösung des sich aus geographischen Gegebenheiten ergebenden gordischen Knotens Europas eine schonungslose und vollständige Aufklärung seiner Bevölkerung über die Geschichte des 20. Jahrhunderts erforderlich, die bis heute von transatlantisch kontrollierten Massenmedien unterbunden wird.[30]

Neue „Kubakrise“ mit umgekehrtem Vorzeichen

Haben die Russland-Pessimisten[31] also Recht behalten? Oder handelt es sich beim Einmarsch in der Ukraine um eine selbsterfüllende – manche sagen: selbsterfüllte – Prophezeiung?[32] Jedenfalls wußten die Falken im Pentagon, daß der (seit 2008 geplante[33]) NATO-Beitritt der Ukraine eine neue „Kubakrise“ mit umgekehrten Vorzeichen heraufbeschwören könnte.[34] Nichtsdestotrotz verspricht der NATO-Generalsekretär der Ukraine nach wie vor die NATO-Aufnahme – falls sie im Krieg gegen Russland „siege“.[35] Damit wiederholt er den US-Auftrag, selbst die schon vor neun Jahren abtrünnige Krimhalbinsel kompromißlos „zurückerobern“. Selenskyj erklärt nun die „De-Okkupation“ der Krim für „alternativlos für die gesamte Welt“.[36] „Die Welt“ soll nun – ähnlich wie bei der Urkatastrophe des I. Weltkriegs nach britischem Plan gegen preußische „Barbaren“ – vereint gegen ein (anderes) Reich des Bösen antreten. Schon in den I. Weltkrieg sind die USA laut US-Präsident Woodrow Wilson aus „kommerziellen und industriellen“ Gründen eingetreten: es war „kein politischer Krieg“.[37] Geschichte wiederholt sich nicht? Doch, vermutlich solange, bis sie verstanden wird.

Kriegslüge 1: Wenn Russland sich zurückzieht, ist wieder Frieden!?

Was alle „Entspannungspolitik“ zunichte machte, war der Regimechange auf dem Kiewer Maidanplatz (Februar 2014) und die daraufhin erfolgte Abspaltung der Krim. Letztere wird bis heute als russische „Annexion“ verkauft, um Wirtschaftssanktionen und eine „Rückeroberung“ der „besetzten“ Halbinsel zu rechtfertigen. Was Kiew unter „Befreiung“ der abtrünnigen Krim versteht, zeigt ein jüngst verkündeter „12-Punkte-Plan“: Statt einer Politik der nationalen Versöhnung, wie sie selbst in Ruanda zwischen Tutsis und Hutus versucht wird, droht ein Schreckensregime aus Deportationen, ethnischer Säuberung und politischer Umerziehung des russischstämmigen oder „mit dem Feind kollaborienden“ Bevölkerungsteils.[38] Mittlerweile verbreiten auch russische Hardliner wie der stellvertretende Leiter des Sicherheitsrates oder gewisse Fernsehmoderatoren ähnlich totalitäre Töne, im Vergleich zu denen Putin moderat und besonnen erscheint. Daher ist die Vorstellung, ein Abzug russischer Truppen führe per se, d.h. ohne vorherige diplomatische Verträge, zu „Frieden“, illusorisch! Das gilt erst recht bei Zugrundelegung des vom Internationalen Gerichtshof (IGH) seit den 90er Jahren vertretenen „positiven“ Friedensbegriffs, der nicht nur territoriale Grenzverletzungen, sondern auch „gravierende Menschenrechtsverletzungen“ als „Friedensgefährdung“ im Sinne der UN-Charta interpretiert.[39]

 „Nur ein toter Russe ist ein guter Russe“?[40]

Jüngst zeichnete Kiew einen Mann mit der Medaille für „Ruhm und Ehre“ aus, der für die „Zeit nach dem Krieg“ forderte, alle zu „eliminieren“, die im Krieg auf Seiten Russlands teilnahmen. Selbst für „Ideologen und Propagandisten“, die „bloß intellektuell“ zum Krieg gegen die Ukraine „beitrugen“, müsse gelten: „Wo immer sie sind: Sie und ihre Familienangehörigen müssen eliminiert werden. Ebenso Mitglieder der OPZZH-[Mitte-/Links]-Parteien.“ Dafür soll die Todesstrafe sowie das Recht zur Bewaffnung und zum „Duell“ eingeführt werden.[41] Ohnehin betreibt Selenskij hinsichtlich der Ostukraine eine Politik der verbrannten Erde, wie sein Berater Michail Podoljak bekannt gab: „Was uns das Völkerrecht garantiert, d.h., wir haben das Recht, alles auf dem Territorium der Krim, der Gebiete Lugansk (LVR), Donezk (DVR), Saporoschje und Cherson zu zerstören.“[42] Wie kann man im Brustton der Überzeugung behaupten, wenn Russland mir-nichts-dir-nichts abzöge, würde „Frieden“ einkehren? Würde für die Zivilbevölkerung das Schlachten nicht erst richtig beginnen (so wie 1945 die Ermordung, Verfolgung und Vertreibung der Deutschen in Polen und der Tschechoslowakei)?  Es bräuchte zumindest eine „demilitarisierte Zone“ wie zwischen Süd- und Nordkorea.

Kriegslüge 2: Der „Euro-Maidan“so hatte man nicht gewettet …

Die ukrainische Tragödie begann mit dem „Euro-Maidan“ – keine friedliche Revolution wie 1989 in Deutschland, sondern ein brutal verlaufener Putsch gegen den immerhin demokratisch gewählten Präsidenten Viktor Janukowytsch. Laut Zeugenaussagen gegenüber der New York Times hätten „Maidan-Unterstützer Waffendepots gestürmt und etwa 900 Kalaschnikows und Pistolen erbeutet.“[43] Gedungene Scharfschützen – wohl ausländische Veteranen aus Georgiens „Farbrevolution“[44] – zielten sowohl auf Polizisten, als auch auf Demonstranten, um die Menge aufzuhetzen. Und ohne die ultranationalistischen Kräfte der Bandera-Anhänger wäre der Umsturz kaum durchführbar gewesen. Zu diesem Zweck war der „rechte Sektor“ von CIA & Co. finanziert, aufgerüstet, trainiert und gegen Russland gehetzt worden (ähnlich wie zuvor afghanische Mudschahidin, „Al Quaida“ und „IS“ gegen Serbien und Syrien[45]). Nach anfänglicher Kritik des EU-Parlaments und Israels am Bandera-Kult redeten die Transatlantiker den Europäern ein, daß die Farbrevolutionen von 2004 und 2014 der Implementierung von „Demokratie“ in der Ukraine dienten.

Durch seinen gewaltsamen und verfassungsbrüchigen Charakter zerstörte der Maidanumsturz die Geschäftsgrundlage der Verträge zwischen NATO bzw. Kiew einerseits und Russlands andererseits (NATO-Russland-Akte, Schlußakte von Helsiki und Budapester Memorandum).[46] Alle Seiten wurden vertragsbrüchig, aber die Verträge waren durch die Maidan-Revolution bereits Makulatur geworden – spätestens seit dem Massaker von Odessa am 2. Mai 2014: An diesem Tag verbrannte ein „westorientierter“, antirussischer Mob aus ukrainischen Faschisten vorsätzlich achtundvierzig Maidangegner im dortigen Gewerkschaftshaus, ohne vom Kiewer Regime strafrechtlich belangt zu werden.[47] Das Tischtuch ist zerrissen und das Land im Bürger- und Bombenkrieg ethnokulturell gespalten. Das müßte Kiew bei Friedensverhandlungen vernünftigerweise berücksichtigen. Selbst Henry Kissinger schlug (in Davos) in Anbetracht der verfahrenen Situation vor, den Donbass als neurussisches Territorium zu akzeptieren.

Eine fiktive „Farbrevolution“ in Berlin …

Nach der Maidanrevolte entstand in der mehrheitlich russischstämmigen Bevölkerung auf der Krim und im Donbass der Ruf nach Selbstbestimmung gemäß der völkerrechtlich verbindlichen Internationalen Menschenrechtskonvention („Zivilpakt“)[48] und – als die Autonomie-Bestrebungen gewaltsam unterdrückt wurden – nach Sezession und Anschluß an Russland.[49] Um das einmal zu illustrieren:

Angenommen, in Berlin würde eine islamistische Bewegung nach wochenlangen Protest-Demonstrationen mit Unterstützung der Türkei schließlich gewaltsam die Macht ergreifen und das Recht der Scharia einführen – und der „Freistaat Bayern“ plane deshalb ein Referendum über seine „Unabhängigkeit“ von der Bundesrepublik: Dürfte die neue Regierung den Separatismus gewaltsam unterdrücken, indem sie Panzer Richtung München schickt und bayrische Dörfer samt Zivilisten bombardiert? (So verfuhr die Kiewer Regierung mit dem Donbass.[50]) Dürfte Bayern als ultima ratio von Deutschland sezessionieren? Und Österreich den neuen Staat sogleich „anerkennen“, um dann Truppen zur „humantitären Intervention“ zu entsenden, um „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu unterbinden?

Der gordische Knoten des Völkerrechts

Das ist die Gretchenfrage des Völkerrechts. Beantwortet wurde sie im Oktober 1970 in der Friendly-Relations-Deklaration der UNO-Vollversammlung:[51] Einstimmig votierten alle UNO-Staaten dafür, daß das Gewaltverbot der UN-Charta (Artikel 2 Nr.4) nicht nur für „internationale Beziehungen“, sondern auch für innerstaatliche Konflikte gelten muss – selbst wenn als ultima ratio die Abspaltung eines Teils des staatlichen Territoriums (Sezession) , im Raum steht.[52] Kurz: Jede gewaltsame Unterdrückung von Autonomiebestrebungen von Völkern ist völkerrechtswidrig.[53] Obwohl Resolutionen der UN-Generalversammlung als rechtlich unverbindlich gelten, wurde diese UN-Deklaration als „Meilenstein“ in der Entwicklung des Völkerrechts betrachtet. „Wenn der Staat die nach Autonomie oder gar einem eigenen Staat strebende Minderheit durch seine Herrschaftsausübung diskriminiert, kann er seinen Anspruch auf territoriale Integrität nach dem gegenwärtigen Völkerrecht verwirken“ (so Knut Ipsen u.a., Völkerrecht;[54] ähnlich der Staatsrechtslehrer Karl Albrecht Schachtschneider[55]; auch Ulrich Vosgerau in seiner Habilitationsschrift[56]).[57]

Eine pointierte Begründung lieferte 2010 der Richter C. Trindade beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in seinem Sondervotum zur Sezession des Kosovo von Serbien: „What matters are people, not states.“[58] Soll heißen: Staaten haben keinen Selbstzweck. Sie sind um der Menschen bzw. der Völker willen da – nicht umgekehrt!

Dies sollte auch beim aktuellen Konflikt um die ostukrainsche Donbass-Region berücksichtigt werden. Denn wenn das Gewaltverbot der Charta auch für binnenstaatliche Konflikte gilt, dann muss das „natürliche“ Recht zur Selbstverteidigung und Nothilfe (über den Wortlaut von Artikel 51 UN-Charta hinaus, der nur „Mitglieder der UN“ zu schützen scheint[59]) auch „De-facto“-Staaten zustehen, die (noch) nicht international anerkannt sind, wenn deren Zivilbevölkerung bombardiert wird  – wie eben ab 2014 den vier umstrittenen Oblasten in der Ukraine.

Kriegslüge Nr. 3: „Annexion“ der Krim

Der amerikanische Journalist Keir Simmons besuchte jüngst die Krim-Halbinsel, um die Menschen nach ihren Wünschen zu befragen – prompt steht er online auf der „Feindes“-Liste des ukrainischen Geheimdienstes.[60] Ist ein Stimmungsbild der Krim-Bewohner „tabu“? Womöglich wollen diese gar nicht „rückerobert“ werden? Ähnliches könnte für die Menschen im Donbass gelten. WELT-Chefreporter Steffen Schwarzkopf berichtete aus dem umkämpften Bachmut (Oblast Donezk), viele Einwohner hätten ihm erzählt, sie würden auf die russische Armee warten: „Man darf nicht vergessen, dass viele Menschen dort prorussisch sind“[61] – zumal sie acht Jahre lang von Kiewer Bataillonen bombardiert worden waren, während die Vereinten Nationen wegschauten.

Das zur Abspaltung von der Ukraine führende Krim-Referendum fiel eindeutig aus. Aber es wird international nicht anerkannt, weder von der EU, noch von der UNO[62] – und die OSZE weigerte sich, es auch nur zu beobachten. Warum? Erstens, weil die ukrainische Verfassung eine Sezession „verbiete“[63] (damit wird das Selbstbestimmungsrecht der Völker „im ethnischen Sinne“, negiert; außerdem fällt dabei der bereits zuvor erfolgte Verfassungsbruch der Maidan-Putschisten unter den Teppich, s. oben).

Zweitens, wegen der seinerzeitigen russischen „Militärpräsenz“. Jedoch bezog sich deren Zwangswirkung „weder auf die Erklärung der Unabhängigkeit, noch auf das nachfolgende Referendum“, wie Prof. Reinhard Merkel in der FAZ erläuterte:[64] „Sie sicherte [nur] die Möglichkeit des Stattfindens dieser Ereignisse; auf deren Ausgang nahm und hatte sie keinen Einfluss.“ Das Krim-Referendum hat also – entgegen verbreiteter Ansicht – keineswegs „mit der Pistole an der Schläfe“ stattgefunden. Russland verhinderte lediglich „ein militärisches Eingreifen des Zentralstaats zur Unterbindung der Sezession. Das ist der Grund, warum die russischen Streitkräfte die ukrainischen Kasernen blockiert und nicht etwa die Abstimmungslokale überwacht haben.“ Dadurch haben sie „einen blutigen Einsatz von Waffengewalt auf der Krim verhindert“ [sic!]. Das verletze zwar das „zwischenstaatliche Interventionsverbot“, mache aber „die dadurch ermöglichte Sezession keineswegs nichtig.“

Kriegslüge Nr.4: Russlands „unprovozierter Angriffskrieg“

Überzeugender erscheint bei einer solchen Sachverhaltskonstellation sogar eine Interpretation als völkerrechtlich zulässige „Nothilfe“ im Sinne der modernen US-„Responsibility to protect“-Doktrin.[65] Jedoch folgt aus beiden Auffassungen das Gleiche: daß die Sezession rechtsgültig war.[66] Dann aber ist die schon seit März 2021 angeordnete (und möglicherweise Mitte Februar 2022 nach OSZE-Beobachtungen bevorstehende[67]) „Rückeroberung“ der Krim ihrerseits ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg – den Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen keineswegs unterstützen oder „vorbereiten“ darf (Artikel 26 GG[68]). Russland durfte sich hiergegen verteidigen, möglicherweise auch präventiv – wenn auch nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und selbstverständlich ohne Begehung von Kriegsverbrechen – die Menschenrechtsorganisationen mittlerweile auf beiden Seiten konstatieren. Aber der Tatbestand eines russischen „Angriffskriegs“ ist nicht so eindeutig, wie allgemein angenommen.[69]

Wirtschaftssanktionen völkerrechtswidrig

Aus der Rechtsgültigkeit der Krim-Sezession folgt zudem, daß die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland völkerrrechtswidrig sind,[70] wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT). Beim EuGH sind viele Klagen dieserhalb anhängig. Das GATT erlaubt den Mitgliedstaaten Wirtschaftssanktionen nur „zum Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen“.[71] Daher ist zu berücksichtigen, daß die Ukraine weder Mitglied in der EU, noch in der NATO ist.[72] Jedenfalls Straf-Sanktionen gegen ausscherende Staaten, die sich nicht an Embargos halten, verstoßen gegen Artikel 2 Ziff. 7 UN-Charta (Eingriff in innere Angelegenheiten anderer Staaten), „wenn ein Nötigungselement hinzutritt“– so der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages.[73] Aktuell verurteilte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrats generell die „einseitige“ Sanktionspolitik des Westens.[74] [75]

Schließlich verliert bei – juristisch richtiger – Annahme, daß die Krim rechtsgültig sezioniert hat, auch der Betrug an der Donbass-Bevölkerung und seiner Schutzmacht Russland im Zusammenhang mit dem Minsker Abkommen (das Kiew, Berlin und Paris nur zum Schein eingegangen waren, um „Zeit“ für die Aufrüstung der Ukraine „zu gewinnen“), jede moraliche Legitimation.

 Das „Drehbuch“ der Falken

Nach dem Ende des kalten Krieges wollten die US-Falken weder Russland in die westliche Allianz aufnehmen, noch eine „multipolare Weltordnung“. Stattdessen verfolgte die atlantische Seemacht ihr „Drehbuch“[76] der nun „einzigen Supermacht“. Dies verlangte die globale Ausdehnung der militärgestützten Dollarherrschaft, und dafür war jedes Mittel recht:[77] Denkwürdig etwa ein CBS-Fernseh-Interview mit der früheren US-Außenministerin Madeleine Albright (1996): Auf Frage, „ob das US-amerikanische Embargo gegen den Irak, das einer halben Million irakischer Kinder das Leben kostete („mehr als Hiroshima“),[78] diesen Preis wert gewesen sei“, antwortete sie allen Ernstes: „Ja. Das ist eine schwere Entscheidung, aber wir finden, es war diesen Preis wert.“[79]

Diese „Haltung“ besteht unverändert: Im August 2022 stellte der US-Senator a.D. Richard Black fest: “Es ist uns egal, wie viele Ukrainer sterben. Wie viele Frauen, Kinder, Zivilisten, Soldaten sterben werden. Es ist wie ein wichtiges Fußballspiel, und wir wollen gewinnen”.[80] General Kellogg „dachte“ laut im US-Streitkräfteausschuss (Januar 2023): „Wenn wir hier einen strategischen Gegner (Russland) besiegen können, ohne US-Truppen einzusetzen, ist das der Höhepunkt der Professionalität. Wenn man die Ukraine Russland besiegen lässt, ist dieser Gegner vom Tisch. Dann können wir uns auf unseren Hauptgegner China konzentrieren.“[81]

Waffenstillstand „inakzeptabel“

Endgültig ließ der Pressesprecher des Weißen Hauses die Katze aus dem Sack: „Wenn es infolge von Xis Besuch in Moskau einen Waffenstillstand geben sollte, wäre das für uns inakzeptabel.“[82] Schon im März 2022 hatten die Angloamerikaner das Zustandekommen eines Waffenstillstands- und Friedensabkommens sabotiert. Dieses sah vor, daß Russland sich aus dem Donbass zurückzieht(!), falls Kiew auf einen NATO-Beitritt und Raketenstationierung vor Russlands Haustür verzichtet. Doch mittlerweile – im Herbst 2022 – haben sich die vier umstrittenen „Oblasten“ nach Volksreferenden der Russischen Förderation angeschlossen. Damit dürfte für die Ukraine die einmalige und wohl letzte Chance auf friedliche Rückerlangung ihres Territoriums ungenutzt verstrichen sein! „Bedanken“ darf sie sich bei den Briten und den USA.

Mit Uranmunition zum „gerechten Frieden“

Warum führen die USA diesen Stellvertreterkrieg? Um „Russland das Rückgrat zu brechen“. Der Befehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, räumte es unumwunden ein.[83] Hingegen erklärte Pressesprecher Kirby die Verteidigung von sexueller Selbstbestimmung („LBTQ“) und „Menschenrechten“ zum „Prinzip amerikanischer Außenpolitik“.[84] Gipfel der Absurdität war die Begründung für den Angriffskrieg auf den Irak 2003: Das irakische Volk sollte „befreit“ und Sadams angebliche „Massenvernichtungswaffen“ zerstört werden – während Amerikaner und Engländer Uranmunition einsetzten, mit entsetzlichen Folgen: Vergiftung der Umwelt mit radioaktivem Staub, Krebsschäden und Neugeborene mit grauenhaften Erbschäden[85] – worüber seinerzeit eine WDR-Doku aufklärte: „Nach dem Aufschlag zerstäubt sie in Nanopartikel von hoher Radioaktivität, die eingeatmet werden und sich überall niederschlagen“.[86] Mit Uranmunition hatten US-Truppen schon während des Erstens Golfkriegs (1991) und der Bombardierung Jugoslawiens im Jahr 1999 experimentiert. Aktuell wollen die Briten der Ukraine Uranmunition (Granaten mit abgereichertem Uran) liefern, obwohl das die umkämpfte Donbass-Region, eine der Kornkammern der Welt, für lange Zeit verseuchen wird. Soviel zur Propaganda, man wolle die „regelbasierte Weltordnung“ retten. Es geht nie um „die Menschen“ oder „gerechten Frieden“, sondern um Vorherrschaft um jeden Preis.

Auch in der UNO: Mit Speck fängt man Mäuse …

Jedoch wächst der Einfluß der „BRICS“-Staaten unter Beteiligung Russlands, Chinas und Indiens kontinuierlich, während der „Westen“ kaum noch ein Achtel der Weltbevölkerung repräsentiert. Soweit die USA noch Mehrheiten bei UNO-Resolutionen generieren können, verdankt sich dies u. a. dem Stimmenkauf nach dem Motto ´Mit Speck fängt man Mäuse´. Der deutsch-amerikanische Völkerrechtler und UNO-Insider Alfred de Zayas kritisierte jüngst: „Es ist kein Geheimnis, dass der UN-Menschenrechtsrat im wesentlichen den Interessen der westlichen Industrieländer dient (…). Erpressung und Mobbing sind gängige Praktiken, und die USA haben bewiesen, dass sie über genügend «soft power» verfügen, um schwächere Länder zu überreden (…) – ein Telefonanruf des Botschafters reicht aus. Den Ländern wird mit Sanktionen gedroht – oder mit Schlimmerem, wie ich von afrikanischen Diplomaten erfahren habe. (…) Nur Grossmächte können es sich leisten, ihre eigene Meinung zu haben und entsprechend abzustimmen.“[87]

 „Die Angst des weißen Mannes – ein Abgesang“

Günter Verheugen brachte im Cicero die Lage auf den Punkt: „Der Westen treibt Russland immer weiter in die Arme von China. Der sino-russische Block, (…) hat ein furchterregendes wirtschaftliches und militärisches Potential.“ Hier funktioniert das divide et impera der USA eben nicht mehr.

Schon jetzt verliert der Westen den Ukraine-Krieg gegen Russland (sofern er einen atomaren Weltkrieg vermeiden will). Die im Juni 2023 erfolgte ukrainische „Gegenoffensive“ ist komplett gescheitert – was zum typischen Umdenken bei US-Thinktanks führt, nach dem Motto: Wie werden wir den Mühlstein Ukraine, dieses Faß ohne Boden, wieder los? (https://www.anti-spiegel.ru/2023/ukrainische-offensive-laeuft-nicht-westliche-arsenale-sind-leer/)

Der Westen zieht auch ökonomisch durch sein sich als Bummerang erweisendes Embargo, an das sich jenseits der EU kaum jemand hält, den Kürzeren. Und – das Entscheidende – er verliert aufgrund seiner unfaßbaren Arroganz vor den Augen der Weltöffentlichkeit moralisch „diesen internationalen Kampf um die Mehrheit“.[88] Vor dieser Entwicklung hatte Peter Scholl-Latour stets gewarnt („Die Angst des weißen Mannes – ein Abgesang“, 2010), ebenso wie Alt-Kanzler Helmut Schmidt. Das Narrativ vom „unprovozierten russischen Angriffskrieg“ kauft man außerhalb Europas schon wegen der US-Kriegslügen der letzten Dekaden nicht mehr ab.[89]

Und dann Verheugens entscheidender Hinweis: „Die EU ohne jegliche Anbindung Russlands wird nicht das Gewicht auf die Waage bringen, das nötig wäre, um eine gleichwertige Macht neben den anderen aufstrebenden Mächten zu sein.“[90] Ist das nicht längst verschüttete Milch? Nicht unbedingt. Es kann jetzt nur darum gehen, nicht noch allerletzte Chancen auf eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Russland zu zerstören. Erster und wichtigster Schritt wäre die Reparatur und Inbetriebnahme der für die deutsche Wirtschaft und deren Wettbewerbsfähigkeit existentiellen deutsch-russischen Gasrohre in der Ostsee – zumal eine der vier Rohre unbeschädigt blieb -, sowie das Zurückfahren der selbstmörderischen Wirtschaftssanktionen.[91]

Fazit: Russland ist nicht der Feind – und die USA nicht der Freund!

Solange das „Beuteland“[92] Deutschland seine Bestände noch nicht als „Retter“ des Euros, der Ukraine, des „Klimas“ und für „Flüchtlinge“ „ohne Obergrenze“ vollständig verfrühstückt hat, sind auch seine politischen Optionen noch nicht restlos zerronnen. Aber das Zeitfenster schließt sich. Die Deutschen müssen erkennen, daß Russland nicht ihr Feind, und die USA nicht ihr Freund ist.[93] Macron forderte nach seinem Chinabesuch Europa auf, „im Taiwan-Konflikt kein Vasall zwischen den USA und China, sondern ein dritter Pol zu sein.“[94] Immerhin ein Anfang. Aber ohne Russland hat das weder Hand, noch Fuß.


Siehe zum Ukraine-Krieg bereits vom selben Autor (20.04.2022): Kleine Kulturphilosophie zum Russisch-Ukrainischen Krieg | RA Heumann: Politik – Deutschland – Europa (heumanns-brille.de)
sowie (29.04.2022): „Heil der Ukraine!“ Ist der „Kampf gegen rechts“ zu Ende? RA Heumann: Politik – Deutschland – Europa (heumanns-brille.de)

Endnoten:

[1] Zit. nach: Peter Scholl-Latour, Russland im Zangengriff, Ullstein 2007, S. 57.

 [2] Laut Präambel des 2+4-Vertrages war man „ENTSCHLOSSEN, die Sicherheitsinteressen eines jeden [Vertragsstaates] zu berücksichtigen, ÜBERZEUGT von der Notwendigkeit, Gegensätze endgültig zu überwinden (…).“

 [3]  Der UNO-Generalsekretär sieht die „dunkelste Stunde der Menschheit näher als je zuvor“ (RT.de, 08.02.2023); Brigadegeneral a.D. Helmut Ganser warnt vor „Schlafwandeln in eine Katastrophe für ganz Europa“, 31.01.2023, https://www.ipg-journal.de/(…)wenn-sich-der-nebel-des-krieges-lichtet-6476/; https://www.freiewelt.net/ us-colonel-richard-black-so-nah-am-atomkrieg-wie-nie-zuvor-10092291/

 [4] https://exxpress.at/polens-botschafter-sagt-erstmals-faellt-die-ukraine-fuehrt-die-nato-den-krieg-weiter/

 [5] Der dt.-polnische Journalist Elem Chintsky vermutet sogar, Polen wolle aus revisionistischen Motiven in der Ukraine „freundlich einmarschieren“ (RT.de, 18.04.2023, hyaene-europas-bittet-bei-onkel/).

 [6] Carroll Quigley, Das anglo-amerikanische Establishment. Geschichte einer geheimen Weltregierung (1981).

 [7] Peter Haisenko, England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jhd., Die perfiden Strategien des British Empire (Anderwelt Verlag 2010, 4. Aufl. 2016), S. 224 und passim.

[8] Fabian Küble, 27.03.2023, https://www.freilich-magazin.com/welt/eine-bestandsaufnahme-1

 [9] T-online.de, 06.04.2023, nach-treffen-zwischen-mccarthy-und-tsai-china-kuendigt-reaktion-an.html

 [10] Wie Gabor Steingart berichtet („The Pioneer Briefing Economy Edition“), Email-Newsletter, 15.04.2023.

 [11] Z. T. wird behauptet, das völkerrechtliche Selbstbestimmungsrecht stünde nur Völkern der Dritten Welt zu, die einst unter Kolonialherrschaft standen (also nicht den europäischen Völkern). Das ist Unsinn, wie schon der eindeutige Wortlaut des Art. 1 I Zivilpakt von 1966 („Alle Völker …) zeigt. Außerdem negiert diese Position die gesamte philosophische (kantianische) Grundlage der UN-Nachkriegsordnung (s. hierzu die Schriften von K. A. Schachtschneider, etwa „Die nationale Option“, Kopp 2017). – Zum angeblich verfassungswidrigen „ethnischen Volksbegriff“: Israel z. B. wurde als Nationalstaat der Juden konzipiert. „Der Staat Israel ist der Nationalstaat des jüdischen Volkes, in dem es sein natürliches, kulturelles, historisches und religiöses Recht auf Selbstbestimmung ausübt. Die Verwirklichung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung ist im Staat Israel einzig für das jüdische Volk“ (Nationalstaatsgesetz von 2018, Nr. 1, Grundprinzipien).  Alle, die einen „ethnischen Volksbegriff“ als grundgesetzwidrig brandmarken, stellen sich somit in schärfsten Gegensatz zur jüdisch-israelischen Identitätspolitik, damit frontal zu Israel an und für sich, und sind daher die eigentlichen „Antisemiten“. Geradezu absurd ist es, wenn ausgerechnet diejenigen, die ihre besondere Liebe für Israel offensiv und politisch korrekt vor sich hertragen, deutsche Bürger und Parteien, die den totalen Abschied vom ethnischen Volksbegriff verweigern, als Antisemiten oder Rassisten politisch verfolgen.  Auch viele andere Verfassungen, wie etwa von Ungarn, Polen – und gerade auch der heute sakrosankten Ukraine(!) – zementieren eine nationalstaatliche Identität. Martin Sellner kritisiert zu Recht, daß nach Verständnis des deutschen Verfassungsschutzes all diese Verfassungen logischerweise „Verstöße gegen die Menschenrechte und die Menschenwürde bedeuten“ müßten – in der Tat ein unhaltbares Rechts- und Staatsverständnis, das Deutschland zur Speerspitze eines – in globaler Hinsicht – (völkerrechtswidrigen!) westlichen Sonderweges machen will.

[12] „1959 stimmte die Türkei der Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen zu. Insgesamt wurde bis 1960 eine US-amerikanische Staffel mit 26 Raketen aufgestellt.“ (Wikipedia, NATO-Entwicklung 1955 bis 1967).

[13] so RA Rainer Thesen, Tatort Ukraine, Völkerrechtliche Betrachtungen, Book-Today 2022.

 [14] „USA rüsten Polen weiter auf“, Deutsche Welle, DW.com, 13.02.2019.

 [15] „NATO treibt Raketenabwehr in Osteuropa voran“, DW.com, 13.05.2016.

 [16] So etwa der Völkerrechtler Matthias Herdegen, Der Kampf um die Weltordnung, C.H. Beck (2018), S. 11.

 [17] Peter Haisenko a.a.O.

[18] RT.de, 11.04.2023, Jüngste Feindseligkeiten zwischen syrischen und US-Streitkräften.

 [19] P. Heisenko, ebd., S. 210

 [20] „Läßt sich die Nato, auf der Suche nach neuen Aufgaben, ohne Not auf Abenteuer ein?“, Doku „Russland im Zangengriff – Peter Scholl-Latour berichtet“ (dctp.tv, „Primetime“).

 [21] P. Scholl-Latour, Die Welt aus den Fugen (Ullstein 2012), S. 68/69.

 [22] „12 EU-Mitgliedstaaten: Österreich, Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien.“ (URL: http://three-seas.eu/)

 [23] Adam Golkontt, Historischer Blick auf die polnische Zwischenmeeres-Doktrin im Kontext der Ukraine, in: Agora Europa, Ausgabe 3, Dez. 2022, S. 41 ff.

 [24]  „Die Ukraine erhielt den Status eines Partner-Teilnehmers der Drei-Meere-Initiative“ (https://www.eurointegration.com.ua/news/2022/06/21/7141676/, 06.06.2022). „Im Februar 2020 kündigte US-Außenminister Mike Pompeo bei der Münchener Sicherheitskonferenz eine Zahlung von einer Milliarde US-Dollar an die Drei-Meere-Initiative an. Auf dem Gipfel am 20. Juni 2022 forderte der ukrainische Präsident Selenskyj per Video den Beitritt seines Landes und erhielt ihn auch umgehend.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Drei-Meere-Initiative, Abruf 10.04.2023).

 [25] Deutsche Welle, 05.06.2019, https://www.dw.com/de/berlin-wertet-drei-meere-initiative-auf/a-49063402

 [26] P. Scholl-Latour, Russland im Zangengriff, a.a.O, S. 11.

 [27] Overton-Magazin.de, 12.04.2023, charles-michel-stellt-sich-hinter-macron-fuer-polen-ist-das-alte-europa-gescheitert/

 [28] Scholl-Latour a.a.O., S. 59.

[29] So auch Hansjörg Müller, Scheindemokratie, Anderweltverlag 2022, S. 224

 [30] „Die deutsche Politik hat bisher kein Konzept erarbeitet, wie sie in ihrer Russlandpolitik die Interessen Polens und der Länder des Zwischenmeer-Raumes berücksichtigen möchte“ (A. Golkontt a.a.O., S. 47).

 [31] V. a. Polen unterfüttert seinen (großpolnisch) „nationalen Traum“ mit der „These vom unwandelbar imperialen Charakter des gegenwärtigen russischen Regierungssystems. (…) In der polnischen Publizistik ist von Appeasement die Rede. Ungehemmt wird die historische Analogie zum Versagen der Westmächte gegenüber Hitler in den 30er-Jahren bemüht.“ (Christian Semler, 22.08.2008, https://taz.de/Debatte-US-Raketen-in-Polen/!5176958/)

 [32] Etwa John Mearsheimer und neuerdings Jeffrey Sachs, 30.06.2022: „Der Krieg in der Ukraine ist der Höhepunkt eines 30-jährigen Projekts der amerikanischen neokonservativen Bewegung (Neocons). In der Regierung Biden sitzen dieselben Neokonservativen, die sich für die Kriege der USA in Serbien (1999), Afghanistan (2001), Irak (2003), Syrien (2011) und Libyen (2011) starkgemacht und die den Einmarsch Russlands in die Ukraine erst provoziert haben.“ (https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/die-ukraine-ist-die-neueste-katastrophe-amerikanischer-neocons-li.242093

[33]Zdf.de, 28.02.2023 /stoltenberg-ukraine-nato-mitglied-krieg-russland-100.html

 [34] Joe Biden 1997: „Ich denke, die größte Bestürzung im Hinblick auf die Nato-Russland-Beziehungen, bzw. US-Russland-Beziehungen, würde kurzfristig entstehen, wenn die baltischen Staaten jetzt in die Nato aufgenommen würden – (…). Und wenn es irgendetwas gäbe, das das Gleichgewicht im Sinne einer heftigen und feindseligen Reaktion – ich meine nicht militärisch – in Russland zum Kippen bringen würde, dann wäre es das.“ (https://correctiv.org/faktencheck/2022/05/20/nein-joe-biden-sagte-1997-nicht-dass-eine-expansion-der-nato-eine-militaerische-reaktion-russlands-ausloesen-wuerde/)

 [35] „Stoltenberg hat indes angedeutet, dass Kiew erst den Krieg gegen Russland gewinnen müsse.“ (Merkur.de, 20.04.2023, ukraine-nato-beitritt-vilnus-nato-gipfel-stoltenberg-gespraeche-selenskkyj-militaeerbuendnis-einladung-zr-92224898.html)

[36] FAZ.net, 08.04.2023, /blinken-schliesst-verhandlungen-zwischen-kiew-und-moskau-aus-18808410.html

[37] Woodrow Wilson, zit. nach Cora Stephan, 25.04.2023, https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/stephans-spitzen/baerbock-wertewesten/

[38] Focus.de, 03.04.2023, /ukraine-krise/ukraine-veroeffentlicht-12-punkte-plan-fuer-die-befreiung-der-krim_id_190016267.html

[39] Ulrich Vosgerau, Staatliche Gemeinschaft und Staatengemeinschaft, Mohr Siebeck 2016, S. 45.

 [40] So die Kiewer Stadträtin Alina Mykhailova, nachdem ihr Freund bei Bachmut fiel (https://twitter.com/nafortsa/status/ 1630965445812535296?s=20)

[41] Ivan Zaliznyak (alias Pilinchuk), URL: https://politpro.eu/de/ukraine/parteien#opzzh

[42] Peter Haisenko, 26.04.2023, https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20231/warum-laesst-selenskij-so-verbissen-um-bachmut-kaempfen/ („Kiews Soldaten plündern und brandschatzen alles, was sie aufgeben müssen. Aber auch dort, wo sie schon seit acht Jahren vertrieben sind, richten sie nach wie vor große Schäden an und haben so mehr als 14.000 Zivilisten ermordet. Die Stadt Donezk und das Umland wird immer noch mit schweren Waffen im NATO-Kaliber beschossen und täglich gibt es neue Opfer. Dass das Kriegsverbrechen sind, steht außer Frage.“)

 [43] Der SPIEGEL spricht von „blutigen Straßenschlachten auf dem Kiewer Maidan-Platz“, behauptet allerdings, Präsident Janukowitsch hätte „auf sein Volk schießen“ lassen. Obwohl mindestens „dreizehn Polizisten ums Leben kamen“, erschossen von „Demonstranten“ (https://www.spiegel.de/video/gefasst-die-todesschuetzen-vom-kiewer-maidan-platz-video-1660143.html). Scharfschützen, die im Februar 2014 auf dem Kiewer Maidan-Platz Demonstranten und Polizisten töteten, wurden nicht von Janukowitsch geschickt, sondern von der rechtsextremen Organisation Rechter Sektor. (Stephen F. Cohen, America’s Collusion With Neo-Nazis, Neo-fascists play an important official or tolerated role in US-backed Ukraine, 02.05.2018, https://www.thenation.com/ article/archive/americas-collusion-with-neo-nazis/). „Soros und Co. wollen die jahrhundertealten Verflechtungen zwischen Ukraine und Russland lösen – um die Ukraine für westliche Werte zu öffnen, aber auch als Absatzmarkt für westliche Unternehmen. Auf den Euro-Maidan-Umsturz hat Putin reagiert – und nun herrscht Krieg im Osten des Landes.“ (SWR2, „das Kulturprogramm des Südwestrundfunks“, 08.11.2017, Sende-Manuskript, S. 26, zit. nach Peter Helmes, Die „große Transformation“, 25.04.2022, URL: https://www.conservo.blog/2022/04/25/die-grosse-transformation-die-zerstoerung-unserer-demokratien/ und http://www.swr.de/-/id=20605396/property=download/nid=659934/utsv37/index.pdf (Link auf SWR.de funktioniert zwischenzeitlich nicht mehr).

[44] F. William Engdahl, Geheimakte NGOs, Wie die Tarnorganisationen der CIA Revolutionen, Umstürze und Kriege anzetteln (Kopp 2017).

 [45] Engdahl a.a.O., passim

 [46] Wegfall der Geschäftsgrundlage: „grundlegende Änderung der beim Vertragsabschluss gegebenen Umstände, die von den Vertragsparteien nicht vorausgesehen wurde“ (vgl. Art. 62 I Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969).

[47] Spiegel.de, 04.11.2015, Die Schande von Odessa, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-europarat-kritisiert-ermittlungen-zu-strassenschlachten-a-1060987.html

[48] „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale u. kulturelle Entwicklung.“ (Art. 1 I).

[49] K. A. Schachtschneider, Erinnerung ans Recht, Essays zur Politik unserer Tage (2016), S. 305 ff./ 310 ff.

 [50] Im Frühjahr 2023 behauptete der Berater von Selenskij, Michail Podoljak, „das Völkerrecht“ garantiere der Ukraine „das Recht, alles auf dem Territorium der Krim, der Gebiete Lugansk (LVR), Donezk (DVR), Saporoschje und Cherson zu zerstören“, also das Recht zu einer ´Politik der verbrannten Erde´ (zit. nach Peter Haisenko, https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20231/selenskijs-berater-wir-haben-das-recht-alles-zu-zerstoeren/ 26.04.2023).

[51] UN-Deklaration 2625 (XXV). Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen (24.10.1970), http://www.un-documents.net/a25r2625.htm

 [52] Ulrich Vosgerau a.a.O., S. 117 f.

 [53] Jeder UN-Staat ist sogar verpflichtet, eine Sezession dort zu unterstützen, wo sie gewaltsam unterdrückt wird (so K. A. Schachtschneider in einem Vortrag, u.a. zur völkerrechtlichen Lage der Krim).

 [54] Knut Ipsen u.a. S. 368 f., zit. nach Wikipedia.

[55] K. A. Schachtschneider, Erinnerung ans Recht, a.a.O., S. 305 – 318.

[56] U. Vosgerau, Staatl. Gemeinschaft und Staatengemeinschaft, a.a.O., S. 47, S. 117 ff. und passim.

[57] Das völkerrechtliche Selbstbestimmungs- und (u.U.) Sezessions-Recht sollte verantwortlicherweise bereits prophylaktisch bei der Zuwanderungspolitik beachtet werden, da sich „Parallelgesellschaften“ verdichten und räumlich ausdehnen können (wie sich u.a. in Deutschland zeigt).

[58] Sondervotum Richter C. Trindade zum IGH-Kosovo-Gutachten, 22.07.2010 (zit. nach Christian Tomuschat, Die Anerkennung von Neustaaten – Die vorzeitige Anerkennung, In: P. Hilpold (Hg.), Das Kosovo-Gutachten des IGH vom 22. Juli 2010 (2012), S. 31–47 (S. 43).

[59] „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.“ (Artikel 51, Satz 1 UN-Charta)

[60] Dort erscheinen Informationen über „pro-russische Terroristen, Separatisten, Kriegsverbrecher und Mörder“, bearbeitet u.a. in „Langley, Virginia“ (CIA-Hauptquartier) und in „Warschau“. „Myrotworez (ukrainisch: Миротворець, lit. ‚Friedensstifter‘), ist eine ukrainische Kiewer Website, die eine laufende Liste und manchmal persönliche Informationen von Personen veröffentlicht, die von den Autoren der Website als „Feinde“ betrachtet werden.“ (https://en.wikipedia.org/wiki/Myrotvorets).

[61] St. Schwarzkopf im Interview, https://www.tiktok.com/@halt.die.presse/video/7207898394919046405

[62] Resolution der UN-Generalversammlung A/RES/68/262 vom 27.03.2014: Eine Mehrheit der Staaten votierte für die Ungültigkeit des Krim-Referendums am 16. März 2014. Die Resolution wurde von 100 UN-Mitgliedstaaten unterstützt. 58 Enthaltungen (!). Elf Staaten (Armenien, Belarus, Bolivien, Kuba, Nordkorea, Nicaragua, Russland, Sudan, Syrien, Simbabwe und Venezuela) stimmten gegen die Entschließung. 24 Staaten nahmen aufgrund Abwesenheit ihrer Vertreter nicht an der Abstimmung teil. (Wikipedia)

[63] Rainer Thesen (Tatort Ukraine, Völkerrechtliche Betrachtungen, a.a.O., S. 33) hält das offenbar für völkerrechtlich zwingend und richtig; jedoch hat er das Selbstbestimmungsrecht der Völker gemäß Art 1 Zivilpakt und der UN-„Friendly-Relations“-Deklaration nicht hinreichend belichtet u. gewichtet.

[64] Reinhard Merkel (2014), https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-krim-und-das-voelkerrecht-kuehle-ironie-der-geschichte-12884464-p4.html).

[65] So Karl Albrecht Schachtschneider a.a.O., der den Krim-Sachverhalt wie R. Merkel auffaßt, aber als völkerrechtlich zulässige „Nothilfe“ i.S. der neuen „respontibility to protect“ interpretiert (ohne daß es entscheidend auf ein UN-Mandat des Sicherheitsrates ankäme); auch Ulrich Vosgerau (a.a.O.) scheint diese Position (abstrakt, ohne konkrete Bezugnahme auf die Krim) zu vertreten. Grundsätzlich pro „humanitäre Interventionen“ – selbst ohne UN-Mandat – auch Herdegen (a.a.O. S. 183 u. 202), jedenfalls wenn „systematischer Regierungsterror“ „evident“ wird.

[66] a. A. Matthias Herdegen (a.a.O., S. 166): „Wollte man unter den für die Krim geltenden Bedingungen ein Sezessionsrecht annehmen, wäre für eine Unzahl von Staaten die territoriale Einheit völkerrechtlich auf das schwerste bedroht“. Kurz zuvor (S. 163) hatte Herdegen noch über neuere UN-Resolutionen der Generalversammlung (2005) und des Sicherheitsrates (2006 und 2011) referiert, die das Dogma der „territorialen Einheit“ insoweit relativierten, als sie bei „crimes against humanity“ – v.a. seitens Staatsorganen gegenüber der eigenen Bevölkerung – eine Schutzverantwortung der UN feststellten.  Daß diese – jedenfalls faktisch und letztendlich – zu einer (vom IGH implizit abgesegneten) rechtmäßigen und überwiegend anerkannten Sezession führen kann, zeigte der Präzedenzfall des Kosovo.

[67] Alfred de Zayas, Zeit-Fragen.ch, 31.05.2022, https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-12-31-mai-2022/doppelte-standards-im-un-menschenrechts-und-sicherheitsrat

[68] „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ (Artikel 26 I GG).

[69] Soweit ersichtlich vertritt unter Juristen bislang einzig Wolfgang Bittner explizit eine andere Auffassung als die h. M. (Ausnahmezustand, Geopolitische Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konflikts, Zeitgeist-Verlag, 2022). Natürlich bedeutet dies kein „Befürworten“ der russischen Invasion!

 [70] Schachtschneider, Erinnerung ans Recht, a.a.O., S. 309.

[71] Die Ausnahmevorschrift des Art. XXI GATT erlaubt den Vertragstaaten Maßnahmen, die (b), „nach ihrer Auffassung zum Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen notwendig sind“, u.a. (iii) bei „ernsten Krisen in den internationalen Beziehungen“. Die Auslegung blieb stets umstritten.

 [72] Oe24.at, 07.09.2022, wiener-star-anwalt-russland-sanktionen-voelkerrechtswidrig/; a.A. Matthias Valta, Verfassungsblog.de, 28.02.2022: „Sanktionen gegen schwerwiegende Menschenrechtsverstöße, relevante Bedrohungen der internationalen Sicherheit und Verstöße gegen (…) zwingendes Völkerrecht sind selbst nicht betroffenen Drittstaaten erlaubt (…)“. Nach Art. 48 des Entwurfs der ICC (International Law Commission/Nebenorgan der UNO), rechtfertigen „ernsthafte“ Verstöße gegen zwingendes Völkerrecht („z.B. Aggression, Sklaverei, Völkermord, Apartheid“) u. U. „sämtliche Staaten“ zu „Repressalien“ (Rainer Hofmann, Script, https://www.jura.uni-frankfurt.de/50085185/Voelkerrecht-II-Teil-2_SoSe-2014.pdf, S. 3)

 [73] Wissenschaftl. Dienste des Bundestages, Auslegung des Artikel XXI GATT durch die Welthandelsorganisation, WD 2-3000-073/18 (S. 8).

 [74] Florian Warweg, 13.04.2023, Abschaffung von Sanktionen als Mittel des Wirtschaftskrieges: Krachende Abstimmungsniederlage für USA und EU im UN-Menschenrechtsrat, (https://www.nachdenkseiten.de/?p=96301).

[75] Gem. Artikel 52 Nr.1 eines Zusatzprotokolls von 1977 zu den Genfer Abkommen „über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten“ (1949) sind u.a. Repressalien wie „das Aushungern von Zivilpersonen als Mittel der Kriegsführung verboten“.

 [76] Noch entlarvender als Brzezinskis „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie zur Vorherrschaft“ (1997) sind zwei Werke eines anderen Präsidentenberaters: T.P.M. Barnett, Der Weg in die Weltdiktatur, J-K-Fischer 2016 (The Pentagon´s New Map, 2004), sowie ders.: Drehbuch für den 3. Weltkrieg, Die zukünftige neue Weltordnung, J-K-Fischer 2016 (Blueprint for Action, 2005).

 [77] V. a. neokonservative Anhänger von Leo Strauss, die „nach den Terroranschlägen am 11.09.2001 eine Politik forderten, die moralisch begründet und insbesondere auch bereit ist zur politischen Täuschung wie zur Kriegsführung, zur unbedingten Verteidigung des amerikanischen Lebensstils wie zur gewaltsamen Durchsetzung von Regimewechseln“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Strauss).

 [78] „Im Jahr 1990 verhängte der UN-Sicherheitsrat nach dem Überfall Saddam Husseins auf Kuweit umfassende Sanktionen gegen den Irak. Abgesehen vom Importverbot schuf der Devisenmangel eine extreme Notlage. Denn da die Ölexporte wegfielen, konnten keine Nahrungsmittel, keine Medikamente und andere Güter des täglichen Bedarfs, auch keine technischen Geräte wie Wasserpumpen importiert werden. Die Wirtschaft brach zusammen. Nach Richard Garfield von der Columbia University führte das zu einer exorbitanten Zunahme der Kindersterblichkeit zwischen 1991 und 2002. Bis zu 530.000 Kinder starben nach seiner Schätzung, ihm zufolge ein historisch fast einmaliger Anstieg der Kindersterblichkeit. Tim Dyson, Professor für Bevölkerungswissenschaften an der London School of Economics, schätzt in einer Studie von 2006 die Zahl der toten Kinder unter fünf Jahren sogar auf bis zu 880.000. Wie viele Iraker anderer Altersstufen umkamen, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass deutlich mehr Mütter im Kindbett starben. Jedenfalls wirkte sich das Sanktionsregime, von der US-amerikanischen Rechts- und Moralphilosophin Joy Gordon als „invisible war“ bezeichnet, verheerend auf „die Gesundheit, die Bildung und das Wohlbefinden fast der gesamten Bevölkerung“ aus.  Nach Yaak Pabst, Politikwissenschaftler und Journalist, forderte dieser dreizehnjährige Wirtschaftskrieg mehr Menschenleben als die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki.“ (GEORG AUERNHEIMER, 27.04.2023, https://www.hintergrund.de/globales/kriege/ wirtschaftskriege-nicht-zielfuehrend-destruktiv-meist-rechtswidrig/)

 [79] s. „Madeleine Albright – The deaths of 500,000 Iraqi children was worth it for Iraq’s non existent WMD’s“ (URL: https://www.youtube.com/watch?v=RM0uvgHKZe8); s. auch Wikipedia (Abruf 8.3.2022).

[80] Exxpress.at, 27.08.2022, /us-politiker-es-ist-uns-egal-wie-viele-ukrainer-sterben-wir-wollen-gewinnen/.

[81] US-Senator Lindsey Graham setzte bei seinem Kiew-Besuch noch eins drauf: Zu Selenskyj sagte er liebenswürdig lächelnd: Dass Russen sterben, ist «das beste Geld, das wir je ausgegeben haben», https://weltwoche.ch/daily/us-senator-lindsey-graham-zu-selenskyj-dass-russen-sterben-ist-das-beste-geld-das-wir-je-ausgegeben-haben/ (29.05.2023)

 [82] John Kirby im Interview bei FoxNews-TV, März 2023.

[83] „US-Verteidigungsminister Austin gibt zu, dass die USA am Ukraine-Krieg beteiligt sind“ (Andre Damon, 26.04.2022, https://www.wsws.org/de/articles/2022/04/26/ukra-a26.html)

 [84] US-Pressesprecher John Kirby a.a.O.

[85] „Im letzten Irak-Krieg verschossen die Alliierten hunderte von Tonnen uranhaltiger Munition. Die panzerbrechende Waffe wirkt noch nach Jahren“, ARD/Weltspiegel-Feature „Irak Uranmunition – das strahlende Vermächtnis“ (2013), https://www.ardmediathek.de/video/weltspiegel/irak-uranmunition-das-strahlende-vermaechtnis/das-erste/

[86] Deadly Dust (Todesstaub), Film von Frieder Wagner & WDR, 16.01.2015 (https://www.youtube. com/watch?v=kLuR8UGco6k).

 [87] Alfred de Zayas, Zeit-Fragen.ch, 31.05.2022, a.a.O.

 [88] Wolfram Weimer, Chefredakteur des „TheEuropean“-Journals, Ende März 2023 bei TV-Maischberger.

 [89] Wolfgang Bittner, Ausnahmezustand, a.a.O.; S. auch Bericht des griech. Magazins ProNews.gr, 25.04.2023: „Die meisten [UN-] Länder glauben, obwohl sie es immer noch nicht offen aussprechen, dass die Vereinigten Staaten hinter den Geschehnissen in der Ukraine stehen und dass sie die Dinge auf die Spitze getrieben haben.“ https://www.pronews.gr/kosmos/o-rosos-ypeks-s-lavrof-ginetai-dektos-san-iroas-stin-syneleysi-tou-symvouliou-asfaleias-tou-oie-oloi-ithelan-na-tou-sfiksoun-to-xeri/

 [90] G. Verheugen, Gastbeitrag auf CICERO.de a.a.O. „Dauerhaften Frieden kann es nur mit Russland geben“.

 [91] Wolfgang Michael Gedeon, Die Befreiung Europas von NATO, EU und den USA (WMG 2022), S. 169

 [92] Bruno Bandulet, Beuteland. Die systematische Plünderung Deutschlands seit 1945, Kopp 2016.

 [93] W. M. Gedeon a.a.O., S. 294.

 [94] Zdf.de/nachrichten/politik/frankreich-macron-taiwan-konflikt-aussage-kritik-100.html (11.04.2023)

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