Zur Wehrpflichtdiskussion

von Stephan Ehmke

Bundesverteidigungsminister Pistorius fordert von der deutschen Politik fast ultimativ die Reaktivierung der Allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland. Hintergrund ist eine angebliche akute Bedrohung durch einen russischen Angriff, aber auch die Tatsache, dass immer weniger junge Deutsche bereit sind, den Soldatenberuf zu ergreifen. Auf die vielfältigen Ursachen dafür soll in diesem Beitrag nicht im Einzelnen eingegangen werden.

Neben Deutschland wird die (Wieder-)Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht auch in anderen Ländern der EU diskutiert, die in den letzten Jahrzehnten auf eine Berufsarmee gesetzt haben und, wie unser Land, mit den negativen Folgen konfrontiert wurden. Dazu zählt, wie gesagt, die immer geringer werdenden Zahl an Freiwilligen, aber auch deren abnehmende Qualifikation.

Die Allgemeine Wehrpflicht wurde in Deutschland – genauer gesagt, im Königreich Preußen – im Zuge der Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich ab 1813 eingeführt. Die Politik der damaligen preußischen Reformer folgte dem Scharnhorstschen Satz, dass „jeder Bürger eines Staates der geborene Verteidiger desselben“ sei. Vorbild war dabei auch das äußerst erfolgreiche französische Volksheer, das sich im Zuge der Französischen Revolution herausgebildet hatte, und das vor die Loyalität gegenüber der Staatsführung den Patriotismus setzte. Der Patriotismus aber und das Bewusstsein, als Bürger mit gleichen Rechten der Nation zu dienen und deren Interessen sowie Existenz zu verteidigen, war die Triebfeder der hohen Motivation dieses Volksheeres.

Dieselbe Motivation führte die deutschen Heere 1815 zum Sieg über Napoleon und zur Freiheit des Vaterlandes. So wurde das Heer der Allgemeinen Wehrpflicht auch zu einem Motor der Entwicklung des deutschen Nationalbewusstseins. Die Armee wurde zur Pflanzschule des Patriotismus. Der Wehrdienst wurde zu einem Ehrendienst.

Die deutschen Heere der Folgezeit – die Kaiserliche Armee und die Wehrmacht – stützten sich ebenfalls auf dieses Erfolgsmodell. Auch die Bundeswehr führte die Allgemeine Wehrpflicht – nach harten innenpolitischen Diskussionen – ab 1955 weiter. Das Scharnhorstsche Modell des „Staatsbürgers in Uniform“, also des „geborenen Verteidigers“ des Vaterlandes, wurde in dem Konzept der „Inneren Führung“ betont, wobei man sich ausdrücklich auf das preußische Vorbild von 1813 berief. Nicht zuletzt zur Betonung dieser Tradition wurde das Eiserne Kreuz (die erste deutsche Tapferkeitsauszeichnung, die unterschiedslos an alle Dienstgrade verliehen wurde) wiederum zum allgemeinen Symbol der Streitkräfte.

Übrigens wurden auch in der Deutschen Demokratischen Republik vergleichbare Traditionslinien gezogen. Die Nationale Volksarmee (NVA) und -marine der DDR beriefen sich ausdrücklich ebenfalls auf die preußischen Reformer. Der Begründer des preußischen Volksheeres, Scharnhorst, wurde dort nicht weniger als Vorbild gesehen, wie in der Bundesrepublik. Der höchste Militärorden der DDR wurde deshalb auch „Scharnhorst-Orden“ genannt. Auch im Mitteldeutschland der Teilungszeit wurde für den Wehrpflichtigen der Patriotismus als dienstliche Motivation maßgeblich. Wohl gegenüber dem „Arbeiter- und Bauernstaat“, aber auch gegenüber dem deutschen Vaterland.

Im „Kalten Krieg“ blieb der Verteidigungsauftrag der Bundeswehr, aber auch der NVA, grundsätzlich auf das eigene Staatsgebiet beschränkt. Der deutsche Soldat (Ost- oder West) wurde auf die Verteidigung der eigenen Grenzen, des eigenen Landes, verpflichtet. In der Bundesrepublik entsprach dies dem Gebot des Grundgesetzes, dass Streitkräfte nur zur Verteidigung aufgestellt werden dürfen. Dementsprechend bezieht sich – bis heute – der Soldateneid auf die Verteidigung Deutschlands und das treue Dienen gegenüber dem deutschen Volk und Vaterland. Deshalb war es dem deutschen Patrioten auch im Kalten Krieg möglich, den Wehrdienst als Ehrendienst zu begreifen.

Das Ende dieses Kalten Krieges bedeutete aber das Ende dieses Paradigmas. Die dann wieder gesamtdeutsche Politik setzte – veranlasst durch die Herrschaftsmacht USA – auf eine grundsätzliche Veränderung der Bundeswehr. Sie wurde nun zu einer „Bündnisarmee“, die auch im Ausland (vorgeblich gemäß verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben) eingesetzt werden konnte und sollte. Einen eklatanten Bruch bedeutete die Beteiligung deutscher Soldaten an den völkerrechtswidrigen Konflikten auf dem Balkan, in deren Verlauf durch die NATO Kriegsverbrechen begangen wurde. Fatal wurde zudem der verhängnisvolle Satz des ehemaligen Verteidigungsministers Peter Struck, Deutschland werde „am Hindukusch verteidigt“, als es um den Einsatz der Bundeswehr außerhalb Europas, also dem eigentlichen Betätigungsfeld der NATO, ging.

Die Bundeswehr wurde von einer Verteidigungsarmee zu einer Interventionsarmee, die nicht mehr die Interessen des eigenen Landes wahrnehmen sollte, sondern diejenigen der „einzig verbliebenen Weltmacht“ USA. Die USA aber hatten und haben nur ein Anliegen, nämlich ihre globale wirtschaftliche Vormachtstellung mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Seit Jugoslawien und Afghanistan waren die deutschen Streitkräfte somit zu einem Anhängsel der US-Außenpolitik geworden. Mit deutschen Patriotismus hatte das nichts mehr zu tun, auch wenn die hiesige Politik das ihren Soldaten weiterhin weismachen wollte.

Die massive Verkleinerung der Bundeswehr und strukturelle Abstellung auf die Aufgaben einer Interventionsarmee, die auf fremden Befehl global einsetzbar sein sollte, brachte auch das Ende der Allgemeinen Wehrpflicht im Jahre 2011 mit sich, auch wenn diese offiziell nicht abgeschafft, sondern lediglich „ausgesetzt“ wurde. Jedenfalls wurden alle organisatorischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen für eine Allgemeine Wehrpflicht gründlich geschleift. Fortan sollte der deutsche Waffenträger Berufssoldat sein, Profi, letztlich ein Söldner, der nach dem Vaterland nicht mehr zu fragen hatte.

Auf den völligen Bruch mit der deutschen soldatischen Tradition und dessen fatalen Folgen für die Moral der Truppe soll hier nicht weiter eingegangen werden. Jedenfalls hatte sich die deutsche Politik vom Konzept des „Staatsbürgers in Uniform“ als des „geborenen Verteidigers“ des Vaterlandes verabschiedet. Dass aus der Bundeswehr dann auch der Patriotismus zu verschwinden hatte, war die logische Folge davon.

Natürlich hatten die Soldaten der Bundeswehr nach 1990 sehr wohl bemerkt, was mit ihnen angestellt wurde. Wer an den Einsätzen auf dem Balkan und in Asien beteiligt war, erkannte sehr bald, dass deutsche Interessen dort nicht verteidigt wurden, schon gar nicht die Freiheit des deutschen Volkes und Vaterlandes. Strucks Wort vom „Hindukusch“ wurde schnell als Betrug entlarvt. Die ernüchternde Erkenntnis aber, fremden Interessen ausgeliefert worden zu sein, führte zu einem schweren und nachhaltigen Vertrauensverlust in die politische Führung und zu einem weiteren Schlag gegen die Moral der Truppe.

Dass unter diesen Voraussetzungen immer weniger junge Männer in Deutschland bereit waren, zum Dienst an der Waffe zu eilen, muss niemanden verwundern.

Nun meint aber die heutige deutsche Politik, dem Schwund an Freiwilligen mit der Wiedererweckung der Allgemeinen Wehrpflicht Herr werden zu können. Wie Eingangs gesagt, wird eine angebliche Bedrohung durch Russland als Vorwand gebraucht. Ähnlich wie im Falle Afghanistan wird den Deutschen weis gemacht, ihre Freiheit werde derzeit in Ukraine verteidigt. Dass dies ein neuerlicher Betrug ist, muss hier nicht betont werden.

In der Ukraine tobt ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland. Deutsche Interessen spielen dort überhaupt keine Rolle. Im Gegenteil wird unseren nationalen Interessen durch den vom Westen geschürten Konflikt mit Russland schweren Schaden zugefügt. Deshalb setzen sich deutsche Patrioten heute für einen Verhandlungsfrieden in der Ukraine und eine Verständigung mit Russland ein, wofür sie hierzulande politisch verfolgt und unterdrückt werden.

Aus den genannten Gründen können Patrioten eine Wiederinstandsetzung der Allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland unter den derzeitigen Bedingungen nur ablehnen. Junge deutsche Männer (und Frauen schon gar nicht) dürfen nicht zwangsverpflichtet werden, um als Soldaten fremden Interessen (nämlich denen der USA und der Globalisten) geopfert zu werden. Dies spricht dem Geist und der Tradition der Wehrpflicht, die ein Ehrendienst für die Verteidigung des eigenen Volkes und Vaterlandes ist, Hohn. Mit Scharnhorst und Clausewitz sowie ihren Nachfolgern hat das nichts mehr gemein.

Die Hauptvoraussetzung für eine patriotische Bejahung der Allgemeinen Wehrpflicht aber ist die Wiedererlangung der Souveränität Deutschlands in ganzem Umfang. Dies bedeutet vor allem die Befreiung von jeglichem fremden Einfluss der deutschen Politik und die Konzentration auf die nationalen Interessen. Deutsche Streitkräfte müssen wieder zu ihren eigentlichen Aufgaben, der Verteidigung des eigenen Staatsgebietes, des Schutzes des eigenen Volkes und seines Eigentumes, zurückgebracht werden. Dann würde eine Wehrpflicht wieder eine patriotische Ehrenpflicht werden.

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